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Angeklagter gesteht in Sherbini-Prozess

4. November 2009

Im Dresdener Gerichtsverfahren um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini hat der Angeklagte sein Schweigen gebrochen und ein Geständnis abgelegt. Ausländerfeindlichkeit sei aber nicht sein Motiv gewesen.

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Sicherheitsbeamte führen den vermummten Alex W. in den Gerichtssaal (Foto: AP)
Vermummt und ohne Reue zu zeigen war der Angeklagte zu Prozessbeginn erschienenBild: AP

Der Angeklagte Alex W. äußerte sich nicht persönlich im Prozess um die tödliche Messerattacke auf die Ägypterin Marwa El-Sherbini. Vor dem Dresdener Landgericht las sein Verteidiger, Veikko Bartel, am Mittwoch (05.11. 2009) eine Erklärung seines Mandanten vor.

Darin gibt der Russlanddeutsche zu, die schwangere 31-Jährige und ihren Mann angegriffen zu haben. Er gestand auch, dass er ausländerfeindlich sei. Aber sein Tatmotiv sei nicht Fremdenhass gewesen. Vielmehr seien Stress durch den Prozess um die Beleidigung sowie die Angst vor einer Strafe gegen ihn der Auslöser für die Bluttat gewesen.

Bruchstückhafte Erinnerung

Frauen legen Blumen nieder vor einem Bild der Ermordeten (Foto: AP)
Im Juli fand vor dem Rathaus in Dresden eine öffentliche Trauerfeier für die ermordete Marwa El-SherbinyBild: AP

Der Verteidiger zitierte weiter: Die Tat vom Juli, an die sich der 28-Jährige nur in Ausschnitten erinnere, sei nicht geplant gewesen. Er habe das Messer schon seit Wochen im Rucksack mit sich herumgetragen. Zum Augenblick seines Angriffs ließ er mitteilen, er sei aufgestanden und habe sich selbst das Kommando gegeben, auf die Zeugin und ihren Mann loszugehen.

Der arbeitslose Spätaussiedler muss sich wegen Mordes an Marwa El-Sherbini sowie wegen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung an ihrem Ehemann vor dem Landgericht verantworten. Während einer Verhandlung vor demselben Gericht am 1. Juli, bei der er sich wegen früherer Beschimpfungen der Ägypterin verantworten musste, hatte er seine Opfer mit einem Messer angegriffen.

Geldstrafe wegen Beleidigung

Die schwangere Mutter eines dreijährigen Jungen starb wenig später. Ihr Mann überlebte schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft Alex W. vor, die Frau aus bloßem Ausländerhass getötet zu haben. In der Verhandlung war es um Beleidigung gegangen.

Der Russlanddeutsche hatte die Ägypterin 2008 auf einem Spielplatz als "Islamistin" und "Terroristin" beschimpft und war bereits in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt worden. In seiner Erklärung hieß es dazu weiter, nach seiner Festnahme habe er "bedauert, dass es geschehen war, dass ich mein Leben versaut habe und nicht selbst bei der Aktion erschossen wurde".

Alex W. zeigt keine Reue

Demonstranten in Ägypten mit Plakaten (Foto: AP)
Der Mordfall hatte in Deutschland und in der muslimischen Welt Aufsehen und Empörung ausgelöstBild: AP

Vor Gericht aber zeigte er jetzt keinerlei Reue und entschuldigte sich auch nicht. Überhaupt hatte er sich seit Beginn der Verhandlung am 26. Oktober kaum kooperativ gezeigt und bislang geschwiegen. In der ersten Prozesswoche hatte er im Gerichtssaal sogar randaliert.

Er leistete Widerstand gegen Beamte und stampfte im Gerichtssaal mit den Füßen. Während seine Erklärung verlesen wurde, saß er regungslos mit gesenktem Kopf und die Kapuze seines Pullovers übergezogen auf der Anklagebank.

Beschwichtigungsversuch?

Der Anwalt des Witwers, Heiko Lesch, hält das Geständnis für einen Beschwichtigungsversuch. Der Verweis auf eine Tat im Affekt stimme nicht mit den Ergebnissen der bisherigen Beweisaufnahme überein. Lesch sieht die niederen Beweggründe durch die Aussagen von Zeugen bestätigt.

So habe sich der Ausländerhass des Angeklagten schon früher geäußert, ebenso wie seine Haltung, dass Muslime kein Lebensrecht hätten und keine Mitbürger seien. "Das sehen wir als Motiv an", konstatierte Lesch.

An diesem Donnerstag soll das Gutachten zur Schuldfähigkeit vorgetragen werden. Für kommenden Montag und Dienstag sind die Plädoyers geplant. Das Urteil soll am 11. November gesprochen werden.

Autorin: Eleonore Uhlich (dpa,afp,epd)

Redaktion: Dirk Eckert