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Argentinien regelt seine Mediensystem neu

20. Oktober 2009

Monatelang wurde in Argentinien über ein neues Mediengesetz gestritten. Jetzt hat sich Präsidentin Cristina Kirchner im Kongress durchgesetzt. Doch so schnell geben die betroffenen Medienkonzerne nicht klein bei.

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Die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez Kirchner bei einer Rede im Juni 2009(Foto: AP)
Hat ihr Mediengesetz vorerst durchgesetzt: Argentiniens Präsidentin Cristina KirchnerBild: AP

Buenos Aires in den frühen Morgenstunden des 10. Oktober: Der argentinische Senat hat soeben das neue Gesetz über die audiovisuellen Medien verabschiedet, mit 44 zu 24 Stimmen. Zuvor hatte es bereits die Abgeordnetenkammer passiert. Ein zäh errungener Erfolg für die Regierung von Cristina Kirchner. Die Präsidentin wollte das Mediengesetz unbedingt unter Dach und Fach bringen, bevor sie im Dezember ihre absolute Mehrheit im Kongress verlieren wird.

Buenos Aires Casa Rosada
Argentiniens 'Weißes Haus' ist rosa: die Casa Rosada, der Präsidentenpalast in Buenos AiresBild: picture-alliance / dpa

Forderungen aus der Gesellschaft nach einer Neuregelung des Systems der audiovisuellen Medien existierten schon seit langem. In Argentinien wird der Markt von wenigen großen Mediengruppen dominiert. Das alte Gesetz war Anfang der 80er Jahre noch unter der Militärdiktatur verabschiedet worden, verschiedene Änderungen nach der Rückkehr zur Demokratie hatten den Prozess der Medienkonzentration verstärkt. "Das Gesetz war autoritär, begünstigte die Konzentration und garantierte weder Vielfalt noch Pluralismus“, sagt Guillermo Mastrini, Kommunikationswissenschaftler von der Universität Buenos Aires. Ein neues Gesetz sei notwendig geworden, um das System der audiovisuellen Medien demokratischer zu machen. "Die meisten Staaten haben ihre Mediengesetze und die Regulierung der Rundfunk- und Fernsehmärkte reformiert. In Argentinien war das bisher nicht gelungen.“

Das "Gesetz K"

In der argentinischen Stadt La Plata im vergangenen März: Unter dem Jubel der Regierungsanhänger stellt Präsidentin Cristina Kirchner ihr Projekt eines neuen Mediengesetzes vor. Dieses müsse nicht nur wegen seines Ursprungs in der Diktatur erneuert werden, ruft die Präsidentin. Es sei auch deswegen überholt, weil im Kommunikationssektor in den letzten Jahrzehnten schwindelerregende technologische Entwicklungen stattgefunden hätten. "Wir brauchen daher eine neue rechtliche Grundlage, damit sich durch die neuen Technologien nicht die digitale Kluft vertieft und ein großer Teil der Gesellschaft vom System audiovisueller Medien ausgeschlossen wird“, so Cristina Kirchner.

Ein aktueller Titel der argentinischen Tageszeitung Clarín (Foto: Victoria Eglau)
Mächtiger publizistischer Intimfeind der Kirchners: die Mediengruppe um die Tageszeitung ClarínBild: Victoria Eglau

Nach dem jetzt beschlossenen Gesetz haben private Anbieter nur noch Anspruch auf ein Drittel der Radio- und Fernsehlizenzen. Ein weiteres Drittel steht staatlichen Medien zu, und die restlichen gut 33 Prozent sind für Sender gemeinnütziger Organisationen bestimmt. Die Zahl der erlaubten Lizenzen für Mediengruppen wurde drastisch von 24 auf zehn reduziert, und Kabelbetreiber können nicht gleichzeitig terrestrische TV-Sender besitzen. Besonders umstritten war der Artikel, demzufolge sich die Unternehmen innerhalb der kurzen Frist von einem Jahr von den überzähligen Lizenzen trennen müssen.

Die Gegner des "Mediengesetzes K", wie das neue Gesetz in Anspielung auf den Namen Kirchner genannt wird, sehen darin einen direkten Angriff auf die mächtige Mediengruppe Clarín, die neben der auflagenstärksten Tageszeitung terrestrische und Kabelsender besitzt sowie den Kabelanbieter-Markt dominiert. Clarín gilt als Intimfeind der Kirchners, seine Berichterstattung hatte sich im vergangenen Jahr von regierungsfreundlich in sehr kritisch verwandelt. Nun haben die Medienkonzerne angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen.

Mehr Medien-Pluralismus oder Medien-Kirchnerismus?

Ein Teil der Opposition sieht das neue Gesetz als Instrument, mit dem die Regierung Einfluss auf die Berichterstattung nehmen will. Denn häufig beschweren sich Cristina und ihr mächtiger Mann Nestor Kirchner über schlechte Presse. Silvana Giudici, Abgeordnete der Mitte-Links-Partei UCR, wendet sich sowohl gegen staatliche als auch private Medienmonopole: "Wir wollen, dass eine vielfältige, pluralistische Medienlandschaft entsteht." Doch genau das werde mit dem neuen Gesetz nicht gelingen, ist die Parlamentarierin überzeugt. "Es hat im wesentlichen zwei Ziele: die kritische Presse im Zaum zu halten, und die Geschäftemacherei einiger weniger zu begünstigen." Konkret befürchten die Gesetzesgegner, dass von den mehr als 30 Prozent der Lizenzen, die für gemeinnützige Sender vorgesehen sind, viele an regierungsfreundliche Organisationen gehen könnten. Eine weitere Sorge: den Kirchners nahestehende Käufer könnten zum Zuge kommen, wenn die Medienkonzerne sich nun binnen eines Jahres von diversen Lizenzen trennen müssen.

Autorin: Victoria Eglau
Redaktion: Sven Töniges (pi)