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Private Gesetzgeber

14. August 2009

Der Wirtschaftsminister steht unter Beschuss. Zu Guttenberg hat einen Gesetzesentwurf nicht von seinen Beamten, sondern von einer britischen Anwaltskanzlei ausarbeiten lassen. Ein Skandal oder doch bloß Wahlkampfgetöse?

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Berater unterhalten sich vor einem modernen Bürohaus (Foto: Illuscope)
Geschickte Beeinflussung - der Job der LobbyistenBild: Illuscope

Die Parteien sind in Aufruhr: Die SPD schimpft über die angebliche Verschwendung von Steuergeldern, die Grünen fordern eine Überprüfung durch den Bundesrechnungshof und die Linken wollen externe Berater ganz aus dem Verfahren der Gesetzgebung heraushalten.

Brigitte Zypries (Foto: AP)
"Verschwendung von Steuergeldern": Brigitte Zypries (SPD) kritisert zu GuttenbergBild: AP

Kern des Anstoßes ist der Shootingstar der Union. Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine britische Anwaltskanzlei damit beauftragt, einen Gesetzesentwurf zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken zu erarbeiten.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Steffen Kampeter, versteht die Aufregung nicht. Wenn es im Ministerium keine Experten zu komplexen Sachverhalten wie der Finanzmarktstabilisierung gebe, sei es normal und richtig, externe Fachleute anzuheuern. "Wir können für befristet notwendige Expertise ja nicht gleich die entsprechenden Experten einstellen", sagte Kampeter. "Diese werden in der Regel drei- bis viermal so hoch bezahlt wie die Bundeskanzlerin und wir brauchen sie nur wenige Wochen oder Monate." Also habe auch der Steuerzahler etwas von externen Ratgebern.

Beratung ja, Interessenvertretung nein!

Karl-Theodor zu Guttenberg
Wächst ihm die Sache über den Kopf?Bild: AP

Der Einsatz einer privaten Kanzlei ist also keine Staatsaffäre - sagt Kampeter stellvertretend für die Union. Und tatsächlich: Eingekaufter Expertenrat von außen ist keine Seltenheit. Wenn es um die Bahnprivatisierung, die Förderung von erneuerbaren Energien oder Atomabfälle geht - immer haben Externe die Hände mit im Spiel. Das Parlament und die Regierung können ihrer Aufgabe, Gesetze zu erlassen ganz offensichtlich nicht immer ohne Hilfe von außen nachkommen.

Sind das die ersten Schritte zur Privatisierung der Gesetzgebung? Ulrich Müller ist Geschäftsführer von Lobbycontrol, eine Initiative, die die Öffentlichkeit über Lobbyeinflüsse informiert. Er sieht in der Auslagerung der Expertise einen Trend, der sich in den letzten Jahren verstärkt hat. Eine problematische Entwicklung, findet Müller: "Das Schreiben von Gesetzen muss Aufgabe der Ministerien bleiben. Nur sie sind dazu legitimiert. Kanzleien sind nicht der richtige Ort, um verschiedene gesellschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen und darum geht es schließlich bei der Gesetzgebung."

Beratung ja, Interessenvertretung nein! Das Problem: Die Übergänge scheinen fließend. Seit Jahren werden Gesetze im Gesundheitsministerium von Lobbyisten wie Ärzten, Pharmafirmen und Krankenkassen mitgeschrieben - und Interessenvertreter von Energiekonzernen formulieren Regeln zur Kontrolle von Atomkraftwerken.

Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer fordert: "Es muss nicht nur endlich ein Gesetz geben, das die Bestechlichkeit von Abgeordneten unter Strafe stellt, sondern auch eines, das deutlich macht, dass jede Zuarbeit frei sein muss von unmittelbaren politischen Einflussnahmen."

Gesetze, die Abgeordnete nicht verstehen

Faktisch sind die Lobbyisten längst Teil des Gesetzgebungsprozesses, aber sie übernehmen überhaupt keine politische Verantwortung. Die Verantwortung liegt beim Bundestag und Bundesrat. Hier werden die Gesetze beschlossen. Da drängt sich eine Frage auf: Wie sollen die Abgeordneten Fehler in einem Gesetz erkennen, Veränderungen fordern, wenn das Thema so komplex ist, dass der Gesetzesvorschlag zuvor nicht einmal vom zuständigen Fachministerium, sondern von externen Experten erstellt werden musste?

Symbolbild: Figur steht auf weißem Untergrund vor einem roten Paragrafenzeichen (Foto: BilderBox)
Mhhh ... wie muss das Gesetz formuliert sein? Oft müssen Experten herBild: BilderBox

In der Praxis verlassen sich die Abgeordneten auf die Fachleute des Ministeriums und diese im Zweifel beispielsweise auf Anwaltskanzleien. "Diese Kanzleien arbeiten ja häufig genau für die Unternehmen, die dann durch die Gesetze reguliert werden sollen. Das ist schon eine fragwürdige Gemengelage", gibt Ulrich Müller von Lobbycontrol zu bedenken.

Der Bundesrechnungshof fordert: Die Expertensuche muss öffentlich ausgeschrieben werden und es muss Transparenz herrschen. Es muss klar sein, wer welchen Beitrag zu welchem Gesetz geleistet hat. Zu Guttenbergs Wahl, ausgerechnet eine britische Kanzlei den Gesetzesentwurf zur staatlichen Zwangsverwaltung maroder Banken erstellen zu lassen, finden viele Kritiker mindestens unglücklich, denn die Kanzlei verdient ihr Geld normalerweise damit, Banken zu helfen - und nicht der Bundesregierung.

Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Manfred Götzke