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Grenzstreit im Himalaya

22. Oktober 2009

Indien und China liegen wieder einmal im Clinch miteinander. Dieses Mal geht es um Süßwasserreserven aus dem Himalaya. Oder steckt etwas anderes dahinter?

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China benötigt immer mehr Wasser. Zapft es nun Reserven im Himalaya an?Bild: AP

Um die indisch-chinesischen Beziehungen ist es derzeit nicht gut bestellt. Die jüngsten Verhandlungen über umstrittene Territorialfragen verliefen im Sande. Und nun gesellt sich ein altes Dauerstreitthema hinzu: Die Debatte um Süßwasser-Speicher in der Himalaya-Region.

Eine neue Runde alter Streits

China Eisenbahn nach Tibet
Will China weitere Regionen des Himalaya mit der Eisenbahn erschließen?Bild: AP

Die neue Runde dieses alten Streits begann mit Berichten aus Indien: Die Medien dort schrieben, China stehe kurz davor, einen Staudamm über den Fluss Yarlung Zangbo zu bauen, der in Indien Brahmaputra River genannt wird. Das chinesische Außenministerium dementierte die Pläne tagelang nicht. Chinas Medien schrieben vielmehr von angeblichen Panikaktionen auf der indischen Seite. Dort wolle man mit gigantischen Investitionen lange Eisenbahnstrecken bis an die Grenze zu Nepal und China anlegen. Als Reaktion auf „Chinas Pläne“, von der bereits existierenden Eisenbahnlinie Qinghai-Tibet ausgehend weitere Nebenstrecken in die Himalaya-Region zu bauen, so Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Alles Erpressung?

Der in Hongkong ansässige Fernsehsender Phoenix, der allerdings als pro-chinesisch angesehen wird, ging noch weiter. Er präsentierte in einem auch in Metropolen wie Beijing und Shanghai zu empfangenden Programm die These, China wolle mit dem Bau des Dammes über den Brahmaputra River Indien erpressen. China wäre nur dann bereit, das Projekt aufzugeben, wenn Indien den nordöstlichen Bundesstaat Arunachal Pradesh - das von China beanspruchte Gebiet „Südtibet“, Chinesisch „zangnan“ - endlich an Peking zurückgebe.

Hegt China territoriale Interessen in Indien?

Tibet baut Highway
Hegt Peking auch territoriale Interesse in Indien?Bild: AP

Diese These fand kurz darauf Unterstützung in einer seriösen Hongkonger Zeitung. Die „South China Morning Post“ lieferte mit ihrem Artikel „Eine gigantische Wasserbombe“ die Analyse, warum der angebliche chinesische Bauplan auf indischer Seite so heftige Reaktionen auslöse. Die Zeitung kam nämlich zu dem Schluss: China habe angesichts des vom Westen umworbenen Indiens nur dann eine Chance, seine eigenen territorialen Ansprüche in Tibet geltend zu machen, wenn es den größten Süßwasserspeicher in Asien anzapfe. Große Wasserspeicher für Schmelzwasser im Himalaya sollten nach Nordchina umgeleitet werden.

Rhetorische Triumphe - auch im Internet

Berauscht von dem gigantischen Bauvorhaben, noch mehr aber von der Vision, gegenüber dem alten Rivalen Indien endlich die Oberhand zu gewinnen, brodelt seitdem das chinesische Internet. Überschwemmt von neuen Wogen nationalistischer Kriegseuphorie. Immer wieder zitieren die Kommentatoren ein Buch aus dem Jahr 2005, das den Titel trägt „Tibets Wasser anzapfen, um China zu retten“. Viele analysieren, wie das Schmelz- und Gletscherwasser des Himalaya für China die einzige Überlebenschance in seinem Prozess der Industrialisierung darstelle. Andere verwiesen auf indische Artikel zum gleichen Thema, aber in umgekehrter Perspektive. Ganz so, als sei nicht nur China, sondern auch Indien an dem Wasser interessiert.

Getragen von der breiten Stimmung trat vor wenigen Tagen endlich ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums vor die Presse. Er dementierte zuerst die Existenz des viel zitierten Bauplans. Dann protestierte er aufs Heftigste gegen den Besuch des indischen Premiers und des Dalai Lama in Arunachal Pradesh, also dem Gebiet Südtibet. Dies sei eine Provokation, die man nicht hinnehmen dürfe, so Peking.

Worum geht es wirklich?

Diese Kombination der diplomatischen Verlautbarungen untermauert nun aber die These: Dass China mit seinen Drohungen rund um das Thema Wasser eigentlich nichts anderes will, als Indien geopolitische Zugeständnisse abzutrotzen. Der Krieg ums Wasser hat noch nicht begonnen. Der Krieg um den heiligen Boden ist voll im Gange.

Autor: Shi Ming

Redaktion: Silke Ballweg