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"Sturm" im Kino

11. September 2009

Politik, Justiz und menschliche Tragödien - verdichtet in dem packenden Politthriller "Sturm". Hans-Christian Schmid ist es gelungen aus einem vermeintlich sperrigen Stoff ein spannendes Drama zu machen.

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Zwei Frauen im Porträt - Filmszene aus "Sturm" (Höhne Presse)
Staatsanwältin und ZeuginBild: 23/5

Das zu erwartende Urteil des Prozesses scheint klar: Der ehemalige Befehlshaber der jugoslawischen Armee Goran Duric wird vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt die Deportation bosnisch-muslimischer Zivilisten veranlasst zu haben. Auf seinen Befehl hin sollen Menschen in einen Bus in Kasmaj (Republika Srpska) getrieben worden sein. Und einen Zeuge dafür, Alen Hajdarevic, gibt es auch. Doch dessen Aussage erweist sich als haltlos. Denn dort, wo Alen den Bus gesehen haben will, kann er nicht hingefahren sein, weil die Straße viel zu eng ist.

Frau wird von einem Mann ein Schaal umgebunden (Höhne Presse)
Stürmische Zeiten für Hannah Maynard (Kerry Fox)Bild: Arne Höhne Presse

Schwierige Anklage

Die Anklägerin Hannah Maynard, gespielt von Kerry Fox, steht vor einem Debakel. Ihre Anklage droht zusammenzubrechen, wenn sie nicht schnell eine neue Strategie entwickelt. Aber es kommt noch schlimmer: Alen begeht Selbstmord, und am Gerichtshof fragt man sich, ob Hannah nicht mit Schuld an seinem Tod ist, ob sie nicht zu viel Druck auf den Zeugen augeübt hat.

Doch so einfach gibt die Anklägerin nicht auf. Hannah fliegt zur Alens Beerdigung nach Sarajewo, wo sie seine Schwester Mira kennen lernt. Mira, gespielt von Anamaria Marinca, hat die Kriegsgräuel selbst erlebt, wird aber bedroht und will nicht aussagen.

Frauenporträt, mit kritischem Blick (Höhne Presse)
Kritischer Blick nach Den Haag: Anamaria Marinca in "Sturm"Bild: Arne Höhne Presse

Sensibler Zeitchronist

Der Regisseur, Autor und Produzent Hans-Christian Schmid ist einer der profiliertesten deutschen Filmemacher. Mit Werken wie "23" oder "Crazy" hat er viele Besucher in die Kinos gelockt. Und die Kritiker hatte er bisher auch auf seiner Seite. Das war auch Anfang diesen Jahres so, als er auf der Berlinale "Sturm" vorstellte, der jetzt in die Kinos kommt und der mit dem Amnesty International Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Der 44jährige Schmid kann auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken, die sich grob in zwei Perioden unterteilen lässt: Nach seinem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München dreht er zunächst Filme übers Erwachsenwerden und erlebt 1995 seinen Durchbruch mit "Nach fünf im Urwald", ein Karrieresprung übrigens auch für die junge Franka Potente. Das Werk über ein Kleinstadtmädchen, das in München Popstar werden will, wird von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert.


Verzicht auf Effekte

Mann und Frau beim Dreh, der Mann gibt Regieanweisungen (Höhne Presse)
Marinca und Schmid am FilmsetBild: Gerald von Foris

In den Jahren darauf dreht er mit "23" und "Crazy" zwei weitere Filme, die von der Identitätsfindung junger Menschen handeln. Unter seiner Leitung liefern Schauspieler wie Axel Milberg, August Diehl, Robert Stadlober oder Sandra Hüller Glanzleistungen ab. Auffällig auch, dass Hans-Christian Schmid seine Geschichten meist linear und ohne Effekte erzählt: "Ich bin da sehr zurückhaltend und mag es nicht, wenn Effekte in den Vordergrund treten. Für mich wirkt das schnell manieriert, wenn ich dahinter nicht wirklich den Zweck erkenne."

Dauergast bei der Berlinale

2001 beginnt Schmids zweite Schaffensphase: Er verlässt München, geht nach Berlin, gründet seine eigene Produktionsfirma und dreht mit "Lichter" seinen ersten gesellschaftskritischen Film. Das Werk spielt an der deutsch-polnischen Grenze und beschreibt den Überlebenskampf verschiedener Menschen. Dieser Film schafft ebenso den Sprung in den Berlinale-Wettbewerb wie "Requiem" 2006, die wahre Geschichte einer Studentin, die, zerrissen zwischen Familie, Glaube und Krankheit, Opfer eines Exorzismus wird.

Schwieriges leicht erzählen...

Mann mit Handy in Bürovorräumen (Höhne Presse)
Auch Brüssel mischt mit: Der EU-Beamte Jonas Dahlberg (Rolf Lassgard)Bild: Arne Höhne Presse

Mit seinem neuen Werk "Sturm" beweist Schmid einmal mehr, dass er komplizierte Sachverhalte verständlich zu einer spannenden Geschichte formen kann und seine Darsteller brillant in Szene setzt. Es täuscht, wenn mag glaubt, dass sich die Themen des Films, nämlich Justiz, Völkerrecht und Vergangenheitsaufarbeitung, nicht für einen Kinostoff eignen würden. Hans-Christian Schmid: "Wir haben versucht, die Inhalte auf die Protagonisten zu übertragen. Wenn es gelingt, die Figuren sehr genau zu zeichnen, dann schafft man es auch, emotional zu erzählen. Und dann kann man den komplizierten Hintergrund ein bisschen in die Geschichte reinschmuggeln."

Glänzendes Schauspielerduo

"Sturm" ist von der ersten bis zur letzten Minute ein spannendes Drama, das zeigt, wie politische Interessen und Wahrheitsfindung miteinander kollidieren können. Und wie sogar ein Kriegsverbrecherprozess von Hinterzimmerintrigen beeinflusst wird. Im Zentrum des Films steht der Versuch der Anklägerin Hannah, Mira (das Opfer) trotz der Drohungen nach Den Haag zu bringen, damit diese vor Gericht aussagt. Dabei bieten Kerry Fox und Anamaria Marinca ein überzeugendes Schauspielerduo. So ist "Sturm" nicht nur ein packender Politthriller, sondern auch ein großer Schauspielerfilm.

Autor: Bernd Sobolla

Redaktion: Jochen Kürten