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Schein-Demokratie Iran

3. September 2009

Ahmadinedschad schlägt ein Kabinett vor, die Debatte zieht sich über Wochen hin, letzten Endes lehnen die Abgeordneten drei davon ab: Klingt doch alles demokratisch! Ist es keineswegs, meint Peter Philipp.

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Bild: DW

Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man die Diskussion und Abstimmung im iranischen Parlament über die Kabinettsliste des im Juni wiedergewählten Präsidenten, Mahmud Ahmadinedschad, als Musterbeispiel für das Mitspracherecht der Volksvertreter interpretieren: Die 286 Abgeordneten diskutierten fünf Tage lang erbittert über Qualifikation oder mangelnde Befähigung der vorgeschlagenen Minister und am Ende lehnten sie drei der 21 ab. Ahmadinedschad muss sich nun nach neuen Kandidaten für diese Ressorts umsehen. Ein Vorgang, der seine Zeit dauern kann: Nach seiner ersten Wahl 2005 brauchte der Präsident mehrere Wochen und wiederholten Anlauf, um einen Erdölminister seiner Wahl durchzusetzen.

Umstrittene Kandidaten für das Kabinett

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Peter Philipp


Fragwürdig wird das Spektakel allerdings, wenn man bedenkt, dass das Parlament zwei der vorgeschlagenen Ministerinnen abgelehnt und als Verteidigungsminister einem Mann zugestimmt hat, der von Interpol wegen seiner angeblichen Verstrickung in einen Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires gesucht wird. Der Majlis – das iranische Parlament – demonstrierte damit deutlich, dass er mehrheitlich aus Konservativen zusammengesetzt ist, denen die Berufung von Frauen in Ministerposten so gar nicht schmeckt und die auch dem Irrglauben anhängen, ihre Entscheidung für den Verteidigungsminister sei eine außenpolitische Entscheidung: So argumentierte eine Mehrheit der Abgeordneten, ihr Votum für den verdächtigten Terroristen sei motiviert durch den Druck der USA und Israels.

Wer geglaubt oder gehofft hatte, der Majlis würde Ahmadinedschad in die Schranken weisen, der dürfte nun enttäuscht feststellen, dass die Ablehnung einiger Ministerkandidaten hiervon weit entfernt ist. Die konservative Mehrheit im Parlament ist sich im Allgemeinen einig, nur in Einzelfragen gibt es Divergenzen. Etwa über den Regierungsstil Ahmadinedschads oder darüber, ob der unter dubiosen Umständen ins Amt zurückgekehrte Präsident nicht doch zu sehr seine alten Kumpanen aus den Reihen der Revolutionswächter, der Pasdaran, pflegt und in Amt und Würden hebt: Auf zwei Drittel des Kabinetts trifft dies inzwischen zu und mancher Konservative dürfte besorgt beobachten, wie die Macht sich immer weiter von den Klerikern zu – allerdings nicht minder konservativen – Laien verlagert.

Iran als Schein-Demokratie


Ahmadinedschad wird nun versuchen, den Abstimmungsprozess im Parlament als Beispiel für Demokratie und sich selbst als Fast-Liberalen hinzustellen und damit jene im Iran zu beschwichtigen, die eben noch gegen Wahlfälschung demonstriert hatten. Er wird sie nicht umstimmen können, denn die Iraner wissen nur zu gut, dass diese Abgeordneten, die ja auch nicht die Opposition vertreten, letztlich das System unterstützen und auf hartem konservativen Kurs halten wollen. Und dass diese Abgeordneten sich trotz aller internen Kritik letztlich hinter Ahmadinedschad stellen werden.

Das neue Kabinett wird – wenn seine letzten Ressorts auch besetzt sind – kaum anders handeln als das bisherige. Die Entscheidungen werden beim Obersten Führer gefällt und nicht in der Ministerrunde. Innenpolitisch verspricht das ebenso wenig wie auf außenpolitischem Bereich eine Wende zum Besseren.

Autor: Peter Philipp

Redaktion: Mahmoud Tawfik