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Weltbank und IWF reformieren

29. Juli 2009

Dirk Messner leitet als Direktor das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Er fasst seine Einschätzung über die nötigen Reformen bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds zusammen.

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Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) (Foto: DIE)
Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE)Bild: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), 2009

Um die Globalisierung zu gestalten, die globalen Systemrisiken zu beherrschen sowie internationale Stabilität und Wohlstandsentwicklung zu stärken, sind neue kooperative Rahmenbedingungen notwendig. 2009/10 sind Jahre wichtiger Weichenstellungen. Die Stabilisierung und Neuordnung der Finanzmärkte und weltweit koordinierte Programme zur Bekämpfung der Rezession sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen, um die Welt in ein sicheres Gleichgewicht zu bringen. Dringend wird es im Verlauf von 2009/10 auch sein, die Doha-Runde zu einem Erfolg zu bringen, um die reale Bedrohung der Weltwirtschaft durch eine Welle des Protektionismus zu verhindern.

Weltklima ist für die Menschheit systemrelevant

Zudem sind Durchbrüche auf der Klimakonferenz Ende des Jahres von herausragender Bedeutung, um zu verhindern, dass dem Kollaps der Finanzmärkte in den kommenden Jahrzehnten ein irreversibler Wandel des Erdsystems folgt, mit unabsehbaren Folgen für menschliche und ökonomische Entwicklung sowie die internationale Stabilität und Sicherheit. Das Weltklima ist für die menschliche Existenz systemrelevant. In der internationalen Entwicklungspolitik geht es um Anstrengungen, um die vielen Millionen Menschen in Entwicklungsländern zu unterstützen, die Opfer einer globalen Krise werden, die sie nicht mitverschuldet haben. Hierbei geht nicht nur um mehr Geld, sondern auch eine Reform der internationalen Entwicklungsorganisationen – im Zentrum stehen hier Weltbank und der Internationale Währungsfonds, also das „Bretton Woods System“.

G8 nicht mehr zeitgemäß

G8 Gipfel in L`Aquila, Italien: G8- und G5-Regierungschefs (Foto: AP)
Der G8-Gipfel in L'Aquila markierte den Anfang vom Ende der G8 - auch auf dem Familienfoto sind es fünf mehrBild: AP

Das internationale Institutionengefüge ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und reflektiert die damaligen Machtverhältnisse, insbesondere die Übermacht der USA und anderer westlicher Industriestaaten. Die seit gut einer Dekade zu beobachtenden tektonischen Machtverschiebungen in Weltwirtschaft und –politik heben die etablierte Weltordnung aus den Angeln. Insbesondere die Aufstiege von China und Indien, aber auch der Bedeutungszuwachs von Ländern wie Brasilien und Indonesien verändern die globalen politischen und ökonomischen Landkarten. Die G8 kann nicht länger für sich beanspruchen, ein legitimes und effektives globales Machtzentrum zur Bearbeitung von Weltproblemen zu sein. Die aufsteigenden Mächte aus den Entwicklungsregionen müssen nun an den zentralen internationalen Prozessen der Politikkoordination gleichberechtigt beteiligt werden und zugleich globale Mitverantwortung übernehmen. Die G20 ist derzeit eine angemessene Plattform, auf der Entscheidungsträger der mächtigsten Staaten globale Herausforderungen gemeinsam bearbeiten können. In diesem neuen Kontext müssen auch die beiden wichtigsten internationalen Entwicklungsorganisationen, die Weltbank und der IWF, reformiert werde.

Die Reform der Bretton WoodsOrganisationen

Die Bretton Woods–Organisationen befinden sich in einer Glaubwürdigkeitskrise. Sie müssen zu wahrhaft globalen Organisationen werden, die in den Augen aller Mitgliedsländer legitim, fair und überparteilich handeln, also nicht den nationalen Interessen der mächtigsten Staaten gehorchen. Die Stimmenverteilung in den Steuerungsgremien beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und in der Weltbank müssen rasch verändert werden, um die Einflussmöglichkeiten der armen Entwicklungsländer sowie der aufsteigenden Ökonomien zu verbessern. Die Abschaffung der US–Vetomacht, aber auch die Reduzierung der europäischen Stimmenanteile wären wichtige Schritte der Neuordnung. Zudem sollten die Chefposten beider Organisationen zukünftig nicht mehr automatisch von den USA und der EU besetzt werden, sondern Persönlichkeiten nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit berufen werden. Beide Organisationen müssen angesichts der umfassenden Weltwirtschaftskrise auch darauf reagieren, dass sie an konzeptioneller, strategischer und kognitiver Glaubwürdigkeit verloren haben, denn sie sind ihren Aufgaben als Frühwarnsysteme und Vordenkerorganisationen für die Entwicklung von Marktwirtschaften unter Bedingungen der Globalisierung und den Grenzen der Ökosysteme nur unzureichend gerecht geworden.

