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Was bringt die Definition?

Benjamin Braden31. Juli 2009

Wer Armut bekämpfen will, muss festlegen, wer überhaupt arm ist. Doch die Suche nach einer allgemeinen Definition von Armut ist knifflig.

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Pfandflaschensammler in Deutschland (Foto: KPA)
Armut hat viele Gesichter: Pfandflaschensammler in DeutschlandBild: picture-alliance / KPA

Arm ist, wer sich wenig kaufen kann. Könnte man meinen. Aber so einfach ist es nicht. Denn was ist wenig? In Europa zum Beispiel gelten Menschen offiziell als arm, die mit 764 Euro im Monat auskommen müssen. In Entwicklungsländern aber ist das ein Vermögen. Wer Armut allgemeingültig beschreiben will, kommt mit dieser Definition von "relativer Armut" nicht weit.

Ist der 1,25 Dollar-Ansatz der Weltbank zu simpel?

Um eine allgemeingültige Grundlage für Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, hat die Weltbank ein weltweit anerkanntes Kriterium für die so genannte "absolute Armut" festgelegt: Wer nicht in der Lage ist, pro Tag die Menge an Gütern zu kaufen, die in den USA 1,25 Dollar kosten würde, der sei "absolut oder extrem arm".

Armutsforscher Christoph Butterwegge (Foto: Michael Borgers)
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge lehrt an der Universität KölnBild: Michael Borgers

Christoph Butterwegge ist Sozialwissenschaftler an der Universität Köln. Der Armutsforscher hat gerade ein Buch über Armut in Deutschland veröffentlicht. Der simplen Definition von Armut durch die Weltbank kann er durchaus etwas abgewinnen. "Der Vorteil, am Geld anzusetzen, ist natürlich, dass die Armutsforschung relativ gut an Zahlen kommt, an Daten, an Statistiken", sagt er. Aber er zeigt sogleich auch die Grenzen der Weltbank-Definition auf: "Die Lebenswirklichkeit der Menschen ist natürlich sehr viel komplizierter und komplexer. Deshalb glaube ich, dass eine solche Definition nicht ausreicht."

Blick in den Alltag und nicht nur auf das Geld

Christoph Butterwegge hält es für besser, nicht nur ins Portemonnaie der Betroffenen zu schauen, sondern auf ihren gesamten Alltag. Ist ihr Wasser sauber? Haben sie Zugang zu Zeitungen, zum Internet? Können sie sich politisch engagieren? Wie sieht es mit Schule aus?

Zensiertes BBC-Fernsehen in Sri Lanka
Kein Zugang zu Medien – auch das ist ArmutBild: AP

Eine solche Herangehensweise heißt Lebenslage-Ansatz. Die Vereinten Nationen zum Beispiel haben eine lange Liste von Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe sie den Entwicklungsstand aller Länder im so genannten "Index der menschlichen Entwicklung" bewerten. Island liegt derzeit auf Platz eins, Sierra Leone auf dem letzten Rang.

Obwohl komplexer und weniger leicht in Zahlen zu fassen, ist eine solche Armutsdefinition für Christoph Butterwegge die bestmögliche Ausgangslage für Armutsbekämpfung. "Armut ist mehr, als wenig Geld zu haben. Armut kann auch bedeuten, bei Bildung, Gesundheit, Kultur, Wohnen benachteiligt zu sein", sagt er. Je genauer man beschreiben könne, wie Armut im Einzelfall aussieht, desto zielgerichteter kann man ihr entgegenwirken. "Auch in der Bildungspolitik, Gesundheitspolitik - Armutsbekämpfung ist eine Querschnittsaufgabe eigentlich aller Politikbereiche."