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Kein Grund zum Jubel

1. Oktober 2009

Das Schlimmste ist vorbei. Nächstes Jahr wächst die Weltwirtschaft vermutlich um 3,1 Prozent, schätzt der IWF. Doch das sei noch kein Grund zum Feiern: Weitere Reformen müssten die Erholung robuster machen.

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Olivier Blanchard (Foto: dpa)
IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard macht sich keine IllusionenBild: picture-alliance/ dpa

Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), verkündete am Donnerstag (01.10.2009) gute Nachrichten in der türkischen Metropole Istanbul: "Die Wirtschaft erholt sich, die Finanzmärkte sind auf dem Weg der Besserung. Die meisten Länder zeigen im zweiten Halbjahr positive Wachstumsraten, und das wird auch 2010 so sein", sagte Blanchard bei der Vorstellung des "World Economic Outlook". Deshalb hat der IWF auch seine Prognose vom Frühjahr nach oben korrigiert. Er rechnet damit, dass die Weltwirtschaft im kommenden Jahr um 3,1 Prozent wachsen wird. Im April war der IWF-Chefvolkswirt noch von mageren zweieinhalb Prozent ausgegangen.

Zu verdanken sei diese Erholung den weltweiten Anstrengungen der Finanz-, Wirtschafts- und Geldpolitik. Die hätten dazu beigetragen, dass die Nachfrage wieder steigt, das Vertrauen in die Märkte zurückkehrt und die Systemrisiken an den Finanzmärkten geringer geworden sind. Doch jedes Ding hat zwei Seiten, sagt Blanchard. Im Moment werde die konjunkturelle Trendwende durch die gigantischen öffentlichen Ausgaben getragen - und außerdem seien die Unternehmen gezwungen, ihre Lagerbestände wieder aufzufüllen.

Erholung robuster machen

Das seien weniger gute Nachrichten, sagt Blanchard. Denn irgendwann seien die Lager wieder aufgefüllt. Und die hohen öffentlichen Ausgaben, das Schuldenmachen, um die Konjunktur anzukurbeln, das könne nicht ewig durchgehalten werden. So werden die Industriestaaten bis 2014 öffentliche Defizite anhäufen, die 110 Prozent ihrer gesamten Wirtschaftsleistung betragen, schätzt der IWF. Jeder Bürger müsste also über ein Jahr lang umsonst und nur für den Staat arbeiten, um diesen Schuldenberg abzubauen. Und erschwerend komme hinzu, so Blanchard, dass in den meisten Industriestaaten eine alternde Bevölkerung die Renten- und Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen stellen wird.

Im Moment komme es darauf an, die gegenwärtige Erholungsphase in der Weltwirtschaft zu verstetigen und robuster machen, sagt der Chefvolkswirt des IWF - und dazu müssten zwei Ungleichgewichte beseitigt werden: erstens müssten statt der hohen öffentlichen Nachfrage der private Konsum und die Investitionen gestärkt werden. Und zweitens müssten die riesigen Ungleichgewichte in den Handels- und Leistungsbilanzen beseitigt werden. "Davon hängt die weitere Erholung der Weltwirtschaft ab", sagt Blanchard. Mit anderen Worten: Exportnationen wie China oder Deutschland sollen ihre Konsumnachfrage und den Binnenmarkt stärken, Importländer wie die USA sollten ihre Exportindustrie wettbewerbsfähiger machen.

Deutschland schwächelt

Allerdings: Große Illusionen, dass diese Rezepte sofort in die Tat umgesetzt werden, macht sich der IWF nicht Deshalb rechnet er auch nur mit einer schwachen Erholung in den Industrieländern. Was auch für Deutschland gilt. Hier wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr laut IWF um 5,3 Prozent sinken, weil die Nachfrage nach deutschen Waren auf dem Weltmarkt massiv eingebrochen ist. Doch auch hier sei die Trendwende geschafft - im nächsten Jahr sei mit einem leichten Wachstum von 0,3 Prozent zu rechnen, schätzt der IWF.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Julia Elvers-Guyot