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Subventionen wofür?

10. Juli 2009

Milliardensubventionen sollen die europäische Landwirtschaft stützen und den Verbraucher schützen. Letztendlich helfen die Geldströme aber nur einer kleinen Zielgruppe. Und das sind weder die Bauern noch die Bürger.

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Ein Mähdrescher erntet reife Wintergerste (Bild: AP)
Jeder zweite Euro des gesamten EU-Haushalts fließt in die LebensmittelproduktionBild: AP

Für jede Kuh auf der Weide zahlt der europäische Steuerzahler 2,50 Euro. Tag für Tag. Die Hälfte des gesamten EU-Haushalts wird benötigt, um die Landwirtschaft zu subventionieren, obwohl weniger als drei Prozent der Bevölkerung darin arbeiten. Zum Vergleich: In vielen afrikanischen Ländern leben bis zu 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft - ohne Subventionen.

Dementsprechend müsste es den europäischen Bauern so gut gehen wie nirgends sonst auf der Welt. Und auch die Verbraucher müssten zufrieden sein: Schließlich sollten die Subventionen, die sie über ihre Steuern finanzieren, eine ausreichende und gesunde Ernährung für alle sichern. Doch die Geldströme laufen anders. Nicht die kleinen bäuerlichen Betriebe profitieren am stärksten von den Subventionen, sondern die großen Agrarfabriken und die Konzerne, die Nahrungsmittel verarbeiten, verkaufen und vermarkten. So erhalten in der EU die 60 Prozent der kleinsten Landwirte nur zehn Prozent der gesamten Subventionen, die zwei Prozent der größten Betriebe dagegen ein Viertel.

Die Idylle trügt

Landwirt mit Kind auf dem Traktor
Das Ideal vom Leben und Arbeiten auf dem BauernhofBild: Urlaub auf dem Bauernhof in Bayern

Das Bild von den kleinen Familienbetrieben in der Landwirtschaft stimmt längst nicht mehr mit der Realität überein. Auch die gesunde Ernährung für die Bevölkerung, die ja eigentlich mit den Subventionen gesichert werden sollte, entspricht längst nicht mehr der Wirklichkeit, betont Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Er hat am Welt-Agrarbericht mitgearbeitet und kommt zu dem Schluss, dass die Verbraucher mit Milliarden-Beträgen von der Industrie zur Fehlernährung angeleitet werden: "Die ganze Werbung, die für Lebensmittel gemacht wird, ist im Grunde genommen Werbung für ungesunde Lebensmittel." Nicht zuletzt dadurch gebe es mittlerweile ebenso viele adipöse - also krankhaft fettleibige - Menschen auf der Welt, wie unterernährte.

Ein Blick auf die größten Subventionsempfänger verrät schnell warum, denn dies sind vor allem Agrarfabriken und die Lebensmittelindustrie. Während Zucker- und Milchkonzerne die Exportfördermittel für Landwirtschaftsprodukte einkassieren, kämpfen die kleinen Milchbauern ums Überleben. Trotzdem wird dem Verbraucher suggeriert, dass die Produkte, die er kauft, aus idyllischen Kleinbetrieben stammen.

Subventionen machen das Leben teurer

Frisch abgefüllte Milchpackungen in einer Molkerei (Bild: AP)
Produktionssteigerungen im FokusBild: AP

Diese Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion hat weitreichende Folgen. Man habe zu lange nur auf steigende Produktionszahlen geachtet, erläutert Susanne Gura, die an einem internationalen Bericht über Landwirtschaft und Klimawandel mitgewirkt hat. Stets sei es darum gegangen, den Legehennen mehr als 300 Eier im Jahr abzutrotzen und den Kühen mehr als 10.000 Liter Milch: "Durch die Industrialisierung wurde versucht, diese Zahlen immer weiter zu steigern, ohne die daraus erwachsenden Probleme zu beachten." Die Wissenschaftler verweisen dabei auf die "externalisierte Kosten", also solche, die auf die Gemeinschaft abgewälzt werden. Im Klartext: Die Umwelt- und Klimaschäden zahlt der Steuerbürger.

Machen Landwirtschaftssubventionen wenigstens das tägliche Leben der Verbraucher preiswerter? Eine britische Verbraucherorganisation hat schon vor Jahren untersucht, sich die Lebenshaltungskosten ohne öffentliche Fördermittel entwickeln würden. Die Rechnung führte zu dem überraschenden Ergebnis, dass eine vierköpfige Familie für subventionierte Lebensmittel rund hundert Euro im Monat zusätzlich bezahlen muss.

Wie Märkte zerstört werden

Baumwoll-Bauer im Sudan überprüft die Qualität der Ernte (Bild: AP)
Sudanesischer Baumwollpflanzer: Keine Chance auf dem Weltmarkt?Bild: dpa

In den USA erhalten 60 Prozent der Farmer gar nichts vom Staat, doch die reichsten 10 Prozent der Landwirte streichen 72 Prozent der öffentlichen Zuschüsse ein. Damit ist es in Europa und in den USA nahezu gleichgültig, welchen Ertrag die Felder abwerfen: Das meiste Geld wird mit den Fördergeldern verdient, nicht mit der Ernte.

Subventionen führen zwangsläufig zu Überschussproduktionen, die auf dem Weltmarkt die Preise drücken. Mit drastischen Folgen etwa für die afrikanischen Baumwoll-Bauern. Die USA haben in den Jahren 2001/2002 rund vier Milliarden Dollar an ihre Baumwoll-Bauern gezahlt, das ist mehr, als die gesamte Ernte auf dem Weltmarkt einbrachte. Und allein deshalb haben Baumwoll-Bauern in Afrika nach Expertenschätzungen Verluste von mehr als 250 Millionen Dollar im Jahr gemacht, was Millionen von ihnen in den Ruin trieb.

Beginnt das Umdenken?

Wenn die Subventionen abgeschafft würden, könnte Afrika 75 Prozent mehr Baumwolle exportieren, schätzt die Afrika-Kommission und verweist dabei auf Zahlen der Weltbank. Zum Glück, so der Chef des UN-Umweltprogramms Achim Steiner, scheine sich langsam eine Änderung bei den Agrarsubventionen durchzusetzen: "Es ist sicherlich Konsens unter den meisten Umweltministern, dass eine Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft nicht einfach eine Weiterentwicklung des Modells des 20. Jahrhunderts sein kann. Auch in der EU ist eine andere Maxime nicht nur in der Diskussion, sondern auch in der anfänglichen Umsetzung.“

Es sind jedoch nicht die Umweltminister, die über die Subventionen entscheiden, sondern die Agrar-, Finanz- und Wirtschaftsminister sowie die starken Lobbys. Bis der globalisierte Agrarmarkt wirklich so frei ist, wie es von den Industrienationen immer wieder in den WTO-Verhandlungen propagiert wird, werden weiterhin alle für die Subventionspolitik teuer zahlen müssen: Die Verbraucher in den Subventionsstaaten und die Kleinbauern in der Dritten Welt.

Autorin: Helle Jeppesen

Redaktion: Rolf Breuch