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Die unbekannte Seite Bollywoods

23. Oktober 2009

Indische Filme sind im Westen vor allem für eines bekannt: schnulzige Lovestories und fröhliche Lieder. Es gibt aber auch durchaus sozialkritische Bollywood-Filme.

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Typische Bollywood-Klischees auf einem Filmplakat

Im Herbst 2004 wurde zum ersten Mal ein Bollywood-Film im deutschen Fernsehen ausgestrahlt: "Kabhi Khushi Kabhi Gham", auf deutsch "In guten wie in schweren Tagen". Bunt, fröhlich, lang und voller Musik - der Film prägte das Bild von Bollywood. Und er löste einen kurzen, aber heftigen Boom aus, im Zuge dessen es weitere indische Filme ins deutsche Fernsehprogramm schafften - immer mit denselben Zutaten - und fast immer mit dem gleichen Schauspieler: Shahrukh Khan, der gerne auch mal singend von Baum zu Baum läuft, wenn er sich mal wieder in seine weibliche Schauspielpartnerin verliebt hat.

Bunt, lang und happy? Nicht immer!

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Singende und tanzende Inderinnen im Film 'Kabhi Khushi Kabhi Gham'Bild: DW-TV

Aber Bollywood kann auch ganz anders. Seriöser, politischer, und auch trauriger. Bekannt wurde dieses zweite Gesicht Bollywoods als "Parallel Cinema" schon in den 1920er Jahren. Ziel dieser Richtung war ein realistisches Abbild des Lebens in Indien. In den letzten Jahren wurde mehrfach versucht, die beiden cineastischen Stilrichtungen zusammenzubringen. Infolgedessen wurden in Bollywood auch Filme produziert, die die indische Gesellschaft und deren Probleme möglichst realistisch darstellen und so Teil der Alltagskultur geworden sind. Im Westen sind solche Streifen jedoch kaum bekannt geworden.

Schauspielerin Sarika, Bollywood, Parzania
Die indische Schauspielerin Sagarika gewann mit 'Parzania' gleich mehrere Preise in IndienBild: AP

Im Film "A Wednesday" zum Beispiel versucht ein einfacher Bürger, auf seine eigene Art gegen den Terrorismus zu kämpfen. Ohne Musik und fernab aller Bollywood-Klischees thematisiert der Film die Bombenanschläge in Mumbai in den Jahren 1993, 2003 und 2006 und zeigt, wie Normalbürger mit der täglichen Angst vor Anschlägen umgehen. Der Film hat in Indien mehrere Preise gewonnen - im Ausland jedoch blieb er unbekannt. Ein weiteres Beispiel ist "Parzania", ein Streifen, der sich kritisch mit den Unruhen zwischen Hindus und Muslimen im Jahr 2002 auseianndersetzt.

Kino kuriert Heimweh

Siddharth Roy Kapur, Geschäftsführer der indischen UTV-Motion Pictures, erzählt, dass seine Firma versucht habe, diese sozialkritsichen Filme auch im Ausland herauszubringen - ohne Erfolg: "Die im Ausland lebenden Inder", erzählt Kapur, "wollen sich leider nur solche Filme anschauen, in denen berühmte Schauspieler vorkommen und in denen viele Lieder und Tänze vorkommen. Damit stillen sie in erster Linie ihr Heimweh".

Veer Zara, ein Film des Bollywood- Regisseurs Yash Chopra
Schauspieler Shahrukh Khan gilt als Inbegriff des Bollywood-HeroenBild: Yashrajfilms

Die im Ausland lebenden Inder nutzen Bollywood-Filme zur Erholung. Durch sie tauchen die Zuschauer ein in eine Fantasie-Welt, in der alles perfekt ist: die Natur, die Umgebung, die Kleider, und die Schauspieler. Und wenn doch etwas diese Ordnung stört, dann wird das spätestens bis zum Ende der dritten Sendestunde behoben. Aber in Wahrheit besteht das Leben in Indien vor allem aus Kampf: ob es darum geht, einen Platz an der Uni zu kriegen, oder danach eine Stelle bei einer Firma. Man kämpft gegen die Armut, für ein besseres Leben oder, viel banaler, mit dem heißen Klima. Deshalb wollen viele Inder zumindest am Wochenende ins Kino, um eine andere Welt zu erleben. Hier darf man für drei Stunden alle Probleme vergessen und einfach alles genießen.

Auf den Spuren der realen Welt

Doch es gibt auch Filme, die zum Nachdenken zwingen. "Rang De Basanti" etwa aus dem Jahr 2006. In dem Film geht es um revoltierende Studenten, die sich mit der indischen Gesellschaftsordnung nicht mehr zufrieden geben wollen. Eindringlich werden die Probleme und der aufgestaute Frust indischer Jugendlicher dargestellt. Doch am Ende des Films schlägt die Regierung ihre Revolte nieder.

Szene aus dem Bollywood-Film "Rang de Basanti"
Filmszene aus 'Rang De Basanti'Bild: picture alliance/dpa

Ein paar Monate nach seinem Erscheinen wurde der Film von der Wirklichkeit eingeholt: Plötzlich sah man in Indien ganz ähnliche Studentenproteste. Jugendliche demonstrierten gegen Reformen im Bildungssystem, mit dem Studienplätze über das Kastensystem verteilt werden sollten. Unter dem Slogan "Youth for Equality", "Jugend für Gleichheit", protestierten die Jugendlichen monatelang. Und die Regierung reagierte wie im Film: Polizisten knüppelten die Studenten nieder und unterdrückten die Proteste. Der Film wurde schnell zum Symbol der indischen Studentenbewegung.

Vermarktung als Hauptproblem

Amir Khan Filmszene aus Lagaan Bollywood Indien Filmindustrie
Der Film „Lagaan – es war einmal in Indien“ schaffte 2002 immerhin eine Oscar-NominierungBild: AP

2008 schließlich kam "Slumdog Millionaire" heraus, der Hollywood-Film räumte gleich mehrere Oscars und Golden Globes ab. In Indien sieht man das durchaus zwiespältig. Siddharth Roy Kapur gefällt etwa nicht, dass Filme erst dann anerkannt werden, wenn westliche Regisseure sie drehen. Es gebe indische Filme, die besser seien und keine Preise gewännen, bemängelt Kapur. Ist Bollywood also nur zufällig im Westen populär geworden? Da die Versuche, das "Parallel Cinema" im Ausland bekannt zu machen, eingestellt wurden, bleibe das Bild von Bollywood im Westen unverändert. "Das liegt auch an uns Indern selbst," sagt Kapur. "Wir haben unsere Filme, unsere Regisseure nicht gut verkaufen können. Das ist unser Hauptproblem."

Autorin: Isha Bhatia
Redaktion: Thomas Latschan