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"Alle Lanzen für Tarantino"

29. Juli 2009

Nun ist er also da, Tarantinos umstrittener Nazi-Reißer "Inglourious Basterds". DW-WORLD.DE sprach mit Christoph Waltz über seine Rolle als Oberst Landa, für die er die Goldene Palme bekam.

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Waltz in Nazi-Uniform (Foto: dpa)
Sucht die Frage: Christoph Waltz als Oberst LandaBild: dpa

DW-WORLD.DE: Herr Waltz, für Ihre Darstellung des Oberst Hans Landa in Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds" bekamen Sie 2009 die Goldene Palme als bester Schauspieler bei den Filmfestspielen in Cannes. Hat Ihnen diese Auszeichnung schon neue Möglichkeiten eröffnet?

Christoph Waltz: Nicht auf Knopfdruck, aber sie beginnen sich zu ergeben. Möglichkeiten - schauen wir mal, was daraus wird.

Christoph Waltz und Quentin Tarantino winken in die Kamera (Foto: dpa)
Der Schauspieler und sein RegisseurBild: picture-alliance/ dpa

Wie war das bei den Dreharbeiten? Der Film hat ja schon im Vorfeld hier in Deutschland mächtig viel Staub aufgewirbelt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Damit hatte ich ja nichts zu tun. Ich war ja zum Glück in der herrlichen Situation, dabei zu sein in Babelsberg. Wenn nicht, hätte ich die anderen schon sehr beneidet. Sehr.

Wie wurden Sie eigentlich gecastet?

Das lief traditionell. Fast hätte ich gesagt konventionell, aber konventionell hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Das ist heutzutage meist eine Gruppe von ahnungslosen Angebern, die das, was sie selbst nicht wissen, bei anderen auf den Prüfstand stellen wollen - das aber mit neuester Ausrüstung, um das für einen nichtanwesenden Entscheidungsträger abzulichten. Bei Tarantino war das völlig anders. Ein unglaublich zuvorkommender Herr hat mich da zu einem Gespräch eingeladen. Und erst nach dem man sich ein wenig kennen gelernt hat, kam dann die Frage: Wir könnten doch mal ein bisschen was lesen aus dem Drehbuch. Das gab ein Gefühl der Leichtigkeit, der Sicherheit. Er hat den Druck genommen, statt verursacht. Da gab es nicht mal eine Kamera - wem hätte Tarantino das auch noch vorspielen müssen?

Waltz im Smoking in Cannes 2009 (Foto: AP)
Ausgezeichnet: Christoph WaltzBild: AP

Wie kreiert man dann vor der Kamera so einen Landa, so ein charmantes Monster?

Drehbuchleser wissen mehr. Ich halte mich gern daran, was der Autor sagt. Wenn man noch dazu einen Tarantino, man kann schon sagen so ein Werk, vor sich liegen hat, kriegt man schon mit, dass es in diesem Buch nicht um einen selber geht, sondern um eine Figur, die Tarantino sich vorstellt.

Jetzt spielen Sie als deutscher Schauspieler in einem Hollywood-Film in Deutschland einen Nazi. Wie haben Sie sich dem genähert? Haben Sie sich diesem Komplex, den wir alle mit uns herumtragen, verweigert?

Im Gegenteil, ich habe mich ihm komplett überlassen. Denn ich habe eine andere Lesart: Ich halte es nicht für die Aufgabe des Kinos, didaktisch zu wirken, speziell was Geschichte betrifft. Und noch mal spezieller, was diesen Teil der Geschichte betrifft. Ich glaube eher daran, dass sich das Kino mit uns befassen soll. Mit uns, die wir heute leben und den Film sehen. Im Rückschluss finde ich es nachgerade verantwortungslos, Spielfilme zu machen, die den Anschein erwecken, von der Wahrheit zu handeln.

Was suchen Sie denn in der Rolle für sich?

Das ist das Thema dieser Filme: Wo ist der Gewinn für uns, was gilt es zu erreichen - doch wohl nicht die Bestätigung dessen, was wir ohnehin wissen. Das haben wir doch schon in seiner ganzen moralischen Tragweite verinnerlicht. Wozu zeigt man es noch? Als Marketinggag. Was anderes fällt mir dazu nicht ein. Unsere Selbstvergewisserung, dass wir auf der richtigen Seite stehen, wird zu Marketingstrategie. Wie verlogen kann man eigentlich sein? Ich suche in der Rolle alles, was wirklich in Frage stellt. Ich kann in einem Spielfilm nicht an einem historischen Ereignis teilnehmen, aber in meiner Rolle an Kunst. Und ich breche nicht eine, aber alle Lanzen für Tarantino als Künstler. Der Film ermöglicht uns, eine neue Perspektive auf die Welt einzunehmen, eine neue Möglichkeit, zu betrachten. Und ein neuer Blick kann unsere Wirklichkeit möglicherweise verändern.

Und wie soll der Film die Wirklichkeit verändern?

Nicht die Wirklichkeit, aber den Blick darauf. Die Wirklichkeit müssen Sie dann schon selbst verändern.

Es gab ja nach dem Film große gegenseitige Anerkennung zwischen Tarantino und Ihnen. Er sagt unter anderem, dass Sie ihm seinen Film zurückgegeben hätten. Wie groß ist denn sein Anteil, dass Sie Ihr schauspielerisches Gewicht so sehr in den Film einbringen konnten?

99,99 Prozent.


Das Interview führte Marius Zekri
Redaktion: Oliver Samson