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Karadzic vor Gericht

3. November 2009

Radovan Karadzic hat seinen Boykott unterbrochen und ist vor dem UN-Kriegesverbrechertribunal in Den Haag erschienen - um mehr Zeit für seine Vorbereitung zu verlangen. Nun muss das Gericht entscheiden.

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Radovan Karadzic (Archivfoto: AP)
Radovan KaradzicBild: AP

Erstmals seit Prozessbeginn vor einer Woche ist der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic am Dienstag (03.11.2009) vor dem UN-Tribunal erschienen. Allerdings äußerte er sich nicht inhaltlich, sondern forderte seine Richter auf, den Prozess zu unterbrechen. Er brauche noch mehrere Monate Zeit für die Vorbereitung seiner Vereidigung. Deshalb sei er bisher dem Prozess ferngeblieben.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon widersprach Karadzic jedoch: Die Zeit für die Vorbereitung sei ausreichend. Ihm sei genug Zeit für das Studium der Akten gegeben worden. Das Gericht hatte zuvor mit der Einsetzung eines Pflichtverteidigers gedroht, sollte Karadzic nicht erscheinen. Karadzic will sich dagegen selbst verteidigen und von einem internationalen Team von Anwälten beraten lassen.

Die Richter müssen nun entscheiden, wie der Prozess fortgeführt werden soll, wenn Karadzic nicht daran teilnimmt. Der Einsatz eines Pflichtverteidigers könnte den Prozess um mehrere Monate verzögern, da dieser sich zunächst in die umfassenden Prozessakten einarbeiten müsste. Das Gericht werde seine Entscheidung nach eingehender Beratung schriftlich mitteilen, sagte der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon zum Abschluss der Anhörung. Der Prozess gegen Karadzic ist deswegen für mehrere Tage unterbrochen.

Anklage wegen Völkermord

Gräberfeld (Foto: AP)
Trauer in SrebrenicaBild: AP

Radovan Karadzic muss sich in elf Punkten wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 vor dem Tribunal verantworten. In der Anklageschrift geht es unter anderem um das Massaker von Srebrenica, bei dem mehr als 8000 muslimische Männer und Jungen getötet wurden.

Auch die 44-monatige Belagerung Sarajevos, bei der Karadzics Einheiten gegen Zivilisten vorgingen, gehört zu den Anklagepunkten. "Es wurde auf Mütter geschossen, die mit ihren Kindern spazieren gingen, auf spielende Schulkinder, ebenso wahllos wie auf Menschen in Straßenbahnen", so Alan Tieger, amerikanischer Ankläger im Prozess. Der 64-jährige Karadzic habe diese Verbrechen nicht zu verhindern versucht, sondern die Verantwortlichen im Gegenteil noch dazu ermutigt.

Mladic noch immer auf freiem Fuß

Karadzic wurde im Juli 2008 gefasst, nachdem er sich 13 Jahre lang versteckt hatte. Unter falschem Namen und mit stark verändertem Äußeren hatte er bis zuletzt unbehelligt in Belgrad gelebt und in einer privaten Arztpraxis gearbeitet.

Ebenso wie Karadzic ist auch der frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic nach dem 1996 erlassenen internationalen Haftbefehl untergetaucht. Von ihm fehlt weiterhin jede Spur. "Ob man einen Ratko Mladic ausfindig macht, hängt nicht nur von Fleiß, sondern auch vom Glück ab", meint Vladimir Vukcevic, Belgrader Generalstaatsanwalt für Kriegsverbrechen. Einen Zeitpunkt für die Festnahme vorherzusagen sei sehr schwer. Sein Ziel ist es, Mladic bis Ende des Jahres an das Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien auszuliefern.

Autorin: Rebekka Drobbe (rtr, afp, dpa)

Redaktion: Dirk Eckert