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Jihad im Web 2.0

24. August 2009

Seit Jahren werden Osama Bin Ladens Videobotschaften über extremistische Homepages verbreitet. Nun sickert die gewaltverherrlichende Propaganda auch immer mehr ins sogenannte Web 2.0, also in interaktive Plattformen.

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Militante Islamisten bei der militaerischen Ausbildung im Pakistanischen Grenzland zu Afghanistan sind auf einem Standbild eines undatierten Videos zu sehen, das indische Sicherheitsbehoerden am 17. September 2001 in Neu Delhi veroeffentlichten (Foto: AP)
Videos von islamistischen Kämpfern tauchen immer öfter im Netz aufBild: AP

Ein vermummter Moslem singt zu arabisch-islamischen Melodien einen Text, der sich mit dem Jihadismus befasst. Währenddessen ziehen Bilder vorüber, die den islamischen Terror darstellen wie beispielsweise Szenen von Anschlägen. Jens Kutscher lehrt Rechtswissenschaften an der Universität Erlangen und hat diesen islamistischen Propaganda-Film auf der weltbekannten Videoplattform YouTube gefunden – zusammen mit Hunderten weiterer Propagandafilme, die zum Kampf gegen die USA und die gesamte westliche Welt aufrufen. Er hat beobachtet, wie in vielen Videos die Religion für die islamistische Propaganda missbraucht wird: "Da werden zum Beispiel Bezüge hergestellt zur frühen islamischen Geschichte, Beispiele genannt, in denen der Prophet Mohammed Feldzüge unternommen hat gegen die Nichtmuslime zu seiner Zeit. Und da werden bereits erste Assoziationen gebildet zu heute, wo es wieder möglich ist, dass Muslime sich gegen Nichtmuslime zur Wehr setzen", erklärt Kutscher.

Screenshot eines islamistischen Drohvideos, dass sich gegen Oesterreich und Deutschland richtet, das am Dienstag (20.11.2007) dem Österreichischen Rundfunk (ORF) zugespielt wurde (Foto: dpa)
Mittel zum Kampf: Drohungen und gewaltverherrlichende VideosBild: picture-alliance/dpa

Videos mit antisemitischem Inhalt

Unter den islamistischen Filmen finden sich Einträge und Kommentare gewaltverherrlichender Moslems aus aller Welt. So lobt ein Internetnutzer, das Terroristenvideo mit den Worten: "Allah sei Dank! Nimm noch mehr Feuer, mehr Feuer, mehr Feuer! Hahaha! Das Video ist großartig!"

Nicht nur auf dem Videoportal YouTube, auch auf der Internetseite Facebook tummeln sich zahlreiche Islamisten. Facebook gilt als weltweit größtes Online-Freundesnetzwerk. Hier können Privatpersonen ein Profil anlegen, Mails schreiben und sich zu Gruppen zusammenschließen. Auch zu Gruppen, die ihre Feindseligkeit offen propagieren. Der Hamburger Journalist Christoph Gunkel ist im vergangenen Jahr auf eine solche virtuelle Vereinigung gestoßen. So erinnert er sich an ein Selbstmordattentat im Frühjahr in Jerusalem. Dort waren in einer Yeshiva, einer Religionsschule, acht Menschen von einem radikalen Palästinenser mit Namen Abu Dhaim getötet worden. "Kurz danach erschien in Facebook eine Gruppe, die den Mörder letztendlich als Märtyrer gepriesen hat. Und dann gibt es natürlich in diesen Gruppen die Möglichkeit, Kommentare, Fotos und Videos zu posten. Und die haben dann durchaus oft einen antisemitischen Hintergrund", erklärt Gunkel.

Virtuelle Waffen in "Second Life"

Nach Ansicht des Experten stellt gerade die Interaktivität der Web 2.0-Portale eine Gefahr dar. So sei auf Facebook einmal eine Gruppe aufgetaucht, die verkündete, Israel sei kein richtiger Staat. "Diese Gruppe hatte teilweise 60.000 Mitglieder. Und all diese Mitglieder werden immer wieder kontaktiert. Und von daher kann man schon sagen, dass diese Art der Verbreitung nicht ganz ungefährlich ist."

Islamistisches Video, indem Muslime weltweit dazu aufgerufen werden, den Kampf der Palästinenser zu unterstützen (Foto: AP)
Islamistische Gruppen sind Fahndern oft einen Schritt vorausBild: AP

Ähnlich stellt sich das Problem in der Internet-Kunstwelt "Second Life" dar. Dort agieren erfundene Personen in fiktiven Häusern und auf erdachten Grundstücken. Im Second Life findet sich etwa ein Geschäft mit dem Namen "Arabian Exclusiv Shop". Der Laden preist virtuelle Kampfmittel wie Taliban-Kleidung, Jihad-Waffen und Massenvernichtungswaffen an.

Web 2.0: Schlecht zu kontrollieren

Das Problem: Im gesamten Web 2.0 werden Islamisten nicht daran gehindert, ihre Propaganda zu verbreiten. Jugendschützer und Verfassungsschützer, die das "normale Internet" untersuchen, kapitulieren vor dem unübersichtlichen Web 2.0-Netzwerken. Denn nach Auskunft des Berliner Internet-Spezialisten Burkhard Schröder, kostet es enorm viel Zeit, persönliche Profile anzulegen, Kontakt zu fragwürdigen Gruppen aufzunehmen und entsprechendes Material zu dokumentieren. Vor allem die virtuelle Welt "Second Life" sei hochkomplex, sagt er. "Ich habe ein halbes Jahr allein gebraucht, um die Software zu verstehen, die wahnsinnig viel kann. Und auch heraus zu finden, wie sich virtuelle Communities überhaupt bilden, ist gar nicht so einfach. Das findet zum Teil im Verborgenen statt."

Gegenbewegungen legen Homepages lahm

So bleibt es engagierten Internetnutzern überlassen, dem Islamistenhass etwas entgegenzusetzen. So findet sich beispielsweise die kritische Aussage eines YouTube-Mitglieds, der ein Video der Jihadisten anprangert und schreibt: "Sehr komisch! Denkt ihr wirklich, dass ihr ins Paradies kommt, wenn ihr Menschen tötet, die nicht denselben mythischen Gott anbeten, wie ihr?"

Mittlerweile finden sich im Web 2.0. bereits größere Gruppen, die gegen Islamisten zu Felde ziehen. Die Aufklärer suchen die Auseinandersetzung, entlarven die Gewalt-Propaganda und parodieren die Hassfilme. Einige Internet-Freaks, etwa aus Israel, greifen dabei auch zu unkonventionellen Methoden: Sie kapern die islamistischen Online-Netzwerke und legen sie lahm. Bis die nächste Islamistengruppe auftaucht.

Autor: Jens Rosbach

Redaktion: Stephanie Gebert