IWF hat als Frühwarnsystem versagt

Logo der IWF International Monetary Fund (Foto: DW)
Die Finanzadresse macht den IWF wieder zur begehrten AdresseBild: DW

In der gegenwärtigen globalen Finanzkrise muss der IWF eine herausragende Rolle spielen, um Zahlungsbilanzkrisen einzuhegen sowie nationale Ökonomien und deren Finanzsysteme zu stabilisieren. Die Entscheidung, die IWF–Finanzausstattung zu verdoppeln, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dringend ist die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit und der Unabhängigkeit des IWF von direkten Einflussnahmen insbesondere durch die US-Regierung – in Erinnerung sind seine aus heutiger Sicht verfehlten Politiken in der Asienkrise Ende der 90er Jahre. Der IWF muss unter Beweis stellen, dass er zur Erneuerung seines wirtschaftspolitischen Leitbildes in der Lage ist und Beiträge dazu leisten kann, die Finanzmärkte der Zukunft zu stabilisieren. Es macht darüber hinaus Sinn, in den Weltregionen Organisationen mit makroökonomischen Kompetenzen und Wissen zur globalen Finanzstabilität zu stärken, wie derzeit in Ostasien zu beobachten ist, um Wettbewerb zu schaffen und die Aufgaben des IWF zu ergänzen.

Keine Alternative zum IWF

Wenn es um striktere und effektivere Koordination von Regulierungen der nationalen und internationalen Finanzmärkte geht, richten sich die Augen derzeit eher auf die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Aber es gibt keine Alternative zum IWF in den Feldern der makroökonomischen Überwachung der Weltwirtschaft und des Monitoring von Regeln zu den internationalen Kapitalflüssen. Hier muss der IWF gestärkt und gegenüber allen, den reichen wie den armen Mitgliederstaaten gleichermaßen, rechenschaftspflichtig werden. Zu diesem Zweck müssen die IWF–Länderberichte und –Assessments, die für alle Mitgliedsstaaten zwingend sein sollten, Kriterien öffentlicher Transparenz entsprechen. Nur so kann der IWF glaubwürdig, fair und unabhängig als globale Organisation handeln. Zudem sollten die Frühwarn- und Risikoabschätzungskapazitäten des IWF nachhaltig verbessert werden.

Auch bei der Weltbank tut Reform not

Sitz der Weltbank in Washington D.C. (Foto: dpa)
So schwerfällig wie ihr Äußeres ist die Weltbank hoffentlich nichtBild: picture-alliance/dpa

Die kürzlich von Weltbank–Chef Zoellick eingesetzte High Level Governance Commission, geleitet von Ernesto Zedillo, hat das Mandat, Vorschläge zur Modernisierung der Weltbank zu erarbeiten. Und Reformen sind notwendig, um die Weltbank zukunftsfähig zu machen. Ähnlich wie beim IWF geht es auch in der Weltbank um eine Veränderungen der Managementstrukturen. Die Interessen, Einflussnahmemöglichkeiten und Verantwortlichkeiten der Entwicklungs- und Schwellenländer müssen gestärkt werden, wenn die Weltbank auch im 21. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielen soll.

Gefährlichen Klimawandel vermeinden

In der vernetzten Welt von heute muss sich die Weltbank zudem stärker auf globale Agenden und die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter (wie Gesundheit, Wissen, Sicherung globaler Ökosysteme) konzentrieren, die immer mehr zur Grundlage nachhaltiger Wirtschaftsdynamik in den Entwicklungsländern werden. Auf der Tagesordnung steht vor allem die Entwicklung von Konzepten, um in den Entwicklungs- und Industrieländern sowie in der Weltwirtschaft insgesamt den Übergang von fossil basierten Wachstumsstrategien hin zu "low carbon -Ökonomien" rasch einzuleiten. Um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, muss die globale Ökonomie in den kommenden Dekaden dekarbonisiert werden. Dies ist eine globale Herkulesaufgabe. Die Weltbank könnte in diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen, wenn sie zur konzeptionellen Erneuerung bereit wäre.

Autor: Dirk Messner

Redaktion: Zhang Danhong