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Gelassen durch die Krise

24. August 2009

Dass Vilnius Europäische Kulturhauptstadt geworden ist, war für Litauen eine große Freude. Und diese Freude lassen sich die Litauer nicht nehmen - auch nicht, nachdem die Wirtschaftskrise das Land getroffen hat.

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Die orthodoxe Kathedrale von Theotokos in Vilnius mit dem Gediminas-Turm im Hintergrund (Archivfoto vom 03.05.2006) (Foto: dpa)
In Vilnius gibt es viel Historisches zu entdecken: wie diese orthodoxe KathedraleBild: picture-alliance/ dpa

Bis zur Wirtschaftskrise galt das Baltikum als Boom-Region. Der wirtschaftliche Aufschwung begann, wie auch in den anderen baltischen Ländern, mit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004. Über skandinavische Banken wurden mehr als elf Milliarden Euro in die Wirtschaft der ehemaligen Sowjetrepublik investiert. Doch die internationale Finanzkrise hat den Geldfluss gestoppt.

Nur mit Krediten aus der Krise

Straßenschlachten vor dem Parlament in Vilnius gegen die Reformen, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen (Archivfoto Januar 2009) (Foto: AP)
Bereits im Januar sorgten Wirtschaftsreformen der Regierung für Proteste in VilniusBild: AP

Das merkt auch Tatjana Tresenko, Direktorin der litauischen Näherei Roze. Obwohl sie täglich mit günstigen Angeboten für ihre bunten Sommerkleider wirbt, bleiben die Kundinnen aus. "Die Krise setzt uns mächtig zu. Kaum waren wir mit der neuen Kollektion auf dem Markt, musste ich mit dem Ausverkauf beginnen. Um uns herum machen sich alle Boutiquen mit Dumpingpreisen Konkurrenz. Wie soll ich da meine Ausgaben decken?", erzählt sie.

Anders als sein Nachbar Lettland sei Litauen aber noch nicht vom Staatsbankrott bedroht, sagt Raimondas Kuodis von der Litauischen Zentralbank. "Litauen hinkte mit seiner Gesetzgebung ein wenig hinterher und hat den Banken erst ein Jahr später als Lettland erlauben können, freizügig Kredite an jedermann zu vergeben. Deshalb war unsere Immobilienblase nicht so riesig und es haben sich nicht so viele überschuldet", sagt Kuodis. Dennoch sei Litauens Wirtschaft auf Weltbankkredite angewiesen: Alle Rücklagen seien bereits für Lohn- und Rentenerhöhungen verbraucht worden, erklärt der Experte weiter.

Licht aus in den Hotels

Hotel Romantic Litauen
Spüren die Auswirkungen der Krise deutlich: Hotels in Litauen

Ein erstes Opfer der Wirtschaftskrise war die litauische Fluglinie "Flylal", die im Februar 2009 Konkurs anmelden musste. Die Folge: Es gab kaum noch Direktflüge zwischen Vilnius und anderen europäischen Hauptstädten. Als die Regierung die Hotelsteuern nahezu vervierfachte, begannen die Proteste. Alle Hotels löschten in den vergangenen Wochen wiederholt für zwei Stunden die Nachtbeleuchtung. An den Rezeptionen wurde bei Kerzenlicht gearbeitet. "Mehr als 10.000 Mitarbeiter aus der Tourismusbranche wurden gefeuert, wir haben wirklich Angst", sagt der dreiundzwanzigjährige Portier Linnas Baranauskas.

Täglich gehen in Litauen Firmen Pleite, täglich verlieren Menschen ihre Jobs. Die Regierung spricht zum ersten Mal von Lohn- und Rentenkürzungen. Dennoch begegnen die meisten Litauer der Krise gelassen. "Es ist natürlich traurig, dass wir als Kulturhauptstadt kein Wachstum mehr haben, sondern einen Absturz erleben. Aber wir wollen der ganzen Welt zeigen, dass wir nicht nur Sorgen haben, sondern uns auch freuen können", sagt eine Litauerin.

Autorin: Birgit Johannsmeier
Redaktion: Julia Kuckelkorn/ Nicole Scherschun