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Die Jagd auf Zugvögel

6. November 2009

Wenn im Herbst die Zugvögel in ihre Winterquartiere nach Afrika ziehen, legen sie einen Zwischenstopp in Oberitalien ein. Mit den Vögeln kommen auch die Wilderer – und schießen die Tiere ab, obwohl die Jagd verboten ist.

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'polenta ucelli' (Foto: Komitee e. V.)
"polenta ucelli", illegal aber eine Delikatesse in ItalienBild: Komitee gegen den Vogelmord e.V.

Tierschützer in Brescia (Foto: Komitee e. V.)
Einigen Vögeln konnten die Tierschützer in Brescia das Leben rettenBild: Komitee gegen den Vogelmord e.V.
Ein Wald in der Provinz Brescia in Oberitalien. Es geht Abhänge hoch und wieder hinunter, mitten durchs Unterholz. Alexander Heydt vom Komitee gegen den Vogelmord aus Bonn und sein italienischer Mitstreiter Gianpiero Broggi suchen das Waldstück nach verbotenen Vogelfallen und Netzen ab. Dabei sind sie nicht zimperlich. In Bergschuhen und grüner Tarnkleidung durchstreifen sie noch so unzugängliches Gelände. Denn die Wilderer verstecken ihre Fallen immer besser. "Die Gegend ist berühmt für ihre großen Netzfanganlagen, und die Hälfte der Fläche haben wir schon abgesucht ohne fündig zu werden", sagt Alexander Heydt während einer kurzen Verschnaufpause.

Seit mehr als zehn Jahren kommen er und andere Freiwillige im Herbst nach Oberitalien, um konkret etwas gegen den illegalen Vogelfang zu tun. Ihre Taktik haben sie im Laufe der Jahre verändert. Früher bauten sie die verbotenen Netze ab und sammelten die Fallen ein, heute lassen sie alles wie es ist und melden die Fundstellen der Forstpolizei, denn nur sie hat die gesetzliche Handhabe, Wilderer festzunehmen. 42 sind ihnen dieses Jahr schon ins Netz gegangen.

Italien bricht EU-Recht

Auch die Tierschützer aus Deutschland müssen sich an die italienischen Gesetze halten. Die Jagd auf Buch- und Bergfinken ist in Italien erlaubt und auch wenn es den Tierschützern sichtlich schwer fällt, sie dürfen die Jäger nicht belästigen. "Die Provinzregierung hier in Brescia hat den Abschuss von Buch- und Bergfinken erlaubt. Das darf man zwar nach EU-Recht nicht, aber die haben es einfach gemacht", sagt Heydt und sein Gesicht verdüstert sich.

Noch eine Vogelart ist dieses Jahr zum Abschuss freigegeben worden: der Kernbeisser. Italienische Naturschützer protestierten dagegen vor dem Sitz der Regionalregierung in Mailand, aber ohne Erfolg. Die Jagd auf Singvögel hat in Norditalien Tradition. Immer noch gibt es hier Restaurants, die Singvögel verbotenerweise auf ihre Speisekarte setzen. Die Tierschützer wollen das verhindern. Allein in diesem Jahr konnten rund um den Gardasee mehr als 2000 illegale Fallen und rund 100 Netze von der italienischen Forstspolizei beschlagnahmt werden. Die Fallen und Netze dienen dazu, die Vögel lebend zu fangen. Sie werden als Lockvögel an Jäger verkauft.

Schlagfalle (Foto: Komitee e. V.)
Mit Ebereschenbeeren beköderte und aktivierte SchlagfalleBild: Komitee gegen den Vogelmord e.V.
Leonardo Petrelli (Foto: Komitee e. V.)
Leonardo Petrelli mit eingesammelten SchlagfallenBild: Komitee gegen den Vogelmord e.V.

Das Abschießen von Zugvögeln ist in einem bestimmten Rahmen erlaubt. Doch die Jäger halten sich oft nicht an die vorgeschriebenen Quoten. Sie haben eine starke Lobby in der Politik. Die mit den Jägen sympathisierenden regionalen und lokalen Politiker schaffen es immer wieder, auch bedrohte Arten auf die Abschusslisten zu setzen. Sie verstoßen damit gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie und werden deswegen von Naturschutzgruppen jedes Jahr aufs Neue verklagt. "Dummerweise braucht das Verwaltungsgericht meistens genau so lange um eine Entscheidung zu fällen wie Jagdzeit ist. Erstaunlicherweise fällt dann das Urteil, dass dieses Gesetz illegal ist, auf den letzten Jagdtag", erzählt Alexander Heydt mit einem bitteren Lachen.

Saftiges Bußgeld für Wilderer

Alexander Heydt kennt die Wälder in der Provinz Brescia wie seine Westentasche. Er späht hinter jeden Busch und sucht den Boden nach Fußspuren ab. Plötzlich richtet er sich abrupt auf und zeigt hinter eine Brombeerhecke: "Das hier ist ein Fallenpfad mit Bogenfallen, die standen hier früher zu Hunderttausenden in den Bergen. Heute haben wir schon fünf Stunden gesucht und jetzt haben wir endlich welche gefunden".

Ein Erfolg für die Naturschützer. Dank ihrer jährlichen Suchaktionen ist die Gesamtzahl der verbotenen Fallen und Netze in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Wilderer, die von der Forstpolizei auf frischer Tat ertappt werden, erwartet ein Strafverfahren und ein Bußgeld von bis zu 4000 Euro. Viele potentielle Vogelfänger schreckt das ab. "Darüber bin ich sehr froh" sagt Gianpiero, der das deutsche Komitee gegen den Vogelmord seit Jahren unterstützt. Alexander Heydt hat sein Handy aus der Jackentasche gezogen: per SMS meldet ein anderer Suchtrupp ein großes Fangnetz auf "Monte Isola", einer bewaldeten Insel im Iseosee.



Alexander Heydt fragt nach: "Ist das ein aktives Netz? Das wäre interessant, weil die Forstpolizei nur darauf wartet, sich auf die Lauer zu legen." Die Zusammenarbeit zwischen Naturschützern und Forstpolizisten wird von Jahr zu Jahr intensiver. Für die Beamten sind die freiwilligen Suchtrupps eine große Hilfe, weil sie selbst nicht das nötige Personal aufbringen, um die Wälder rund um den Gardasee so systematisch zu durchkämmen. Derzeit wird in der italienischen Politik jedoch eine Reduzierung der Forstpolizisten diskutiert. Sollte es dazu kommen, wird sich die Arbeit für die ehrenamtlichen Vogelschützer erhöhen.

Rotkehlchen in illegalem Netz (Foto: Komitee e. V.)
Gefangen - das Rotkehlchen konnte sich aus dem illegalen Netz nicht befreienBild: Komitee gegen den Vogelmord e.V.

Autorin: Kirstin Hausen
Redaktion: Heidi Engels