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Koalition streitet um Adoption bei Homo-Paaren

24. Juli 2009

Justizministerin Zypries (SPD) fordert ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Denn laut einer Studie wachsen Kinder in "Regenbogenfamilien" genauso gut auf wie in traditionellen Familien. Die Union ist empört.

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Lesbisches Paar mit Kindern (Foto: Stephanie Haynes)
Bild: stephaniehaynes

"Regenbogenfamilien" werden Familien genannt, in denen Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnern leben. Nach den Ergebnissen einer neuen Studie wachsen diese Kinder überwiegend bei lesbischen Paaren auf. Nur in 5,5 Prozent der Fälle teilten sich zwei Männer die Elternschaft. In Deutschland sind es nach der Studie, die am Staatsinstitut für Familienforschung der Universität Bamberg erstellt wurde, rund 6600 Kinder, die in solchen "Regenbogenfamilien" aufwachsen. Schätzungen gehen sogar von mehr als 12.000 Kindern aus.

"Kleines Sorgerecht" für den Alltag

Rund 2200 der Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, die seit 2001 möglich ist. Die Adoption eines Kindes ist Lesben und Schwulen jedoch nur als Einzelperson erlaubt. Der adoptierende Partner kann dem Anderen ein so genanntes kleines Sorgerecht einräumen. Damit werden diesem Entscheidungen in Alltagsangelegenheiten des Kindes zugebilligt.

Seit 2005 gibt es für homosexuelle Lebenspartnerschaften auch die Möglichkeit der so genannten "Stiefkindadoption". Damit können gleichgeschlechtliche Partner die Kinder ihrer Lebensgefährten adoptieren, allerdings nur, wenn es leibliche Kinder sind.

Knapp die Hälfte der Kinder aus den befragten Partnerschaften stammt aus früheren heterosexuellen Beziehungen, die andere Hälfte aus künstlicher Befruchtung. Bei einer künstlichen Befruchtung wird im Unterschied zu herkömmlichen Ehen der Lebenspartner allerdings nicht automatisch rechtlich gleichgestellter Elternteil. Die Frau, die das Kind zur Welt bringt, ist die gesetzliche Mutter.

Entwicklung der Kinder verläuft positiv

Bundesjustizministerin Zypries (Foto: AP)
Bundesjustizministerin Zypries:"Dort, wo Kinder geliebt werden, wachsen sie auch gut auf."Bild: AP

Der repräsentativen Studie zufolge verläuft die Entwicklung der Persönlichkeit sowie die schulische und berufliche Entwicklung der Kinder positiv, stellte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries fest: "Die Studie zeigt, dass Regenbogeneltern genauso gute Eltern sind wie alle anderen Eltern auch, also sprich heterosexuelle Eltern, und dass es darauf ankommt, dass Erwachsene die Kinder eben positiv annehmen." Wenn ein Kind in einer heterosexuellen Beziehung schlecht aufwachse, weil es nicht akzeptiert werde, weil es womöglich gar geschlagen werde, dann sei das sehr viel schlimmer, als wenn ein Kind in einer anderen Partnerschaft aufwachse, fügte Zypries hinzu.

Allerdings räumte die Ministerin auch ein, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Familien in manchen Fällen Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung im Elternhaus erlebten, allerdings vorwiegend auf der Ebene von Hänseleien und Beschimpfungen. Aber es habe sich gezeigt, "dass dann, wenn die Kinder damit nach Hause kommen und man darüber redet und den offenen Umgang darüber pflegt, dass das dann keineswegs zu irgendwelchen Defiziten bei den Kindern geführt hat".

Hohes Bildungsniveau in Regenbogenfamilien

Was ist das Charakteristische an "Regenbogenfamilien" gegenüber traditionellen Familien? Das sollte über die mehr als 15.000 angeschriebenen Paare in Erfahrung gebracht werden, von denen sich ca. 5100 an einer Kurzbefragung beteiligt hatten.

Die stellvertretende Leiterin des Instituts für Familienforschung an der Universität Bamberg, Marina Rupp, die schließlich 1059 Haushalte in die umfangreichere Befragung für die Studie einbezogen hatte, griff ein paar Punkte heraus: "Die Regenbogenfamilien zeichnen sich durch ein sehr hohes Bildungsniveau aus: 58 Prozent der PartnerInnen und Partner haben Abitur und entsprechend auch recht hohe berufliche Qualifikationen. Die Kinder gehen auch dem Bildungsniveau der Eltern entsprechend relativ häufig auf weiterführende Schulen, häufiger als Kinder aus anderen Familienformen."

Nach den Ergebnissen der Studie sind die Kinder zum Teil ein bisschen mehr in den jeweiligen Geschlechterrollen verwurzelt als andere Kinder.

Forderung nach Adoptionsrecht für homosexuelle Paare

Die Studie bestätigt nach Ansicht von Justizministerin Zypries, dass alle Familienformen eine vernünftige Qualität haben können. Um die Diskriminierung von homosexuellen Lebenspartnerschaften aufzuheben, müsse es ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare geben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür seien jetzt gegeben, denn das europäische Adoptionsübereinkommen lasse eine gemeinsame Adoption zu, was vorher nicht der Fall war: "Bisher gab es dieses europäische Übereinkommen, das gesagt hat 'Homosexuelle Paare dürfen keine Kinder adoptieren'. Da war Deutschland Mitunterzeichner. Das haben wir jetzt anders verhandelt."

Zypries sprach von einem Umdenken in Europa. Die gemeinsame Adoption sei jetzt möglich. Es wäre daher an der Zeit, "dass Deutschland dieses Abkommen ebenfalls zeichnet und ratifiziert". Bisher hätten 11 von 47 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet, sagte Zypries. Es trete jedoch erst in Kraft, wenn mindestens drei Staaten es in nationales Recht umgesetzt haben.

Unterstützung und Ablehnung

Unterstützung bekommt Zypries von den Liberalen (FDP) und den Grünen. Ihnen geht es vor allem um die gleiche rechtliche Absicherung der in homosexuellen Familien aufwachsenden Kinder. Auf Widerstand stößt die SPD-Politikerin dagegen beim Koalitionspartner CDU/CSU. Den "Ruhr Nachrichten" sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach: "Es gibt für uns keinen Grund, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnertschaft der traditionellen Ehe gleichzusetzen. Auch nicht beim Adoptionsrecht".

CSU-Fraktionsgeschäftsführer Hartmut Koschyk bezeichnete den Vorstoß der Justizministerin gar als "billiges Wahlkampfmanöver". Der Lesben- und Schwulenverband erklärte dagegen, die Studie habe alle Argumente "rückwärts gewandter Kreise" gegen ein gemeinsames Adoptionsrecht widerlegt.

Autorin: Sabine Rippberger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz