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Europarat: Kritik an Lage der Menschenrechte in Südosteuropa

23. Juli 2009

Thomas Hammarberg ist Menschenrechtskommissar des Europarates. Er kritisiert die Lage der Menschenrechte in Südosteuropa. Im Visier sind Griechenland, die Türkei und das Kosovo.

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Soll Europarat mehr tun, um die Menschenrechte zu schützen, fragt die DW den schwedischen Diplomaten. Grundsätzlich ja meint der Menschenrechtskommissar zu, räumt indes ein: "Andererseits, muss man fairerweise feststellen, hat der Europarat bereits Wichtiges geleistet. Erstmals aufmerksam wurde ich auf den Europarat während der Militärdiktatur in Griechenland in den sechziger Jahren. Damals war ich ein junger Aktivist für Demokratie und Menschenrechte und ich fand es einfach wundervoll, dass eine internationale Organisation wichtige Informationen über Menschenrechtsverletzungen sammelt und eine Regierung hierfür zur Verantwortung zieht. Die Militärjunta erklärte damals sogar ihren Austritt aus dem Europarat.“

Ausreden bei Menschenrechtsverletzungen nicht gelten lassen

Seit den 1960er Jahren ist viel Zeit vergangen. Griechenland ist ein demokratisches Land, Vollmitglied der EU und der NATO. Aber auch EU-Mitglieder bleiben nicht verschont, wenn die Menschenrechte auf dem Prüfstand stehen. So kritisiert der Europarat die Haft- und Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Griechenland. Die Athener Regierung fühlt sich überfordert, weil angeblich über 3.000 Flüchtlinge pro Tag ins Land strömen. Der Menschenrechtskommissar des Europarates hat dafür nur teilweise Verständnis. Er habe selbst die griechische Region Evros an der Grenze zur Türkei besucht, eine zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge. Die Lokalpolitiker dort wären verzweifelt und verärgert, weil sie überhaupt keine Unterstützung bekämen weder aus Athen noch aus Brüssel. "Für mich bedeutet es zweierlei. Einerseits: Wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit aller EU-Länder, denn es handelt sich nicht um ein griechisches oder um ein türkisches, sondern um ein europäisches Problem. Andererseits: Mangelnde Zusammenarbeit ist keine Ausrede für Menschenrechtsverletzungen“, gibt Hammarberg zu bedenken.

EU-Ansatz in der Kritik

Immer wieder kritisiert der Europarat Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Erst vor wenigen Tagen reiste Kommissar Hammarberg wieder einmal nach Ankara und berichtet nun betont diplomatisch von "guten Gesprächen“ und "positiven Signalen“ im Land. In der aktuellen Debatte über einen EU-Beitritt der Türkei möchte er nicht mitreden. Dass der Beitritt immer wieder als Köder für türkische Politiker herhalten muss, stimmt ihn allerdings skeptisch: „Diese Vorgehensweise macht mir schon Sorgen. Ich finde, Menschenrechte sollte man nicht einhalten, um Brüssel einen Gefallen zu tun, sondern um die eigene Bevölkerung zu schützen. Menschenrechte können nicht von außen aufgezwungen werden. Insofern denke ich, die entsprechende Diskussion in der Türkei geht wohl in die falsche Richtung.“

Kosovo: Ein gewisser Fortschritt erkennbar

Auch im Kosovo fand Thomas Hammerberg Kritisches zu berichten. Erst im vergangenen März bereiste der Menschenrechtskommissar den jüngsten Staat Europas und suchte das Gespräch mit allen Entscheidungsträgern vor Ort. In seinem Kosovo- Bericht stellt er fest, dass eine unabhängige Justiz und ein effektiver Minderheitenschutz noch lange nicht existieren. Gute Ansätze für die Zukunft sieht er trotzdem: "Es gibt einen gewissen Fortschritt. Die neue Gesetzgebung entspricht den UN-Vorgaben, sie ist nicht schlecht.“ Aber das Problem sei die Anwendung der Gesetze. Die Gerichte könnten ihre Arbeit nicht wie gewünscht ausüben, Korruption und politische Einflussnahme seien auf der Tagesordnung. "Die serbische Minderheit fühlt sich unter Druck gesetzt. Viele Serben leben in Enklaven und sie fühlen sich sehr unbehaglich, auch wenn es in letzter Zeit zu keinem Gewaltausbruch kommt", so Hammarberg.

Zur Person

Seit April 2006 ist Thomas Hammerberg Menschenrechtskommissar des Europarats in Straßburg. Immer wieder bereist der schwedische Diplomat die Türkei, das Kosovo und weitere Länder Südosteuropas. Seine Berichte über den Stand der Menschenrechte sind politisch brisant, denn viele Länder der Region betrachten ihre Mitgliedschaft im Europarat als ein Sprungbrett in die EU. Dennoch scheut Hammarberg auch vor Kritik an "altgedienten“ EU-Mitgliedstaaten nicht zurück. Neulich kritisierte Hammerberg die Lebensbedingungen von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Griechenland. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erfüllt der Europarat eine wichtige Aufgabe: der Staatenverbund soll mittel- und osteuropäische Länder an rechtstaatliche Standards heranführen, spätere EU-Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen. Auch aus diesem Grund wird er als "großer Bruder der EU" gefeiert oder aber als "Papiertiger" kritisiert. Fakt ist, dass der Europarat in der Regel nicht auf Sanktionen, sondern auf öffentlichen Druck setzt.

Hammarberg in Mazedonien
Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des EuroparatsBild: Toni Glamcevski

Autor: Jannis Papadimitriou

Redaktion: Birgit Görtz