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Gesicht des Klimawandels

22. September 2009

Bei zwei Grad Erwärmung den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent verringern - bei den Klimaverhandlungen fallen viele Zahlen. Dabei vergisst man, dass hinter den Zahlen Menschen stehen. Die spüren den Klimawandel täglich.

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Constance (Foto: Akena)
Constance Okollet wird auf dem Klimagipfel erzählen, wie der Klimawandel sie persönlich betrifftBild: © James Akena

Für Millionen Menschen ist der Anstieg der Temperatur und des Meeresspiegels täglich sichtbar - er bedroht ihre Existenz. Mit der Kampagne "tcktcktck" wollen Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace auf diese Menschen aufmerksam machen. Vor allem viele Frauen erzählen in New York bei den Klimaverhandlungen ihre Geschichte.

Erst eine gewaltige Flut...

Zum Beispiel Constance Okollet: "2007 spülte eine Flut unser ganzes Dorf fort. Einige höher gelegene Häuser wurden verschont, aber die Ernte war zerstört und die Tiere waren tot", berichtet sie. Die große Frau mit dem schön geflochtenen Haar trägt ein Kleid in kräftigem Rot im Stil ihres Heimatlandes. Sie lebt in einem Dorf im Osten Ugandas. Das Land dort ist flach, sagt sie, nur ein paar Hügel gibt es in der Savannenlandschaft. Dorthin konnten sich die 700 Dorfbewohner vor der Flut flüchten. Doch das Wasser ging nicht gleich wieder zurück. Mücken vermehrten sich, Malaria breitete sich aus.

...dann eine grausame Dürre

Wüste (Foto: dpa)
Die Wüstenbildung nimmt weltweit zuBild: picture-alliance/ dpa

das Land endlich wieder trocken war und die Dorfbewohner Pflanzen gesät hatten, die ihnen die Regierung zur Verfügung stellte, folgte eine monatelange Dürre, erzählt Constance weiter. Die Pflanzen vertrockneten. Die Menschen hatten wieder nichts zu essen. Die Mutter von sieben Kindern macht sich vor allem um die Kleinsten große Sorgen: "Die Kinder, die wir großziehen, sind schwach", sagt sie. "Sie sind nicht so stark wie wir. Als wir aufgewachsen sind, gab es genug zu essen. Aber jetzt müssen alle, auch die Kinder, hungern. Und wenn sie sich mit Malaria anstecken, kann man zusehen, wie sie sterben."

Verletzter Stolz

Die normalen Jahreszeiten mit zwei Ernten im Jahr, sagt Constance, gibt es nicht mehr. Früher sorgte die Landwirtschaft dafür, dass in ihrem Dorf alle ein Auskommen hatten. Doch jetzt könne man sich nicht einmal mehr auf die Jahreszeiten verlassen. Eigentlich wäre jetzt Erntezeit in Uganda, aber nach einer monatelangen Dürre sind die Menschen weiter auf staatliche Hilfe angewiesen.

Es ist Constance Okollet anzumerken, wie sehr es ihren Stolz verletzt, von anderen abhängig zu sein. Sie ist nach New York gekommen, um ihre Geschichte zu erzählen. Die Staats- und Regierungschefs sollen etwas unternehmen, sagt sie, damit sie und ihre Familie wieder zu ihrem normalen Leben zurückkehren können. Denn: "Wenn es so weitergeht, mit den starken Dürren und den Überflutungen, dann haben wir keine Zukunft. Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer."

Bedrohtes Paradies

Cook Inseln (Foto: dpa)
Die Cook Inseln, ein Urlaubsparadies, drohen zu versinkenBild: picture-alliance/ dpa

Auch Ulamila Wragg sorgt sich um die Zukunft. Die lebhafte Frau kommt aus einem ganz anderen Teil der Welt, den Cook Inseln im Pazifik. Der Kontrast könnte größer nicht sein. "Wir haben schöne Lagunen, schöne Sonne, Sand und Meer, wir sind ein sehr beliebtes Urlaubsziel", erzählt sie. Doch auch dieses Paradies sei bedroht:

"2005 haben uns fünf Zyklone innerhalb von drei Wochen heimgesucht", berichtet Ulamila. "Wir sind nur ein kleiner Inselstaat. Wir haben uns heute noch nicht von dem Unglück erholt, in das uns diese Stürme gestürzt haben. Unsere Regierung musste einen Kredit aufnehmen. Viele von uns sind immer noch dabei, die zerstörten Häuser aufzubauen."

Temperaturen spielen verrückt

Ulamila Kurai Wragg von den Cook Inseln (Foto: greenpeace)
Ulamila Kurai Wragg von den Cook InselnBild: Greenpeace

Denn das kostet viel Zeit und Geld. Zyklone hat es immer wieder gegeben, sagt Ulamila, aber nicht so viele in so kurzen Abständen. Viele Inseln im Pazifik haben die gleichen Probleme, erzählt die Frau, die auf den Fidji-Inseln aufgewachsen ist. Die Temperaturen spielen verrückt, immer öfter gibt es ungewöhnlich große Wellen. Die Küstenlinien verändern sich, Salzwasser kommt in Gebiete, wo es vorher nur Süßwasser gab. Pflanzen und Tiere sterben aus, auch bestimmte Medizinpflanzen sind nicht mehr zu finden.

In anderen Gegenden, erklärt die Mutter von vier Kindern, herrscht unerträgliche Hitze, trocknen Flussbette aus: "Wir haben die Übersicht verloren, weil die Wetterzyklen unvorhersagbar geworden sind", sagt sie. "Wir wissen nicht mehr, wann wir welche Pflanzen anbauen oder ernten sollen. Bestimmte Winde treten auf, wenn wir sie gar nicht erwarten. Selbst Fische können wir nicht mehr fangen, weil sie sich nicht mehr so verhalten, wie wir es erwarten."

"Wir lassen sie nicht aus den Augen!"

Rauchender Schornstein (Foto: dpa)
Der CO2-Ausstoß soll weltweit gesenkt werdenBild: AP

Die traditionelle Zeitrechnung, die seit Jahrhunderten galt, ist völlig durcheinander geraten. Das traditionelle Wissen geht verloren, bedauert Ulamila Wragg, und damit die Identität der Menschen. Deswegen fordert sie von den Staats- und Regierungschefs, dass sie ihre moralische Verantwortung annehmen. Sie sollen handeln:

"Ich will drastisch weniger Treibhausgasausstöße. Und Verbindlichkeit, denn wenn das Übereinkommen nicht verpflichtend ist, dann kann man unterschreiben und es ändert sich doch nichts. Die Staats- und Regierungschefs müssen sich verpflichten und wir werden das überprüfen. Wir werden sie nicht aus den Augen lassen!"

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Anna Kuhn-Osius