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Durstiger Drache

17. August 2009

China ist nach den USA der zweitgrößte Erdölverbraucher weltweit. Nirgendwo wächst der Rohölbedarf so stark wie im Reich der Mitte. Das Öl für Chinas Industrie kommt heute überwiegend aus dem Nahen und Mittleren Osten.

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Symbolbild: China und der Nahe Osten (Foto: AP/DW)
China interessiert sich besonders für den Iran und Saudi-ArabienBild: AP Graphics/DW

Überall in der Region Persischer Golf findet man sie heute: Chinesische Abgesandte, die mit ihren Partnern vor Ort um neue Ölquellen und Lieferverträge verhandeln. Bis zu 80 Prozent von Chinas Rohölimporten könnten nach Expertenschätzung bis zum Jahr 2012 schon aus dem Mittleren Osten kommen, wo sich die größten Förderstaaten der Welt versammeln: Das asiatische Schwergewicht begibt sich in eine enorme Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten wie Saudi-Arabien oder dem Iran - viel mehr noch als Ölimporteure wie die USA oder Europa.

Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass China so stark mit islamischen Staaten, etwa Saudi-Arabien, kooperiert, sagt die österreichische Journalistin und Ölexpertin Karin Kneissl: "Saudi-Arabien ist ein theokratischer Staat und auf der anderen Seite steht, der letzte große kommunistische Gigant. Die beiden konnten also so ursprünglich gar nicht mal auf diplomatischer Ebene miteinander in Verbindung treten. Und dennoch ist in diesem kurzen Zeitraum von etwa 15 Jahren der Handelsaustausch gewaltig gewachsen."

"Politik der Nichteinmischung"

Tankstelle in Dschiddah in Saudi-Arabien (Foto: AP)
China kauft Öl bei den Saudis und mischt sich nicht in die Politik einBild: AP

Saudi-Arabien betreibt seit einigen Jahren mehr Handel mit China als mit den USA. Und der wirtschaftliche Austausch mit China wächst Jahr für Jahr. Das liegt vor allem an Chinas Interesse an den Rohstoffen aus der Region. Im Austausch bietet China vor allem den Export von Waren aller Art, etwa billige Plastikprodukte bis hin zu Rüstungsgütern an.

Inzwischen ist das Land bei den arabischen Partnern sehr angesehen. Das liegt nicht nur an der wirtschaftlichen Bedeutung, auch die politische Strategie Chinas ist erfolgreich. Die diplomatischen Beziehungen zwischen China und dem Nahen Osten seien intensiv, sagt Karin Kneissl. "China verfolgt eine traditionelle Politik der Nichteinmischung. Anders als die Europäische Union oder die USA macht China seinen Wirtschaftspartnern nicht unbedingt Vorschriften, wie man Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und so weiter, umzusetzen habe, sondern betreibt einen sehr pragmatischen Handelsaustausch."

Energiepolitisches Interesse

Ölförderung im Iran (Foto: AP)
Pipelines im Iran - China zapft sie anBild: AP

China sieht sich als Staat des Südens, selbst ein aufstrebendes Entwicklungsland, das eigene Erfahrungen mit Kolonialisierung gemacht hat. Das erleichtere den Austausch mit den Staaten der Region am Persischen Golf, die einen ähnlichen Hintergrund haben, so Kneissl. Die chinesischen Energiekonzerne interessieren sich laut einer Studie aus dem Jahr 2006 auch für neue Öl- und Gasfelder in Algerien, Syrien, dem Iran und Saudi-Arabien. Und auch der Irak soll zukünftig Öl gen Osten liefern.

Damit setzt China auf eine eher instabile Weltregion. Eine andere Wahl hat die neue Wirtschaftsmacht kaum, denn genau in dieser Region lagern die mit Abstand größten Ölreserven der Welt. Daher hält Eberhard Sandschneider, Chinaexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Strategie Pekings in der Region für nachvollziehbar: "Die wirtschaftlichen Interessen Chinas haben mit hundertprozentiger Sicherheit Vorrang. Das kann man nun lange kritisieren, wenn es an solche Problemfelder oder Problemländer wie den Iran und den Sudan geht. Auf der anderen Seite denke ich nicht, dass die westlichen Länder eine andere Politik betreiben."

Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur wird die Ölnachfrage Chinas bis zum Jahr 2012 etwa so hoch sein wie der gesamte Bedarf der restlichen asiatischen Staaten zusammen. Bis 2020 wird China über 60 Prozent seines Erdölbedarfs importieren müssen. Deshalb stellen sich auch die Lieferstaaten der OPEC schon mal darauf ein, ihre begehrten Waren in Zukunft zunehmend nach China zu liefern, sagt Karin Kneissl.

Noch gibt es zwar keine großen Pipelines aus den OPEC-Förderstaaten Richtung Osten, aber auch das kann sich nach Meinung der Expertin rasch ändern. In Sachen Öl werden sich die Lieferanten immer mehr auf China einstellen. Denn der Drache ist verdammt durstig.

Autor: Moritz Schröder

Redaktion: Diana Hodali