1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ergebnislos verhandelt

20. November 2009

Nachdem der Iran das Kompromissangebot der Internationalen Atomenergiebehörde abgelehnt hat, wird die Frage der Sanktionen diskutiert. Die USA setzen erneut auf Druck – doch Sanktionen sind der falsche Weg, so Kritiker.

https://p.dw.com/p/Kbf2
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadineschad in Regierungsgebäude in Teheran (Foto: AP)
Fragwürdige Strategie: Internationale Isolierung AhmadinedschadsBild: AP

Die Geduld der internationalen Gemeinschaft im Atomkonflikt mit dem Iran geht nach den Worten des US-Präsidenten Barack Obama zu Ende: Die Welt werde nicht tatenlos weitere end- und ergebnislose Verhandlungen mit Teheran hinnehmen, so der Präsident am Donnerstag (19.11.2009). Gleichzeitig kündigte er "klare Botschaften" und "Maßnahmen" – wie etwa Sanktionen – gegen das Regime an. Im Atomdeal der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), den Teheran ausgeschlagen hatte, war vorgesehen, dass der Iran schwach angereichertes Uran ins Ausland schickt. Dort sollte es weiter angereichert werden.

IAEA-Direktor Mohamed El Baradei bei einem Gespräch in Wien im Oktober 2009 (Foto: dpa)
Der Iran hat den jüngsten Vorschlag von El-Baradei abgelehntBild: DPA

Atomfrage lenkt von Menschenrechten ab

Der Westen, so erklärt der iranische Publizist Bahman Nirumand, habe in den aktuellen Verhandlungen seit September 2009 einen schweren Fehler begangen. Man habe geglaubt, die Proteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni hätten das Regime innenpolitisch soweit geschwächt, dass man ihm außenpolitisch Kompromisse abverlangen könne, so Nirumand. Stattdessen habe Teheran die nukleare Frage für sich genutzt, um von den Menschenrechtsverletzungen während der Proteste abzulenken: "Die Verhandlungen haben sich nur noch auf den Atomkonflikt konzentriert."

Sanktionen spalten die Zivilgesellschaft

Und genau diese Konzentration gebe dem iranischen Regime die Chance, wieder den äußeren Feind aufzubauen und Gefahren an die Wand zu malen, die das Land bedrohten, erklärt der gebürtige Iraner. Auf diese Weise werde die Zivilgesellschaft gespalten und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad könne seine Machtbasis vergrößern. Wie eine Bestätigung dieser Einschätzung mutet die Erklärung aus Teheran direkt nach den Äußerungen des US-Präsidenten an, die der iranische Präsident Ahmadinedschad am Donnerstag (19.11.2009) live im Fernsehen übertragen ließ. Dort erklärte er: "Die Feinde unseres Landes wollen nicht, dass es bei uns Fortschritt und Wohlstand gibt. Deswegen sollten wir Einigkeit bewahren, um unser Ziel zu verwirklichen."

Iranische Oppositionelle vor Revolutionsgericht im August 2009 Lizenz: frei Quelle: FarsNews
Ihnen kann die Todesstrafe drohen: Iranische OppositionelleBild: FarsNews

Kritik an den westlichen Medien

Dem Regime sei es wieder einmal gelungen, mit der Androhung von Sanktionen aus dem Westen die Nuklearfrage zu einer Frage der nationalen Souveränität aufzuwerten, so der Politikwissenschaftler Christoph Bertram, der das Buch "Partner nicht Gegner – für eine andere Iran-Politik" geschrieben hat. Mit Sanktionen, so fügt Nirumand hinzu, werde die Oppositionsbewegung geschwächt. "Plötzlich redet kaum mehr jemand darüber, was im Iran passiert. Keinen interessieren die langen Gefängnisaufenthalten und Todesstrafen, die den Regimekritikern drohen", kritisiert Nirumand auch die westlichen Medien.

Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, plädiert der ehemalige Leiter des Londoner International Instituts for strategic studies (IISS), Christoph Bertram, für ein Gespräch mit der iranischen Führung auf Augenhöhe. Die bisherige Strategie, Sanktionen anzudrohen, habe bis heute nicht gefruchtet, so seine Einschätzung. Und damit sei die Internationale Gemeinschaft auf dem Holzweg: "Das Nuklearprogramm des Iran geht weiter. Das Misstrauen zwischen dem Westen und der Islamischen Republik ist gewachsen und wenn man jetzt weitermacht wie bisher, wird man keine Ergebnisse erzielen."

Proteste in Teheran gegen die umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009
Sanktionen schwächen die Oppositionsbewegung im IranBild: mehr

Abschreckung und Dialog als Alternative

Bertram fordert ein Umdenken und Umsteuern im Atomkonflikt mit dem Iran. Ähnlich wie bei den Verhandlungen mit der ehemaligen Sowjetunion im Kalten Krieg werde eine Kombination aus Abschreckung und dem Angebot der Zusammenarbeit zum Ziel führen, so die Prognose des Politikwissenschaftlers.

Es gebe eine ganze Reihe übereinstimmender Interessen zwischen dem Westen und der Islamischen Republik, bei denen man ansetzten könnte. "Die Zukunft von Afghanistan, die Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus. Das alles sind Punkte, an die man gemeinsam anknüpfen könnte", so Bertram. Er räumt jedoch ein, dass dieser Weg ein langwieriger sei. "Das erfordert mühselige Diplomatie und Stehvermögen. Ich hoffe, dass Präsident Obama dieses Stehvermögen besitzt." Voraussetzung dafür sei jedoch die Unterstützung der Europäer. Diese, so kritisiert Bertram, hätten bisher einen hilfreichen Beitrag für den Dialog mit dem Iran vermissen lassen. "Europa muss Obama viel stärker Schützenhilfe leisten, auch um ihn gegen die Kritiker im eigenen Land zu stärken."

Autorin: Stephanie Gebert (dpa, afp)

Redaktion: Ina Rottscheidt