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Sarkozy und die liebe Freundin Angela

29. Oktober 2009

Nach ihrer Wahl reiste Bundeskanzlerin Merkel nach Paris und traf Präsident Sarkozy. Für beide ist klar: Frankreich und Deutschland wollen auch in den nächsten Jahren gemeinsam die europäische Politik prägen.

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Nicolas Sarkozy und Angela Merkel begrüßen sich (Foto: dpa)
Wollen weiter gut zusammenarbeiten: Sarkozy und MerkelBild: dpa

Küsschen rechts, Küsschen links - ein Kuss sagt mehr als tausend Worte - auch in der Politik. Nach langer Abstinenz lies sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch (28.10.2009) von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wieder herzlich umarmen. Die beiden Regierungschefs dokumentieren damit vor allem eines: Frankreich und Deutschland wollen weiter gemeinsam die Rolle der Lokomotive in Europa spielen.

Die Regierungschefin traf nach der Vereidigung in Berlin am Abend für rund zwei Stunden den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu einem gemeinsamen Abendessen in Paris. Ihr Besuch am Tag der Vereidigung sei "eine starke, sehr wichtige Geste", hatte zuvor der französische Regierungssprecher Luc Chatel gesagt. Sarkozy war seinerseits sofort nach Deutschland gereist, als er sein Amt im Mai 2007 angetreten hatte.

Sarkozy und Merkel vor dem Elyséepalast (Foto: dpa)
Sarkozy und Merkel vor dem ElyséepalastBild: dpa

Die beiden Politiker wollten den an diesem Donnerstag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel vorbereiten. "Bei fast allen Themen werden die Vorschläge, die Deutschland und Frankreich unterbreiten, die gleichen sein", sagte Sarkozy beim Empfang der am Vormittag wiedergewählten Kanzlerin. Merkel kündigte eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Regierungen an. Außerdem solle die deutsch-französische Zusammenarbeit bei Bildung und Wissenschaft ausgebaut werden. Auch die Kooperation bei den Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft soll verbessert werden.

"In deiner Regierung finden wir alte Freunde wieder"

"Die Zusammensetzung der Regierung und das Koalitionsprogramm der Bundeskanzlerin sind für Frankreich hervorragende Neuigkeiten", betonte Sarkozy. "In Deiner Regierung, liebe Angela, finden wir alte Freunde wieder und die Entscheidung, die Du getroffen hast, Wachstum durch Steuersenkungen zu erzielen, ist für Europa eine sehr gute Sache." Deutschland und Frankreich würden in die Lage versetzt, noch enger zusammenzuarbeiten.

Das Treffen im Elyséepalast endete gegen 21.40 Uhr. Die Bundeskanzlerin machte sich anschließend auf den Weg zurück nach Deutschland. Angela Merkel war bereits nach ihrer ersten Wahl zur Bundeskanzlerin vor vier Jahren zuerst nach Frankreich gereist. Damals traf sie noch Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac im Präsidentenpalast. Anscheinend hat Merkel großen Gefallen an der französischen Metropole gefunden. Sie will am 11. November erneut nach Paris reisen, um an der jährlichen Zeremonie zum Tag des Waffenstillstands nach dem Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Sarkozy will dieses Datum nach eigenen Angaben in einen Tag umwandeln, der die französisch-deutsche Freundschaft feiert. Derb französische Präsident will zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November nach Berlin kommen.

Zu Hause wartet die Steuerpolitik auf Merkel

Wolfgang Böhmer (Foto: AP)
Wolfgang Böhmer kritisiert die Steuerpläne der neuen KoalitionBild: AP

Gute Stimmung also im Elyséepalast, doch im eigenen Lande gärt es bereits: Einen Tag nach Merkels Vereidigung nimmt die Diskussion um die geplanten Steuerentlastungen wieder an Fahrt auf, sogar in der eigenen Partei der Budneskanzlerin. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sieht derzeit keine Mehrheit für die von Schwarz-Gelb versprochenen Steuerentlastungen von jährlich bis zu 24 Milliarden Euro. "Wenn die Bundesregierung jetzt mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage käme, dann müsste sie dafür eine Mehrheit im Bundesrat suchen. Und die ist nach meiner Einschätzung nicht gesichert", sagte Böhmer am Mittwoch in Magdeburg. "Für Sachsen-Anhalt würde das eine Größenordnung an Einnahmeausfällen bedeuten, die nicht zumutbar wäre."

