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Geheimnisse fürs Volk

7. April 2010

Geheim, streng vertraulich: Gerne stufen Regierungen und Konzerne Dokumente so ein, um Korruption zu vertuschen. Auf der Internetplattform Wikileaks können Insider solche Dokumente nun an die Öffentlichkeit bringen.

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Logo Wikileaks (Foto: Wikileaks)
Die Welt wird vielleicht ein wenig transparenterBild: Wikileaks

Kenia im Jahr 2002: Die Bevölkerung ist die Regierung und die allgegenwärtige Korruption leid und wählt Mwai Kibaki zum Präsidenten. Der macht den Journalisten John Githongo zum obersten Korruptionsbekämpfer des Landes. Doch nach kurzer Zeit im Kabinett merkt Githongo: Die neue Regierung ist genauso korrupt wie die alte.

Kurzerhand nimmt er verdeckt Gespräche mit Ministern auf und weist so deren Bestechlichkeit nach. Githongo bekommt Angst um sein Leben, flieht nach Großbritannien und veröffentlicht seine Informationen – aber nicht etwa bei der BBC, sondern auf der Internetseite Wikileaks.

Wikileaks: in Kenia wahlentscheidend

Portrait des Ex-Korruptionsbekämpfer John Githongo (Foto: dpa)
Korruptionsbekämpfer in einer korrupten Regierung: John GithongoBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Dieser Githongo-Report ist einer der größten Erfolge von Wikileaks, sagt Daniel Schmitt, der in Deutschland die Seite betreut. Schließlich hatte er großen Einfluss auf die Präsidentenwahl 2007. "Es gibt die Annahme, dass zehn bis 15 Prozent der Stimmen durch diesen Report beeinflusst wurden. Wochenlang wurde in den Nachrichten darüber gesprochen, jeder in Kenia wusste davon", berichtet Schmitt.

Wikileaks ist eine offene Internetplattform, auf der jedermann brisante Dokumente veröffentlichen kann. Einzige Bedingung: sie müssen echt sein. Weltweit arbeiten mittlerweile 1200 Menschen an dem Projekt mit. Journalisten, Menschenrechtler, Informatiker. Sie eint der Gedanke, gegen Korruption und das illegale Verhalten von Regierungen und Konzernen vorgehen zu wollen. Eigentlich eine Kernaufgabe der Medien – doch in vielen Redaktionen fehlt heute das Geld für investigative Recherchen.

Billige Quelle für Journalisten

"Der investigative Journalismus ist akut bedroht", sagt Schmitt. Es gebe statt dessen immer mehr oberflächliche Berichterstattung, "Entertainment und Popkultur, diese ganzen Sachen, die uns eigentlich ablenken, von dem, was wichtig ist." Mit Wikileaks haben Journalisten jetzt eine kostengünstige Quelle für brisantes Material - und Informanten eine neue Möglichkeit, ihr Wissen zu teilen. Wenn Bürger von etwas Korruptem, moralisch nicht Akzeptablem wissen, haben sie jetzt einen Service, an den sie sich wenden können – auch wenn sie keinen Journalisten kennen, dem sie vertrauen, sagt Schmitt

Screenshot Wikileaks (Foto: Wikileaks)
1,2 Millionen Dokumente wurden bisher schon veröffentlichtBild: Wikileaks

Um die Echtheit eines Dokuments festzustellen, haben die Wikileaks-Leute verschiedene Mechanismen entwickelt. Informatiker prüfen, mit verschiedenen Tests, ob Material technisch manipuliert wurde. Dann kontaktieren die Mitarbeiter Experten, die sich mit dem entsprechenden Thema auskennen.

Hans Leyendecker, investigativer Journalist bei der überregionalen Süddeutschen Zeitung ist dennoch skeptisch. "Es ist eine Quelle, die man sich anschauen kann, aber man sollte damit keine zu große Hoffnungen verbinden", sagt er. Man könne manchmal nicht erkennen, was echt ist und was gefälscht. "Und das zweite ist: Die Unterlagen liefern doch nur bestenfalls Ansatzpunkte für eine umfassende Recherche, mehr nicht."

Schutz für Informanten

Mittlerweile stehen 1,2 Millionen Dokumente auf der Seite. Die Informanten sind auch deshalb so zahlreich, weil sie anonym bleiben können. Bevor eine Datei auf der Seite landet, leiten es die Wikileaks-Leute über Computer in Ländern mit starken Pressegesetzten. Klagt jemand gegen Wikileaks, greifen dann etwa die weitgehenden Presserechte von Schweden oder den USA. Scientology, das Bankhaus Julius Bär und die iranische Regierung sind schon gegen Wikileaks juristisch vorgegangen – ohne Erfolg.

Wikileaks-Mitarbeiter Daniel Schmitt (Foto: dpa)
Hat seinen Job für Wikileaks an den Nagel gehängt: Daniel SchmittBild: picture alliance / dpa

Auch die meisten Mitarbeiter bleiben anonym. Daniel Schmitt hat eigentlich einen anderen Namen, er ist der einzige aus Deutschland, der überhaupt an die Öffentlichkeit geht. Wer politische Skandale aufdeckt, lebt gefährlich. "Anfang des Jahres sind zwei unserer Leute in Kenia ermordet worden", erzählt er. "In dem Moment dachte ich, dass es gut ist, meinen Namen nicht zu veröffentlichen." Deutschland ist nicht Kenia, das ist auch Schmitt klar. "Aber es ist immer die Frage, wem man Ärger bereitet und wie viele Ressourcen die Leute investieren, um Probleme aus der Welt zu schaffen."

So gefährlich die Mitarbeiter leben - für Oppositionelle oder Dissidenten in Ländern ohne Pressefreiheit ist mit Wikileaks ein wichtiges Instrument entstanden, heikles Material an die Öffentlichkeit zu leiten – mit relativ geringem Risiko für sie selbst.

Daniel Schmitt hat bis vor ein paar Monaten als Informatiker Firmen-Netzwerke eingerichtet – für ihn war das ein Grund, seinen Job an den Nagel zu hängen: "Ich bin noch nie in meinem Leben so aufrecht gegangen wie jetzt. Wenn ich morgens aufwache, weiß ich, dass ich an diesem Tag etwas leisten werde, das irgendwen auf der Welt weiter bringt, jemandem hilft."

Autor: Manfred Götzke

Redaktioin: Conny Paul