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Australien bittet um Entschuldigung

16. November 2009

Zehntausende Kinder wurden im vergangenen Jahrhundert von Großbritannien nach Australien verschickt und litten in Heimen unter Vernachlässigung und Missbrauch. Nun entschuldigte sich die australische Regierung dafür.

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Kinder in einem Heim
Eine halbe Million Kinder wurden in australischen Heimen misshandeltBild: picture-alliance / akg-images

In einer bewegenden Rede im Parlament in Canberra äußerte der australische Ministerpräsident Kevin Rudd am Montag (16.11.2009) sein Bedauern gegenüber rund tausend Opfern und entschuldigte sich für "die absolute Tragödie verlorener Kindheiten". Nach Schätzungen des Senats wuchsen zwischen 1930 und 1970 eine halbe Million Kinder in staatlichen und kirchlichen Heimen auf, wo sie oft misshandelt oder missbraucht wurden. Diese sogenannten "vergessenen Australier" kamen unter anderem aus Großbritannien und wurden häufig aus armen Familien herausgerissen oder unverheirateten Müttern weggenommen. Vielen wurde gesagt, ihre Eltern seien tot. Auch Geschwister wurden in der damaligen britischen Kolonie oft getrennt. Essen, Bildung und medizinische Versorgung wurden ihnen nicht selten vorenthalten. "Dies ist eine hässliche Geschichte. Die Wahrheit ist, dass eine große Sünde begangen wurde", so Rudd. Dieser Tag solle ein Wendepunkt in der Geschichte Australiens sein, sagte der Regierungschef weiter und mahnte, dass so etwas sich nicht wiederholen dürfe.

Australiens Ministerpräsident Rudd erntete für seine Entschuldigung großen Applaus. Bereits im vergangenen Jahr hatte er sich in einer vielbeachteten Geste bei den Aborigines für ihre langjährige Unterdrückung durch die europäischen Einwanderer entschuldigt.

Gründe für die Ausfuhr

Der australische Ministerpräsident Kevin Rudd (Foto: AP)
Rudd bat Opfer und Angehörige um VerzeihungBild: AP

Opferverbände fordern nach der Entschuldigung auch finanzielle Wiedergutmachung. Zu den Motiven für die Deportation habe nach deren Angaben und einer britischen Parlamentsuntersuchung neben der Entlastung des eigenen Sozialsystems auch Rassismus gehört: Die Ausfuhr von "gutem weißen Bestand" in britische Kolonien sei ein wünschenswertes Politikziel gewesen.

Rudds Ansprache im Parlament verfolgten viele der Betroffenen sichtlich berührt. "Viele Menschen um mich herum hatten Tränen in den Augen, genauso wie ich", sagte Frank Golding, der ein Jahrzehnt in einem Waisenhaus im Bundesstaat Victoria verbrachte. "Es geht einem einfach nahe."

Auch Großbritannien will sich entschuldigen

Auch die britische Regierung hat eine offizielle Entschuldigung angekündigt. Premierminister Gordon Brown will Anfang nächsten Jahres sein Bedauern dafür ausdrücken, dass sein Land bis 1967 zehntausende Kinder zum Teil ohne Einverständnis ihrer Eltern in frühere Kolonien geschickt hat. Insgesamt brachten spezielle Agenturen damals mehr als 130.000 britische Kinder zwischen drei und vierzehn Jahren nach Australien, Kanada, Neuseeland, Südafrika und in das heutige Simbabwe - angeblich um ihnen dort ein besseres Leben zu ermöglichen.

Autorin: Patrizia Pullano (afp, ap)

Redaktion: Hajo Felten