Nach Einschätzung Böhmers sind die Entlastungsvorschläge der neuen Koalition eine "Absichtserklärung", die unter Haushaltsvorbehalt steht - daher also nicht automatisch umgesetzt wird. Eine Entscheidung über die Umsetzung kann nach Angaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erst "zur Jahresmitte 2010 fallen. Das gebieten die komplizierten Fragen des gesetzgeberischen Ablaufes einer solchen Reform", sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Koalition werde dann gemeinsam entscheiden. Und was sagt die Kanzlerin zur Steuerdebatte?

Erhöhungen bei Sozialabgaben "denkbar"

Demonstration gegen die Hartz-Gesetze (Foto: AP)
Die Angst vor Sozialabbau sorgte bereits in den Vergangenheit für viel StreitBild: AP

Merkel hat bekräftigt, die schwarz-gelbe Koalition werde bis 2013 keine Steuern erhöhen. "Wir haben gesagt, in dieser Legislaturperiode wollen wir keine Steuern erhöhen. Dazu stehe ich", sagte Merkel im Gespräch mit dem ZDF. Sie räumte ein, dass Erhöhungen bei Sozialabgaben denkbar seien. "Wir werden nicht sagen können, dass wir alle Beiträge genau konstant halten wie sie heute sind. In der Krise dürfen sie nicht steigen. Aber wenn wir zum Beispiel eine kapitalgedeckte Pflegeversicherung machen wollen, dann kann ich nicht ausschließen, dass das auch mehr Kosten verursacht." Allerdings werde das "sozial vernünftig gemacht, so dass nicht die, die ganz wenig haben, übermäßig belastet werden", so Merkel.

Ungemach droht auch in der Beurteilung so genannter Bildungsgutscheine, die eingeführt werden sollen. Bildungsgutscheine statt Bargeld für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern - dieser Vorschlag von Merkel kommt beim Paritätischen Wohlfahrtsverband nicht gut an. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sprach von einer "bisher beispiellosen Diskriminierung einkommensschwacher Eltern". Die neue Bundesregierung müsse vielmehr "endlich die Kinderregelsätze bei Hartz IV bedarfsgerecht erhöhen und dafür sorgen, dass die betroffenen Kinder kostenlosen Zugang zu allen Bildungs- und Betreuungsangeboten erhalten", hieß es in einer Presseerklärung. Die Regierung sollte es "dringend unterlassen, arme Kinder und ihre Eltern mit zweifelhaften Gutscheinsystemen zu stigmatisieren, während an wohlhabende Familien familienpolitisch völlig sinnlose Geldgeschenke verteilt werden."

Wird das Betreuungsgeld "versoffen"?

Merkel hatte zuvor Kritik an dem ab 2013 geplanten Betreuungsgeld für Kinder zurückgewiesen. Dass das Geld von Eltern zweckentfremdet werde, könne verhindert werden, sagte die Kanzlerin dem TV-Sender N24: "Für Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel wollen wir überlegen, ob wir Gutscheine anbieten. Zum Beispiel für Bildung der Kinder oder für den Besuch bestimmter Einrichtungen." Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollten, sollten "nicht per se benachteiligt werden". Auf die Vermutung des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), das Geld werde von der Unterschicht ohnehin nur "versoffen", entgegnete Merkel: "Das ist nicht meine Sprache."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, äußerte Verständnis für die Befürchtung seines Parteikollegen Buschkowsky. "Die Äußerungen des Bürgermeisters sind nicht korrekt, aber auch nicht lebensfremd", sagte Oppermann der "Passauer Neuen Presse". Für Kinder sei es wichtig, dass sie mit anderen Kindern zusammen sind und sich soziale Kompetenz aneignen. Daher sei es "bildungspolitisch falsch, eine Prämie dafür zu zahlen, dass die Kinder zuhause bleiben". Die FDP sieht sich durch die scharfe Kritik des Neuköllner Bezirksbürgermeisters in ihrer Haltung gegen das Betreuungsgeld bestätigt. "Wir haben das inhaltlich immer abgelehnt, das ist nur als Konzession an die CSU in den Koalitionsvertrag gekommen", sagte FDP- Fraktionsvize Gisela Piltz der "Rheinischen Post". Bei der FDP wolle keiner diese "Herdprämie". Die ersten Widersprüche der neuen Koalition dringen an die Öffentlichkeit. Die Kanzlerin ist daheim wohl eher als Schlichterin denn als Küsserin gefordert.

Autor: Marcus Bölz (mit dpa, AFP, AP)

Redaktion: Julia Elvers-Guyot

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