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Mit dem Öko-Trend aus der Armutsfalle

28. Juli 2009

Teresa Rodriguez ist in einer der ärmsten Regionen Ecuadors aufgewachsen. Lesen und Schreiben hat die 48-Jährige nie gelernt. Dennoch hat sie es geschafft, gemeinsam mit anderen Frauen einen Ökomarkt aufzubauen.

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Die Ecuadorianerin Teresa Rodriguez erntet Getreide. Copyright: Constanze Bandowski
Die Ecuadorianerin Teresa Rodriguez erntet GetreideBild: Constanze Bandowski

Mit einem zufriedenen Lächeln blickt Teresa Rodriguez auf die Marktstände. Unter den leuchtend gelben Zeltdächern präsentiert sie die Ware der Mitglieder des Verbandes: Knackige Salate, frisches Gemüse, saftiges Obst, Vollkornbrot, Hähnchen, Eier und vieles mehr. Seitdem die Bäuerinnen der umliegenden Dörfer gemeinsam vermarkten, sind ihre Einnahmen kontinuierlich gestiegen.

Zwei Mal in der Woche verkaufen sie ihre Produkte auf dem Öko-Markt. In der Großstadt Ambato beliefern sie direkt ein Biogeschäft. Hinzu kommen einige Restaurants, die Wert auf gute Qualität legen. Zurzeit laufen Verhandlungen mit einer Exportfirma für Tiefkühlkost. "Dafür müssen wir aber größere Mengen liefern können", sagt Teresa Rodriguez, die in ihrem Ehrenamt ständig um neue Mitglieder unter den gut 1700 Familien von San Andrés wirbt. "Das ist alles viel Arbeit", sagt sie, aber es lohne sich. "Wir sind sehr stolz, dass wir unsere Felder so gut bestellen", fügt sie noch hinzu. "Hoffentlich werden alle mitziehen, denn wir wollen vorankommen!"

Die Arbeit ist hart, doch die Lebensqualität verbessert sich ständig


Teresa Rodriguez gehört zur indigenen Bevölkerung Lateinamerikas. Ihre Muttersprache ist Ketschua. Sie lebt in San Andrés, einem Millenniumsdorf der Welthungerhilfe im kargen und sehr trockenen Anden-Hochland. Hier hat sie sich zu einer der wichtigsten Wortführerinnen entwickelt. Drei Hektar Land bewirtschaftet sie in Eigenregie. Ihr Ehemann arbeitet weit weg im Amazonasgebiet bei einer Erdölfirma, wie die meisten der Männer aus dem Dorf.

Typische indigene Hütte im Andenhochland Ecuadors. Foto: Erwin Patzelt dpa
Das Andenhochland gehört zu den ärmsten Regionen EcuadorsBild: picture-alliance/dpa

Der Tag der 48-Jährigen beginnt um vier Uhr morgens. Sie melkt dann zunächst die Kühe, schneidet Viehfutter und stapelt Feuerholz. Eine Kraft raubende Tätigkeit ist das Dreschen des Hafers. Mit einem dicken Ast schlägt sie auf das Getreide. Das Stroh bekommen die Tiere, die Körner verkauft sie auf dem Markt für 60 Dollar den Zentner. Die Kartoffelernte bringt pro Markttag etwa fünf Dollar. 16 Stunden Arbeit pro Tag sind für viele Frauen üblich. Zusätzlich hat Teresa Rodriguez noch ein Ehrenamt übernommen. Sie ist Präsidentin des Öko-Bauernverbandes FOCCAP (Federación de Organizaciones Campesinas de la Parroquia San Andrés) und damit für den reibungslosen Ablauf eines Ökomarktes in der nahen Kreisstadt Píllaro zuständig. Eine Aufgabe, die sie aus gutem Grund übernommen hat.


Mit Spitzhacken bauten die Frauen eine bessere Wasserversorgung


In den 1990er Jahren nahm die Trockenheit durch das El Nino Wetter-Phänomen immer weiter zu. Doch das Bewässerungssystem, das die Regierung den Bauern schon seit 30 Jahren immer wieder versprochen hatte, wurde nie umgesetzt. Damals waren die Frauen der Ketschua-Gemeinde noch schüchtern, wortkarg, demütig. "Wir fragten uns damals: Warum haben wir kein Wasser? Warum müssen unsere Kinder hungern? Warum müssen unsere Männer weit weg arbeiten? Was können wir tun," erinnert sich Rodriguez.


In ihrer Not schlossen sich die Frauen aus San Andrés zusammen. 1994 gründeten sie den Öko-Bauernverband. Die erste Aktion: Die Frauen griffen zu Spitzhacke und Spaten und gruben einen gut 17 Kilometer langen Kanal, um das Wasser von den Turbinen eines entfernten Kraftwerks zu ihren Feldern zu leiten. Behörden, Verbände und Kraftwerksbetreiber verweigerten ihre Unterstützung, bis die unabhängige Entwicklungsorganisation CESA (Central Ecuatoriana de Servicios Agrícolas) ins Spiel kam und damit die Deutsche Welthungerhilfe.


Wasser steigert die Erträge und damit die Lebensqualität


Zwei Mädchen ernten Mais.
Alle ziehen mit: Maisernte in San Andres, einem von 15 Millenniumsdörfern der WelthungerhilfeBild: Thomas Lohnes/Welthungerhilfe

Inzwischen ist der Hauptkanal betoniert. 23 Reservoirs speichern das Wasser oberhalb der Gemeinde, um es mit einem ausgefeilten Nutzungsplan gerecht zu verteilen. Doch momentan fließt das Trinkwasser nur einmal pro Woche in jeden Haushalt. Die Verhandlungen für mehr Wasser laufen auf Hochtouren. Wenn es endlich ausreichend Wasser gibt, können die Bäuerinnen den Ertrag ihrer eigentlich fruchtbaren Felder noch weiter steigern.


Die Lebensumstände haben sich in den letzten Jahren bereits deutlich verbessert: Viel mehr Kinder bekommen eine bessere Bildung. So auch Teresa Rodriguez' Töchter. Die achtjährige Estela geht zur Schule, die Mittlere hat Abitur gemacht und arbeitet jetzt in Quito bei einem Computerverleih. Und beide Kinder von Gloria, ihrer Ältesten sind gesund und munter. Teresa Rodriguez hat selbst zwei Säuglinge verloren, aber inzwischen ist die Säuglingssterblichkeit durch Schwangerschaftsvorsorge und bessere Ernährung deutlich gesunken.

Ohne internationale Hilfsorganisationen wäre alles noch viel schwieriger, ist sie sich sicher. Die internationalen Organisationen unterstützen die Menschen in der Region. Die Welthungerhilfe beispielsweise schulte die Bauern in ökologischer Landwirtschaft und der Vermarktung ihrer Öko-Produkte. Wenn sie erst mehr Wasser zur Verfügung haben, so hofft Teresa Rodriguez, wird die ganze Familie von der Landwirtschaft leben können. Dann kann auch endlich ihr Mann nach Hause kommen.

Autorinnen: Constanze Bandowski, Silke Oppermann
Redaktion: Wolfgang Dick