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Eklat bei China-Symposium

12. September 2009

Aus Protest gegen den Auftritt der Autoren Dai Qing und Bei Ling hat die chinesische Delegation ein Symposium im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse verlassen. Nach einigem Hin und Her fand es dann doch wie geplant statt.

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Bei Ling und Dai Qing (Foto: dpa)
Bei Ling und Dai Qing vor Beginn des SymposiumsBild: Picture-alliance/dpa

Seit 2005 ist Jürgen Boos Direktor der Frankfurter Buchmesse. Am Samstag musste er den vielleicht schwierigsten Satz seiner Amtszeit aussprechen: "Ich muss mich entschuldigen bei meinem Partner, dass ich nicht mit ihm gesprochen habe". Der Partner, das ist die offizielle chinesische Delegation. China ist das Gastland der Frankfurter Buchmesse in einem Monat und als solches Mitveranstalter des Symposiums "China und die Welt", das am Samstag Morgen (12.09.2009) in Frankfurt eröffnet wurde. Nach dieser Entschuldigung nahm das Programm seinen geplanten Lauf - und zwar mit der Pekinger Umweltaktivistin und Autorin Dai Qing sowie dem im US-Exil lebenden Schriftsteller Bei Ling im Publikum.

Vorher aber lief nichts wie geplant. Denn der Partner China hatte sich an der Einladung der Frankfurter Buchmesse an Dai Qing und Bei Ling gestört - und mit Abzug der chinesischen Delegation gedroht, sollten beide kommen. Die Buchmesse gab den Druck weiter. Sie versuchte Dai Qing und Bei Ling von der Anreise zum Symposium abzuhalten und stellte Veranstaltungen bei der Buchmesse selbst in Aussicht. Sie kamen trotzdem. Am Freitag Nachmittag trafen Dai Qing und Bei Ling unter großem Medieninteresse auf dem Frankfurter Flughafen ein. Sie wurden dann doch als Gäste der Buchmesse im Tagungshotel untergebracht.

Stoische Minen bei der chinesischen Delegation

Stand (Foto: Buchmesse)
Traditionell, aber auch innovativ, so will sich China auf der Frankfurter Buchmesse darstellenBild: FrankfurterBuchmesse

Danach war die große Frage, wie würde die offizielle Delegation reagieren. Sie kam, nahm Platz und hörte den Eröffnungsreden zu. Jürgen Boos thematisierte die Diskussion der vergangenen Tage und gestand Fehler ein bei der Kommunikation mit Dai Qing und Bei Ling, mit dem deutschen Schriftstellerverband PEN. Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth begrüßte Dai Qing und Bei Ling namentlich und die chinesische Delegation eher nebenbei. Ihre Rede ließ wenig Diplomatie erkennen, aber viel Leidenschaft: Es war ein flammendes Plädoyer für die Freiheit des Wortes. Für die müsse man einstehen. Sie verwies auf ihren eigenen Umgang mit Kritik aus China, etwa bei ihren wiederholten Treffen mit dem Dalai Lama.

Das hörten sich die offiziellen chinesischen Gäste noch mit stoischen Minen an. Als dann in einer Änderung des Programms Dai Qing und Bei Ling die Gelegenheit zu Statements bekommen sollten, verließ die offizielle chinesische Delegation aus Protest den Saal. Unter den Machern der Buchmesse und im Publikum machte sich herbe Enttäuschung breit, hatte die Buchmesse doch stets betont, sie wolle mit China reden und nicht über China. Dai Qing und Bei Ling gaben ihre Statements ab und betonten ebenfalls ihre Enttäuschung über die mangelnde Diskussionsbereitschaft der offiziellen Seite.

Wer spricht für 1,3 Milliarden Chinesen?

Aber die chinesische Delegation hatte nur den Raum verlassen, nicht das Gebäude. Buchmesse und Gastland China verhandelten. Darauf folgte der gemeinsame Auftritt von Jürgen Boos mit dem chinesischen Delegationsleiter Mei Zhaorong, ehemals lange Jahre Botschafter in Deutschland. Nach Boos förmlicher und offizieller Entschuldigung machte Mei seine Verärgerung über den Beginn des Symposiums deutlich. Man sei zu einem Meinungsaustausch eingeladen worden, nicht, um sich Unterricht in Sachen Demokratie abzuholen. Diese Zeiten seien vorbei. Vor allem aber: Dai Qing und Bei Ling würden nicht die Interessen von 1,3 Milliarden Chinesen vertreten. Diesen Anspruch aber hatten - anders als offensichtlich Mei - die beiden kritischen Intellektuellen gar nicht erhoben. Ihr Anspruch war geringer, wenngleich mit mehr Sprengkraft für China: Das Recht auf freie Meinungsäußerung - auch wenn es eine Minderheitenmeinung sein mag.

Autor: Matthias von Hein, z.Zt. Frankfurt

Redaktion: Dirk Eckert