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Depression

12. November 2009

Der Selbstmord von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke hat aufgerüttelt. Plötzlich spricht jeder von Depressionen. Unter uns leiden viel mehr Menschen an dieser Volkskrankheit, als die meisten wohl annehmen.

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Eine junge Frau sitzt mit traurigem Gesichtsausdruck vor einem Fenster (Bild: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Rund 10 Prozent aller Männer und rund 20 Prozent aller Frauen in Deutschland leiden nach Experten-Meinungen unter Depressionen. Körperliche Symptome wie Schlaf- und Appetitlosigkeit mischen sich dabei mit psychischen Anzeichen wie mangelndem Antrieb, Pessimismus und Selbstmordgedanken. Jeden Tag müssen vier Millionen Bundesbürger mit dieser Volkskrankheit leben.

Diese Zahlen nennt Professor Mathias Berger, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik Freiburg. Bei ihm und seinen Kollegen steht das Telefon in diesen Tagen kaum still. Immer wieder kommen Anrufe von Menschen, die mehr erfahren wollen über das Thema Depressionen - zu dieser Gemütskrankheit, die längt eine Volkskrankheit ist.

Der Ärztliche Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, Prof. Mathias Berger (Foto: privat)
Psychiater Berger: "Depressionen sind genetisch bedingt"Bild: www.berger-mathias.de

Vor ein paar Jahren noch war es ein Tabu, über Depressionen zu sprechen, inzwischen bekennen sich immer mehr Menschen zu ihrem Leiden. So sind Depressionen der häufigste Grund für eine Frührente.

Ein Selbstmord wie bei Robert Enke ist der schlimmste Fall. Es gibt verschiedene Ausprägungen, erklärt Berger: "Es gibt Menschen, die eine starke genetische Disposition haben, und bei denen schon geradezu lächerliche Belastungen wie der Wechsel der Jahreszeiten ausreichen, um Depressionen auslösen zu können."

Dann gebe es Patienten, bei denen erhebliche Stressoren vorliegen müssen, um sie krank zu machen. Und letztlich sei da noch der große Rest, der selbst unter Extremstbelastungen niemals depressiv wird.

Bei Männern seltener, aber oft tödlich

Depressionen kommen in allen Bevölkerungsschichten, in allen Berufsgruppen und in jedem Alter vor, am häufigsten aber zwischen 30 und 40 Jahren. Männer sind seltener betroffen, die Folgen sind bei ihnen aber oft schwerwiegender: Drei Mal so häufig wie bei weiblichen Betroffenen kommt es zum Suizid.

Dabei ließe sich der oft verhindern - Angehörige können eine Gefährdung zum Beispiel an Schlafproblemen erkennen. Verdächtig ist, wer sehr früh aufsteht, sich nicht konzentrieren kann, ängstlich wird, sich zurückzieht und am sozialen Leben nicht mehr teilnehmen möchte.

Aber auch hier gibt es geschlechterspezifische Unterschiede, sagt Berger: "Es gibt so etwas wie eine Männerdepression." Die äußert sich darin, dass Männer "übertrieben aktiv sind, massiv Sport treiben, Streit anfangen, gereizt sind, wenn man ihnen Hilfe anbietet". Meist sei die Antwort der männlichen Betroffenen, sie brauchten keine Hilfe, sie kämen schon alleine klar, so Berger.

Robert Enke bei einer Pressekonferenz (Foto: AP)
Von Depressionen in den Tod getrieben: Nationaltorwart Robert EnkeBild: AP

Nicht immer ist Hilfe von Außen vonnöten, damit die Depressionen wieder verschwinden. In der Hälfte aller Fälle kehrt der Lebensmut nach einer - wie sie Mediziner nennen - "Episode" von vier bis sechs Monaten von selbst zurück. "Wenn der Betroffene diese Zeit überlebt", wie Berger zu bedenken gibt. "Bei den anderen 50 Prozent kommt es dann mal nach zehn, mal nach drei, mal nach zwanzig Jahren eventuell wieder zu einer Depression". Dazwischen führten die Betroffenen zumeist ein völlig normales Leben.

Hoffnung für alle Erkrankten

Eine relativ kleine Gruppe leidet unter einer chronischen Depression. Das heißt, dass diese Menschen länger als zwei Jahre kontinuierlich depressiv sind, jeden Aspekt ihres Lebens negativ einschätzen - ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukunft schwarz sehen. Erreichtes ist nichts mehr wert. Aber auch ihnen macht Berger Mut: "Mit einer Kombination aus Pharmaka und gezielten Psychotherapien haben sie gute Chancen, auch da wieder heraus zu kommen."

Wer also das Gefühl hat, in einer solchen ausweglosen Situation zu stecken, der sollte Hilfe in Anspruch nehmen, sich an einen Arzt wenden. Und das frühzeitig, bevor es so weit kommt wie beim Fußball-Torwart Robert Enke.

Autor: Tobias Oelmaier
Redaktion: Kay-Alexander Scholz