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Kohl-Regierung schönte Gutachten

9. September 2009

Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung unter Helmut Kohl in den 80er Jahren Druck auf Wissenschaftler ausgeübt, um die Risiken des Atommülllagers Gorleben zu vertuschen. Dafür liegen neue Beweise vor.

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Atomgegner in Berlin (Foto: ap)
Wohin mit dem Atommüll? Bis heute demonstrieren Atomgegner gegen GorlebenBild: AP

Die christlich-liberale Bundesregierung unter Helmut Kohl hat 1983 massiv Einfluss auf Wissenschaftler ausgeübt, die prüfen sollten, ob der in Niedersachsen gelegene Salzstock Gorleben als atomares Endlager geeignet war. Annahmen und Berichte darüber gab es bereits, doch nun sind neue Dokumente aufgetaucht.

Die Ministerien für Forschung und für Inneres unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU) drängten die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zum Umschreiben eines maßgeblichen Gutachtens. Dies berichtet die Süddeutsche Zeitung und beruft sich auf ein Fernschreiben, das das Forschungsministerium am 13. Mai 1983 an die Fachbehörde sandte. Das Schreiben liege der Zeitung vor. Bereits der Frankfurter Rundschau lagen im August Aktenauszüge der Behörde mit verschiedenen Berichtfassungen vor, die eindeutig darauf deuteten, dass die PTB auf Druck des Bundeskabinetts ihr Gutachten schönen musste.

Die Zeitung berichtete, die Ministeriumsvertreter hätten die PTB zur Änderung ihres Gutachtens aufgefordert. "Es gab nichts Schriftliches, keine schriftliche Weisung, aber wir mussten das Gespräch klar als Weisung auffassen", sagte Helmut Röthemeyer, damals Abteilungsleiter in der PTB. Die vorliegenden Dokumente verdeutlichen nun, dass es doch schriftliche Anweisungen gab.

Gefahr vor radioaktiven Substanzen heruntergespielt

Damals war ein wegweisender Bericht in der Schlussphase. Er sollte die Ergebnisse zu Gorleben zusammentragen und letztlich klären, ob der Salzstock auch unter Tage erkundet werden soll. Die PTB, Vorläuferin des Bundesamtes für Strahlenschutz, zeichnete für den Bericht verantwortlich. Die beiden Ministerien hätten über die Zukunft Gorlebens jedoch offenbar bereits entschieden, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Unter anderem sei die Gefahr, dass radioaktive Substanzen ins Grundwasser gelangen könnten, in dem Bericht heruntergespielt worden, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

So habe es für den letzten, zusammenfassenden Teil den Vorschlag gegeben, dass "berechtigte Hoffnung besteht, dass im Salzstock Gorleben ein Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen" eingerichtet werden könne. Zudem bitte das Ministerium, den "vermutlich hypothetischen Störfall des Wasser- und Laugenzutritts", der an mehreren Stellen die Zusammenfassung und Bewertung bestimme, etwas weiter vom Zentrum der Betrachtung wegzurücken.

Atomgegner (Foto: ap)
Atomgegner vor dem Eingang des Atommülllagers GorlebenBild: AP

Damit gebe es erstmals einen klaren Beleg für die Einflussnahme der damaligen Bundesregierung auf die Vorbereitungen zu Gorleben, schreibt das Blatt. Erst vor kurzem waren zwei Fassungen des Berichts aufgetaucht. Die frühere der beiden geht dabei deutlich kritischer mit Gorleben um, als die spätere. Röthemeyer hatte schon im Frühjahr in einem Zeitungsinterview geklagt, die Behörde habe seinerzeit unter massivem Druck der Politik gestanden.

Bund wollte auch Asse reaktivieren

Nach einem Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung" wollte nicht nur Niedersachsen, sondern auch der Bund in den 80er Jahren die Asse als Atommülldeponie reaktivieren. Der Zeitung zufolge verwies die sozial-liberale Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) im Dezember 1981 auf "Bemühungen des Bundes um die Nutzung des ehemaligen Salzbergwerks Asse II als Endlager für schwachradioaktive Abfälle".

Zur Begründung hieß es, die zu erwartenden Mengen an atomarem Müll könnten nicht allein in dem vorgesehenen Endlager Gorleben gelagert werden. Es sei daher "dringend erforderlich, für schwachradioaktive Abfälle möglichst noch in den 80er Jahren wenigstens eines der geplanten Endlager Konrad oder Asse in Betrieb zu nehmen". Das inzwischen marode Bergwerk bei Wolfenbüttel war von 1967 bis 1978 als Versuchslager für schwach- und mittelradioaktiven Müll sowie als Forschungsstätte genutzt worden. Wegen auslaufender Genehmigung hatte man die Einlagerung 1978 gestoppt. (nem/rri/dpa/ap)

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