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Wende im Fall Gongadse?

23. Juli 2009

Fast neun Jahre nach dem Mord am Journalisten Georgij Gongadse ist in der Ukraine der mutmaßlich wichtigste Mittäter verhaftet worden. Beobachter hoffen, dass nun auch die Auftraggeber des Verbrechens gefunden werden.

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Gongadse im August 2000Bild: AP

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat die Verhaftung des ehemaligen ranghohen Kriminalbeamten Oleksij Pukatsch, dem Beteiligung an der Ermordung des Journalisten Georgij Gongadse vorgeworfen wird, begrüßt. "Das ist eine gute Nachricht. Wir hoffen, dass die Verhaftung helfen wird, die Wahrheit über die Auftraggeber des Mordes zu erfahren", sagte im Gespräche mit der Deutschen Welle der Generalsekretär von "Reporter ohne Grenzen", Jean-Francois Julliard.

Ihm zufolge wurde Gongadse zu einem Symbol der Pressefreiheit. Deswegen würden Journalisten weltweit die Ermittlungen in diesem Mordfall verfolgen. "Die Europäische Union, Politiker und Journalisten vieler Länder wollen die Wahrheit wissen. Deswegen werden wir auch weiterhin alles unternehmen, was in unseren Kräften liegt, um herauszufinden, wer den Mord an Georgij in Auftrag gegeben hat", betonte Julliard.

Mögliche Erpressung

Der Generalsekretär der "Reporter ohne Grenzen" befürchtet, dass vor den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine nun versucht werden könnte, den Fall Gongadse für politische Ziele auszunutzen. "Wir sind nicht naiv. Es ist klar, dass viele nicht daran interessiert sind, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Das hätte unabsehbare politische Folgen. Andererseits können Politiker sich gegenseitig mit Informationen erpressen, die sie von Pukatsch bekommen", sagte Julliard.

Pukatsch selbst habe nach seiner Verhaftung nichts zu verlieren. Somit bestehe die Hoffnung, dass er anfangen werde zu reden, so der Vertreter der "Reporter ohne Grenzen". Julliard zufolge wird man nun sehen können, ob in Kiew politischer Wille besteht, die Auftraggeber des Mordes an Gongadse zu verurteilen.

"Einmalige Chance"

Pukatschs Verhaftung begrüßte in einer Pressemitteilung auch die ehemalige Berichterstatterin des Europarates im Fall Gongadse, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Die Verhaftung von Oleksij Pukatsch gibt den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden eine einmalige Chance, aufzuklären, wer die grausame Ermordung des Journalisten Georgij Gongadse befohlen hat", erklärte Leutheusser-Schnarrenberger.

"Jüngste Ereignisse haben wieder einmal gezeigt, dass für eine effektive Abschreckung solcher Verbrechen erforderlich ist, dass nicht nur die direkten Täter, sondern auch die Organisatoren und Anstifter zur Verantwortung gezogen werden, bis hin zur Spitze der Befehlskette", fügte sie hinzu.

Skepsis angesagt

Ob die Auftraggeber des Mordes nun ausfindig gemacht werden, ist schwer zu sagen, und das obwohl nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft Pukatsch schon bei seiner ersten Vernehmung deren Namen genannt haben soll. "Ich halte eine direkte Verbindung zwischen Pukatsch und den Auftraggebern für unwahrscheinlich", sagte der Deutschen Welle Roman Holowenko von der ukrainischen Nichtregierungsorganisation "Institut für Masseninformationen".

Seinen Worten nach wird es, da der ehemalige Innenminister Jurij Krawtschenko bereits tot ist, schwierig sein, den Auftraggebern deren Schuld nachzuweisen. Pukatschs Aussagen allein würden für eine Anklage nicht ausreichen, notwendig seien weitere Beweise. "Das bedeutet nicht, dass dies direkt zu den Auftraggebern führen wird. Es könnte sein, dass Pukatsch vor Gericht kommt, aber ob dann auch die Auftraggeber ausfindig gemacht werden, das ist schwer zu sagen", so Holowenko.

Prozess erwartet

Die jüngste Verhaftung bedeutet, dass es im Fall Gongadse einen weiteren Prozess geben wird. Pukatsch, der sich seit 2003 versteckt hielt, wurde bereits in Abwesenheit wegen Beteiligung an der Ermordung des Journalisten Gongadse angeklagt, für die drei Polizisten im vergangenen Jahr zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sind. Sie hatten ausgesagt, Pukatsch habe eigenhändig Gongadse getötet. Der regierungskritische Journalist Gongadse war im September 2000 in Kiew entführt worden. Zwei Monate später wurde die enthauptete Leiche des 31-Jährigen in einem Wald nahe der ukrainischen Hauptstadt gefunden.

Autor: Eugen Theise, Anna Poludenko / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann