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Islamischer Feminismus

21. Oktober 2009

Islam und Frauenrechte - passt das zusammen? Ja, sagen einige muslimische Frauenrechtlerinnen. Sie fordern daher einen islamischen Feminismus. Säkulare Feministinnen im Nahen Osten sind skeptisch.

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Schülerinnen (Foto: AP)
In einer Schule der islamistischen HisbollahBild: AP

Dalal al-Bizri kann sich noch gut an ihre Studentenzeit in den 70er Jahren erinnern. Damals gehörte die Forderung nach der Selbstbestimmung über den Körper zu den Hauptforderungen der libanesischen Soziologiestudentin und ihre Mitstreiterinnen. Heute 40 Jahre später klingt diese Forderung arabischer Frauen ebenso radikal wie früher: "Wir haben im arabischen Kontext einen Rückschritt erlebt. Früher waren Ideen und Verhaltensweisen möglich, die es heute schwer haben. Als ich jung war, war es nicht ungewöhnlich, dass eine Frau sexuelle Beziehungen vor der Ehe hatte. Heute denken viele anders darüber", sagt Dalal al-Bizri.

Arabische Feministinnen befinden sich in einem Dilemma. In vielen Ländern wie Ägypten, Syrien oder Libanon sind säkulare Frauenorganisationen zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Ihre Forderungen werden als elitär und vom Westen importiert diskreditiert. Dalal al-Bizri gibt selbstkritisch zu, dass das Projekt der Modernisierung der Gesellschaft, das sie mit anderen Frauen ihrer Generation angestrebt haben, nicht umgesetzt werden konnte. Im Gegensatz zu islamistischen Bewegungen können sie heute kaum mehr Anhängerinnen mobilisieren. Säkulare Frauen müssen erkennen, dass es vor dem zur Zeit dominanten islamischen Diskurs kein Entrinnen gibt.

Islam als Zwangsjacke erlebt

Frauen (Foto: dpa)
Libanesische Frauen: Ohne KopftuchBild: picture-alliance/dpa

Omaima Abu Bakr gehört zu den prominenten Vertreterinnen des islamischen Feminismus in der arabischen Welt. Die Professorin für englische Literatur an der Cairo University trägt ein Kopftuch, eine langärmlige Bluse und einen bodenlangen Rock. Abu Bakrs Ziel ist es, den religiösen Diskurs zu reformieren. Sie setzt sich kritisch mit Koraninterpretationen auseinander und forscht zu Biographien muslimischer Frauen im Mittelalter: "Es gibt nicht nur einen Feminismus, sondern mehrere, etwa die religiöse, marxistische, liberale oder radikale Version. Ich bin überzeugt davon, dass wir alle nebeneinander existieren können. Warum also nicht auch ein islamischer Feminismus?"

Die Skepsis bei der arabischen Frauenbewegung ist groß. Viele der säkular orientierten arabischen Frauen der älteren Generation haben den Islam als Zwangsjacke erlebt. In ihren Familien und in der Gesellschaft haben sie erbittert darum gekämpft, kein Kopftuch tragen zu müssen, und sich von keinem Vater oder Bruder vorschreiben zu lassen, wie sie ihr Leben führen. Aber nun treten Frauen wie Omaima Abu Bakr mit dem Koran in der Hand auf und nehmen für sich in Anspruch für Frauenemanzipation zu kämpfen. Koranverse, die die Grundlage für jahrhundertelange Benachteiligung gebildet haben und in manchen Ländern immer noch dazu herhalten, legen sie neu aus.

Wasser auf die Mühlen der Islamisten?

Frauen (Foto: dpa)
... und mit KopftuchBild: picture-alliance/dpa

Zu den vehementesten Kritikerinnen dieser Richtung gehört Amal Grami. Sie unterrichtet an der Manouba Universität in Tunis Gender Studies. Grami weist darauf hin, dass der islamische Feminismus parallel zum Erstarken des politischen Islam und der vermehrten Islamisierung des öffentlichen Lebens in vielen Ländern entstanden ist: "Ich denke, wenn die Frauenfrage ausschließlich in einem religiösen Rahmen diskutiert wird, dann ist es doch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die behaupten 'Der Islam ist die Lösung', der bekannte Slogan der Islamisten."

Misstrauisch ist auch die junge Aktivistin Zaina Zaatari. Sie ist zwar neugierig auf die Forschungsergebnisse von Omaima Abu Bakr und anderen islamischen Feministinnen, fragt sich allerdings, wie diese Frauen mit islamischen Institutionen umgehen werden: "Feminismus heißt die Kräfteverhältnisse ändern. Ist die islamische Variante des Feminismus wirklich dazu bereit? Sind sie bereit, die islamischen religiösen Institutionen zu zerschmettern? Was soll an ihre Stelle treten?"

Islamischer Feminismus als Chance?

Die ägyptisch-amerikanische Politologin Mervat Hatem, die sich ausdrücklich in der Tradition der arabischen Feministinnen der ersten Stunde versteht, sieht die Vorgehensweise der muslimischen Frauen nicht als Strategie des politischen Islam. Sie versucht, diesen Trend vielmehr als Chance zu verstehen: "Der islamische Feminismus ist ein Versuch, das weibliche kulturelle Erbe wieder zu entdecken. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten melden sich gläubige Frauen zu Wort und beanspruchen islamische Geschichte und Religion auch für sich", sagt Hatem. "Bei der Auseinandersetzung zwischen säkularen und religiösen Frauen geht es nicht darum, dass wir zu einer Meinung kommen. Sehr wichtig finde ich es, dass wir im Gespräch bleiben und dass niemals eine Seite die andere zum Schweigen bringt."

Autorin: Mona Naggar

Redaktion: Dirk Eckert