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Trauerfeier für "Opfer des blinden Hasses"

13. Juli 2009

Anfang Juli wurde im Dresdner Landgericht eine Ägypterin von einem Angeklagten erstochen. Der Fall sorgte vor allem in der islamischen Welt für zahlreiche Proteste. In Dresden fand nun eine Trauerfeier statt.

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Foto von Marwa El-Sherbiny in Dresden vor dem Rathaus (Foto: dpa)
Foto von Marwa El-Sherbiny in Dresden vor dem RathausBild: AP

Zum Zeichen ihrer Anteilnahme und ihres Respekts legten die rund 1500 Teilnehmer der Trauerfeier am Samstag (11.07.2009) weiße Rosen auf der Freitreppe vor dem Rathaus nieder. Auch der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering, der Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, und Ägyptens Botschafter Ramzy Ezzeldin Ramzy nahmen an dem Gedenken in der sächsischen Landeshauptstadt teil. Eingeladen hatten unter anderem der Ausländerrat Dresden und Studentenorganisationen. In mehreren deutschen Städten waren Mahnkundgebungen geplant.

Ramzy bezeichnete die Bluttat an der 31-jährigen Ägypterin im Dresdner Landgericht als "verbrecherische Einzeltat". Marwa El-Sherbini sei "Opfer des blinden Hasses und des Fanatismus" geworden. Der ägyptische Botschafter forderte eine schnellstmögliche Verurteilung des Täters. Er vertraue dabei auf die Bundesregierung, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werde.

Sorge um politische Folgen

Protestierende Ägypter halten Plakate in die Höhe (Foto: AP)
Trauer und Wut nach der Ermordung von Marwa El-SherbiniBild: AP

In einem Aufruf des Ausländerrates für die Trauerfeier hatte es geheißen: "Wir sind in Sorge um das Zusammenleben in unserer Stadt." Der Mord an Marwa El-Sherbini habe "politisch katastrophale Folgen, die über die Grenze Dresdens und Deutschlands hinauswirken und die Beziehungen zwischen den Nationen überschatten".

Die Tat hatte in ganz Deutschland und ebenfalls in der ägyptischen Heimat der Frau große Bestürzung ausgelöst. In Ägypten war es zu Protesten gekommen, weil das Verbrechen als Beleg für Islamfeindlichkeit im Westen gesehen wird.

Der Bundesregierung war vorgeworfen worden, die Bluttat ignoriert zu haben. Inzwischen verurteilte sie die tödliche Messerattacke als "abscheuliche Tat". Die zuvor zurückhaltende Reaktion wurde mit der zunächst unklaren Sachlage begründet.

Kanzlerin kondolierte Mubarak

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak am Rande des G8-Gipfels im italienischen L'Aquila ihre Anteilnahme aus. Die Kanzlerin habe dem Präsidenten versichert, dass die Justizbehörden "mit Hochdruck" an der Aufklärung des Falles arbeiteten, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier versicherte seinem ägyptischen Kollegen Ahmed Abul Gheit, es werde alles getan, um solche Verbrechen zu verhindern. "Wir stehen dafür ein, dass sich in Deutschland jeder ungeachtet seiner Herkunft, seiner Nationalität oder seines Glaubens sicher fühlt", schrieb Steinmeier.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, erklärte am Freitag nach einem Besuch bei dem schwer verletzten Ehemann der Getöteten in einer Dresdner Klinik, in Deutschland sei kein Platz für rassistisch oder religiös motivierte Gewalt. Bundesweit gedachten muslimische Gemeinden während der Freitagsgebete der Getöteten. Sie folgten damit einem Aufruf des Koordinationsrates der Muslime, der vier große islamische Organisationen in Deutschland vertritt.

Trauerzug für Marwa El-Sherbini in Alexandria (Foto: dpa)
Trauerzug für Marwa El-Sherbini in AlexandriaBild: dpa

Proteste in Ägypten und im Iran

Mehr als 1000 Menschen hatten sich am vergangenen Montag in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria dem Trauerzug für Marwa El-Sherbini angeschlossen. Alexandria ist die Heimatstadt der 31-jährigen Apothekerin. Ihre Beerdigung hatte Züge einer Protestdemonstration. Einige der Teilnehmer riefen "Nieder mit Deutschland!" und "Wir wollen Vergeltung".

Iranierinnen protestieren in Teheran mit Bildern der Getöteten (Foto: AP)
Aufgebrachte Iraner protestieren in TeheranBild: AP

In den ägyptischen Medien wurde der Fall kontrovers diskutiert. Während einige Stimmen verlangten, der Täter solle nicht als Mörder, sondern als "Terrorist" eingestuft werden, warnten andere Experten davor, den Fall aufzubauschen. Der Berliner Islamwissenschaftler Peter Heine sagte der "Bild"-Zeitung, die Wut in der ägyptischen Bevölkerung müsse "sehr ernst" genommen werden. Es bestehe die Gefahr, dass Hasspredigern die Situation in die Hände spiele.

Auch im Iran kam es zu Protesten. Wie ein Journalist berichtete, warfen Demonstranten Eier auf das Gebäude der deutschen Botschaft in der iranischen Hauptstadt Teheran. Dabei hätten sie "Tod für Deutschland und für das rassistische Europa" skandiert. Kanzlerin Angela Merkel wurde demnach als "Nazi" geschmäht.

Opfer hatte Anzeige wegen Beleidigung erstattet

Polizisten laufen am Mittwoch (01.07.2009) in das Landgericht in Dresden (Foto: dpa)
Polizisten laufen nach der Bluttat in das Landgericht in DresdenBild: AP

Die 31-jährige Marwa El-Sherbini war am 1. Juli während einer Berufungsverhandlung von dem Angeklagten mit einem Messer angegriffen worden und kurz darauf an ihren schweren Verletzungen gestorben. 18 Mal stach der aus Russland stammende Deutsche auf die Ägypterin ein und verletzte auch ihren Ehemann. Die Ermittler vermuten ausländerfeindliche Motive hinter der Tat. Der Mann wurde wegen Mordes festgenommen.

Die Muslimin hatte den 28-Jährigen ursprünglich angezeigt, weil er sie vor einem Jahr auf einem Spielplatz in Dresden als "Terroristin" und "Schlampe" beschimpft hatte. Sie hatte ihn gebeten, ihrem Sohn einen Platz auf einer Schaukel frei zu machen. Marwa El-Sherbini war Mutter eines dreijährigen Kindes und im dritten Monat schwanger. (kis/sams/dpa/afp/epd/ap)