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Bulgariens neue Regierung

28. Juli 2009

Bulgarien hat ein neues Parlament und einen neuen Ministerpräsidenten. Wie es in Bulgarien nun weitergeht, darüber spricht der bulgarische Journalist Alexandre Andreev mit DW-WORLD.DE.

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Alexander Andreev, Mitarbeiter/in in der bulgarischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Alexander Andreev: Unklar wie Borissow gegen die Finanzkrise in Bulgarien vorgehen willBild: DW

DW-WORLD.DE: Bojko Borissow, der frühere Bürgermeister der Hauptstadt, löst den bisherigen sozialistischen Ministerpräsidenten Sergej Stanischew ab. Im Parlament fanden sowohl Borissow als auch sein Kabinett die nötige Zustimmung. Welche Erfahrungen bringt der neue Regierungschef mit?

Alexandre Andreev: Er hat schon eine gewisse Erfahrung – wie jemand, der bereits hohe Positionen bekleidet hat. Er war lange oberster Polizeichef, das heißt Staatssekretär im Innenministerium, und dann war er zweimal zum Oberbürgermeister von Sofia gewählt worden. Er hat also eine gewisse Verwaltungserfahrung und beim Aufbau der Strukturen seiner Partei hat er auch viel mit Lokalpolitikern zu tun gehabt in den vergangenen drei Jahren.

Bojko Borissow, neuer bulgarischer Ministerpräsident (Foto: picture alliance/dpa)
Der neue bulgarische Ministerpräsident: Bojko BorissowBild: picture-alliance/ dpa

Wie setzt sich Borissows Kabinett zusammen?

Es setzt sich aus Fachleuten zusammen, Durchschnittsalter 45 Jahre, fast keiner war bislang in der Politik. Da sind dennoch einige interessante Persönlichkeiten wie zum Beispiel der neue Finanzminister Simeon Djankow. Er hat für die Weltbank gearbeitet und war dort Krisenexperte. Ihm wird nachgesagt, dass er die Fachkenntnisse zur Beseitigung der Rezession und der Wirtschaftskrise in Bulgarien mitbringt. Oder die jetzige EU-Abgeordnete Rumjana Schelewa, die neue Außenministerin, die auch im Europaparlament schon eine gewisse Erfahrung gesammelt hat. Allerdings gibt es auch zwei sehr umstrittene Personen im Kabinett: der Bildhauer Weschdi Raschidow und der Wissenschaftler und Historiker Boschidar Dimitrow. Raschidow gehört der türkischen Minderheit in Bulgarien an. Vor einigen Jahren war er mit einer dubiosen, halblegalen Wirtschaftsstruktur in Bulgarien verbunden und dann hat er für Aufmerksamkeit gesorgt, als er in Handgreiflichkeiten mit Polizisten verwickelt war. Dimitrow ist umstritten, weil er Mitarbeiter der kommunistischen Geheimdienste war - und dort zwei Funktionen inne hatte, die der Aufklärung und der Spionage damals.

Borissow – ein neuer Kopf an der Spitze. Welche Unterstützung hat die neue bulgarische Regierung im Parlament?

Bulgarisches Parlament in Sofia (Foto: picture alliance/dpa)
Das Parlament in SofiaBild: picture-alliance/ dpa

Es ist genaugenommen eine Minderheitsregierung, denn Borissows Partei GERB (Bürger für europäische Entwicklung Bulgariens) hat 116 Abgeordnete und für die Mehrheit bräuchte sie121 Abgeordneten, also ihm fehlen fünf Sitze im Parlament. Andererseits hat er die Unterstützung von drei kleineren Mitte-Rechts-Parteien zugesichert bekommen. Das birgt aber auch gewisse Probleme: Ich würde hier als erstes die bedingungslose Unterstützung der Partei Ataka nennen. Das ist eine rechtsextremistische, fremdenfeindliche Partei, die in Europa isoliert wurde. Das heißt, inoffiziell wurde allen bulgarischen Parteien angeraten, nicht mit dieser Partei zu kooperieren. Die zwei weiteren Mitte-Rechts-Parteien versprechen zwar Unterstützung, aber diese Unterstützung ist nicht bedingungslos, und soweit sie nicht im Kabinett mit eingebunden sind, könnte diese Unterstützung von Fall zu Fall schwinden.

Osteuropa ist besonders stark von der Finanzkrise betroffen. Wie will Bulgarien denn der Wirtschaftskrise entgegensteuern?

Aus der Regierungserklärung ist das nicht klar ersichtlich. Ich weiß auch nicht, wie die Regierung gegen die Rezession, gegen die Krise vorgehen würde. Im bulgarischen Parlament wurde zwar gesagt, dass die Schwerpunkte bei der Unterstützung der bulgarischen Wirtschaft liegen und der bulgarischen Industrie, Landwirtschaft, dem Tourismus, infrastrukturellen Projekten und der Anwerbung neuer Auslandsinvestoren, aber wie das zustande gebracht werden kann, das kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Denn jetzt wissen wir ja, dass die Auslandsinvestoren auch sehr zögerlich sind. Darüber hinaus hat Borissow den bulgarischen Bürgerinnen und Bürgern ein Wachstum der Realeinkommen versprochen. Dies ist aus meiner Sicht auch zu hoch gegriffen, denn er hat gleichzeitig in dem Regierungsprogramm massive Einschnitte unter anderem in der Staatsverwaltung versprochen.

Alexandre Andreev arbeitet für die bulgarische Redaktion der Deutschen Welle.

Das Interview führte Günther Birkenstock.
Redaktion: Nicole Scherschun