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Kirchenstreit

6. August 2009

Der Moskauer Patriarch Kirill hat während seiner zehntägigen Reise durch die Ukraine Kiew, Donezk, die Krim sowie die Westukraine besucht. Der Aufenthalt machte eine tiefe Spaltung der Orthodoxie in der Ukraine deutlich.

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Patriarch KirillBild: AP

Die meisten ukrainischen Experten sind sich einig: Der Besuch des Moskauer Patriarchen Kirill in der Ukraine hat der Russischen Orthodoxen Kirche die "Augen geöffnet", was die reale Lage im Lande betrifft. In der Ukraine bestehen seit Anfang der 90er Jahre aufgrund mehrerer Spaltungen neben der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats die von der Weltorthodoxie nicht anerkannte Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats sowie weitere unkanonische orthodoxe Kirchen. Kirill gestand, Moskau habe Fehler in seiner Ukraine-Politik gemacht. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in einem gewissen Sinne die Spaltung eine Reaktion ist, darunter auch auf eine falsche Politik der Kirche Moskaus", so das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche.

Autokephalie strikt abgelehnt

Einen Dialog mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats lehnt Kirill allerdings genauso ab wie eine Autokephalie, also eine volle Selbständigkeit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die sich gegenwärtig unter dem Moskauer Patriarchat befindet. Eine Autokephalie bezeichnete Kirill als "unnötig". "Wenn man uns sagt: entweder Autokephalie oder nichts, also entweder Autokephalie oder Spaltung – dann ist das keine Gesprächsgrundlage", sagte das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche. Zum Abschluss seines Besuchs in der Ukraine wandte sich Kirill an die ukrainischen Behörden und an die Gläubigen: "Ich glaube, dass die Ukraine Gottes Barmherzigkeit erfahren wird, dass Gott die Staatsmacht und diejenigen belehren wird, die sich aus Unwissenheit, Vergessen und Erstarrung abgespalten haben."

Für eine von der Weltorthodoxie anerkannte Autokephalie der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, mit der die Spaltung der Orthodoxie im Lande überwunden werden könnte, treten Staatspräsident Wiktor Juschtschenko sowie die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats ein. Auch innerhalb der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gibt es einen Flügel, der eine Autokephalie befürwortet.

Politische Äußerungen umstritten

In Sewastopol, dem Sitz des russischen Schwarzmeerflotten-Kommandos, erklärte Kirill, "infolge historischer Ereignisse, die wir alle kennen und an die wir uns erinnern, ist es so gekommen, dass es hier zwei Flotten gibt und nicht eine". In einer Fernsehdiskussion warnte der Moskauer Patriarch davor, "historische Helden der Ukraine" zu beschwören. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Ukraine nicht mit Namen experimentieren sollte, die das Land selbst spalten", betonte er. Und seine Aussage, wonach Kiew die "südliche Hauptstadt der russischen Orthodoxie" sei, rief heftige Reaktionen nicht nur unter Gläubigen, sondern auch einer ganzen Reihe von Politikern hervor.

Die Partei "Volksbewegung der Ukraine" erklärte, der Besuch des Moskauer Patriarchen habe "die Feindseligkeiten zwischen den Orthodoxen nur verstärkt". Die Äußerungen des russischen Kirchenoberhaupts seien nicht "seelsorgerischer" Art, sie stünden vielmehr für "Moskauer Großmachtdenken". Die Partei "Swoboda" forderte sogar, den Patriarchen als unerwünschte Person des Landes zu verweisen. Das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche habe die Gefühle Millionen orthodoxer Ukrainer verletzt, die nicht der Moskauer Kirche angehörten, erläuterte die Partei.

Ukrainische Politiker uneins

Dennoch wurde Kirill von der ukrainischen Staatsmacht auf höchster Ebene empfangen. So fanden Treffen mit Präsident Wiktor Juschtschenko und Premierministerin Julija Tymoschenko statt. Parlamentspräsident Wolodymyr Lytwyn traf sich mit Kirill auf der Krim.

Einige Politiker in der Ukraine erklärten, der Besuch des Moskauer Patriarchen Kirill werde zur Verständigung zwischen der Ukraine und Russland beitragen. Der Führer der oppositionellen Partei der Regionen, Wiktor Janukowytsch, warf der ukrainischen Regierung vor, sich "auf inakzeptable Weise in die Angelegenheiten der Kirche einzumischen, Kirchen-Fragen zu politisieren und den Gläubigen zu diktieren, in welcher Kirche sie zu beten hätten." Janukowytsch begleitete Kirill bei allen Programmpunkten in Kiew, Donezk und auf der Krim.

Autor: Oleksandr Sawyzkyj / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann