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Deutschland könnte bald einen homosexuellen Außenminister haben. Na und?

8. Oktober 2009

Guido Westerwelle könnte neuer deutscher Außenminister werden. Der Freidemokrat wäre der erste bekennende Homosexuelle in diesem Amt. In islamischen Ländern könnte das ein Problem sein, in Deutschland ist es keines.

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Guido Westerwelle, freudestrahlend und mit ausgebreiteten Armen hinter einem Rednerpult auf einer Presse-Konferenz nach seinem Wahlsieg Ende September 2009 Foto: AP
Bild: AP

Deutschlands populärster Homosexueller ist seit acht Jahren Regierender Bürgermeister von Berlin. Seine sexuelle Orientierung machte der Sozialdemokrat Klaus Wowereit auf einem Parteitag im Sommer 2001 öffentlich und kam somit wahrscheinlich einigen Boulevard-Journalisten zuvor, die seine Vorliebe für Männer sensationslüstern ausschlachten wollten.

"Ich bin schwul, und das ist auch gut so"

"Ich bin schwul, und das ist auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen", sagte Wowereit und löste einen Beifallssturm aus. Sein Bekenntnis ist in Deutschland längst Kult und kann als Durchbruch im Umgang mit dem Tabu-Thema Homosexualität angesehen werden. Die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft hat kein Problem mit Personen der Zeitgeschichte, die ihre sexuelle Neigung nicht verheimlichen.

Wowereit ist Stammgast auf dem Christopher Street Day (CSD), an dem weltweit der gewalttätigen Übergriffe auf Schwule 1969 in New York gedacht wird. Vor dem Dienstsitz des Berliner Bürgermeisters weht anlässlich der jährlich im Sommer stattfindenden CSD-Parade wie selbstverständlich das Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung, die Regenbogenfahne.

Klaus Wowereit hält ein Exemplar seiner 2007 veröffentlichten Autobiografie mit dem Titel "... und das ist auch gut so." in den Händen (Foto: AP)
Wowereits geflügeltes Wort ist auch der Titel seiner 2007 veröffentlichten AutobiografieBild: AP

Keine Regenbogenfahne vor dem Auswärtigen Amt

Dass die Regenbogenfahne künftig auch vor dem Auswärtigen Amt weht, wenn der oberste Dienstherr Guido Westerwelle heißen sollte, darf schon aus diplomatischen Gründen ausgeschlossen werden. Aber der FDP-Politiker würde auch als Außenminister selbstbewusst mit seiner Homosexualität umgehen, ohne sie von sich aus zu thematisieren. Der Illustrierten "Stern" sagte Westerwelle schon 2008: "Es würde unserer Außenpolitik übrigens gut anstehen, wenn sie diesen Geist der deutschen Toleranz in andere Länder tragen würde."

In demselben Interview regte der 47-jährige an, Ländern die Entwicklungshilfe zu streichen, die Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelten "oder wo Männer und Frauen hingerichtet werden, nur weil sie homosexuell sind". In zahlreichen Staaten, die ein Außenminister Westerwelle besuchen könnte, steht auf Homosexualität die Todesstrafe, unter anderem im Iran und in Saudi-Arabien.

Volker Beck erlitt eine blutende Platzwunde, nachdem er in Moskau von schwulenfeindlichen Demonstranten angegriffen wurde (Foto: AP)
Schwulenfeindliche Attacke auf Volker Beck in MoskauBild: AP

Volker Beck wurde in Moskau verhaftet

Experten gehen davon aus, dass sich Länder mit starken schwulenfeindlichen Strömungen eher selber schaden, wenn sie mit dem potenziellen Außenminister Westerwelle Stimmung machen wollten. Volker Perthes von der Stiftung Politik und Wissenschaft sagte der Nachrichten-Agentur AFP, ein Land, das an diplomatischen Beziehungen zu Deutschland interessiert ist, werde seine Vorurteile schnell überwinden.

Wie gefährlich es für einen Politiker sein kann, sich in Ländern wie Russland zu seiner Homosexualität zu bekennen, bekam der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, schmerzhaft in Moskau zu spüren. Im Jahre 2006 wurde er auf einer Kundgebung tätlich angegriffen und verletzt. Im Jahr darauf nahm ihn die Polizei fest - angeblich, um ihn zu schützen.

Ein Denkmal für verfolgte und ermordete Homosexuelle

Beck setzt sich in Deutschland seit langem für die Belange Homosexueller ein. Auf sein Engagement geht unter anderem die weitgehende rechtliche Gleichstellung homosexueller Partner zurück und die Errichtung des 2008 eingeweihten Denkmals für die während der NS-Zeit verfolgten und ermordeten Homosexuellen. Normalität ist aus Becks Sicht aber auch in Deutschland keinesfalls erreicht. Vor allem in Schulen hätten Vorbehalte gegen Homosexuelle in den letzten Jahren eher wieder zugenommen. "Ich erlebe auch, dass in konservativ islamischen und evangelikalen Religionskreisen massiv gegen Homosexuelle argumentiert wird", berichtet Beck über seine Erfahrungen.

Ein sich küssendes schwules Paar ist auf einem Videomonitor im Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen zu sehen (Foto: dpa)
Küssende Männer als Video-Sequenz im Denkmal für die in der NS-Zeit verfolgten HomosexuellenBild: picture-alliance/ dpa

Im Großen und Ganzen jedoch ist eine homosexuelle Orientierung in Deutschland kein Karriere-Killer mehr. Das gilt im Show-Geschäft ebenso wie in der Politik. Hamburgs Bürgermeister, der Chrisdemokrat Ole von Beust, ist schwul. Im katholisch geprägten Köln kandidierte dessen Parteifreund Peter Kurth zwar erfolglos, allerdings hatte seine Niederlage nichts mit seiner Homosexualität zu tun.

Wowereit hat vielen Mut gemacht

Günter Dworek vom Lesben- und Schwulenverband hält die Vorreiter-Rolle von Politikern sogar für ausgesprochen hilfreich. Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit habe vielen Mut gemacht und die Augen geöffnet. Die Leute gingen jetzt nicht mehr einfach davon aus, dass bekannte Politiker naturgemäß heterosexuell seien, meint Dworek. Wowereits Outing sei ein "starkes Zeichen, eine schöne Sache, die bis heute positiv nachwirkt".

Sollte Guido Westerwelle deutscher Außenminister werden, wäre er das sichtbarste Zeichen in dieser Tradition. Im Jahre 2004 machte der FDP-Politiker seine Beziehung zu einem Mann öffentlich, und zwar auf dem 50. Geburtstag seiner künftigen Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damals sagte Westerwelle, was weiterhin gilt: "Ich habe mein Leben nie versteckt, ich habe es einfach nur gelebt."

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Hartmut Lüning