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Kampf der Armut

30. September 2009

In der Krise ist die Weltbank gefragt wie selten zuvor. Bei der Bekämpfung der Armut setzt die Weltbank neuerdings auf Sicherheitsnetze für Entwicklungsländer statt auf alte Privatisierungsrezepte. <i>Von Rolf Wenkel</i>

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Armutsspeisung auf den Philippinen (Foto: dpa)
Armutsspeisung auf den PhilippinenBild: picture-alliance/dpa

Noch vor zwei Jahren steckte die Weltbank in einer Art Sinnkrise. Der in Washington ansässigen Institution mit fast 11.000 Mitarbeitern liefen die Kunden weg. Ihr Geschäft, die Armut in der Welt zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern, übernahmen andere. Zwar herrscht immer noch genug Armut in der Welt - aber in Afrika zum Beispiel sprang China als großzügiger Geldgeber für Infrastrukturprojekte ein, asiatische Länder nabelten sich ab und erreichten den Status von Schwellenländern. Südamerika war die Bevormundung durch IWF und Weltbank schon lange leid und hat gerade eine eigene Entwicklungsbank, die Banco del Sur, gegründet.

Nun aber, in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, ist die Weltbank ähnlich wie der Internationale Währungsfonds plötzlich wieder gefragt, sie steigt auf wie Phoenix aus der Asche. Denn inzwischen ist allen klar, dass die Wirtschaftskrise die Entwicklungsländer viel härter trifft als die Industrienationen. "Das liegt vor allem an den massiven Exporteinbrüchen. Die Nachfrage in den USA und Europa ist stark gesunken. Es liegt aber auch am Abzug von Direktinvestitionen in diesen Ländern", sagt Sebastian Paust, Geschäftsführer der Internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWent), der bis vor kurzem bei der Asiatischen Entwicklungsbank in Manila tätig war,

Der Bumerang traf die Entwicklungsländer später

Robert Zoellick auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im April 2009 in Washington (Foto: dpa)
Robert Zoellick will den ärmsten Ländern nicht die höchsten Lasten aufbürdenBild: picture-alliance/ dpa

Der Einbruch des Welthandels bedeutet für die Entwicklungsländer Einnahmeausfälle von rund 700 Milliarden Dollar allein in diesem Jahr, schätzte die Weltbank im Frühjahr. Klar, dass Weltbank-Präsident Robert Zoellick die Industrienationen auffordert, nicht den ärmsten Ländern die höchsten Lasten der Wirtschaftskrise aufzubürden. "Wir müssen noch mehr tun und wir brauchen mehr Ressourcen, um die weitergehenden Probleme der Entwicklungsländer bewältigen zu können", sagte Zoellick auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington.

Ursprünglich glaubte man, die Banken in den armen Ländern seien von der Finanzkrise nicht betroffen, weil sie die haarsträubenden Spekulationen der westlichen Banken nicht mitgemacht haben. Doch der Bumerang traf sie später, in der zweiten und dritten Runde: Nicht nur durch sinkende Exporterlöse und nachlassende Direktinvestitionen, sondern auch durch die sinkende Nachfrage nach Rohstoffen und ausbleibende Überweisungen ihrer Landsleute, die in den Industrieländern plötzlich keine Arbeit mehr haben.

Aufbau sozialer Netze statt Privatisierung um jeden Preis

"Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen", mahnt Weltbank-Präsident Zoellick - und meint damit nicht nur die Weltöffentlichkeit, sondern auch seine eigene Institution: "In der Lateinamerikakrise in den 80er Jahren und in der Asienkrise in den 90er Jahren haben wir zu sehr über Statistiken gesprochen - und nicht über Menschen." Überall seien die Budgets für Gesundheit, Ernährung und Bildung heruntergefahren worden. Es habe soziale Unruhen, ja sogar Gewalt gegeben. "Die Armen haben am meisten gelitten unter den Fehlern, die andere gemacht haben."

Dieses Mal will die Weltbank sicher stellen, dass die betroffenen Regierungen ein Sicherheitsnetz finanzieren können, kündigte Zoellick an. Das ist in gewisser Weise ein Paradigmenwechsel in der Politik der Weltbank: Hatte sie früher Großprojekte und die Privatisierung als Mittel der Wahl zur Entwicklung von Volkswirtschaften propagiert, setzt sie heute stärker auf den Aufbau sozialer Sicherungsnetze und die Stärkung staatlicher Strukturen - und zwar vor allem dort, wo die Regierungen ihren Bürgern nicht einmal die Grundversorgung mit Wasser, Energie und Nahrung garantieren können.

Die Ärmsten fordern mehr Mitsprache

Eine haitische Frau zeigt in Port-au-Prince einen Teller mit einem Reisgericht (Foto: dpa)
Ein Fünftel der Entwicklungshilfe weltweit fließt über die WeltbankBild: picture-alliance/dpa

Mit dem Mandat, die Armut weltweit zu senken, kanalisiert die Weltbank etwa ein Fünftel aller Entwicklungshilfe an die ärmsten Länder und verleiht jährlich dutzende Milliarden Dollar in gegenwärtig fast 2000 Projekten. Und weil zum Beispiel China und Indien sich inzwischen zu regulären Konditionen auf dem Kapitalmarkt finanzieren können, rückt der Bedarf der Ärmsten an zinslosen Darlehen und Zuschüssen immer mehr in den Mittelpunkt. Gerade die Ärmsten, die von der Krise ohne ihr Zutun erfasst worden sind, fordern jetzt mehr Mitsprache bei der Weltfinanzarchitektur.

Robert Zoellick nimmt solche Forderungen durchaus ernst: "Der Gouverneursrat der Weltbank hat mit ersten Reformschritten begonnen, den Einfluss der Entwicklungsländer zu stärken", sagt er. "Wir müssen die Stimmrechtsanteile besser ausbalancieren, ebenso wie die Zahl der Sitze im Gouverneursrat." Wohl wahr: Denn in diesem höchsten Entscheidungsgremium der Weltbankgruppe hängt das Stimmengewicht eines Landes von seiner Beteiligung am Kapital der Bank ab. Und da dominieren immer noch die üblichen Verdächtigen: Die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Das muss anders werden, keine Frage. Wobei sich Zoellick eine Bemerkung nicht verkneifen kann: "Wer mehr Mitsprache will, muss auch mehr Verantwortung übernehmen." Mit anderen Worten: sich stärker am Kapital der Weltbank beteiligen. Immerhin: Es gibt Reformansätze. So wurde Südafrika ein neuer Vorstandsposten zuerkannt. Und der nächste Weltbank-Präsident nach Zoellick muss nicht mehr zwingend einen amerikanischen Pass besitzen.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Julia Elvers-Guyot