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Ausgangssperre in der Uiguren-Region

7. Juli 2009

Die westchinesische Region Xinjiang kommt nicht zur Ruhe. In der Stadt Urumqi gingen Uiguren und Han-Chinesen mit Schlagstöcken aufeinander los. Das Chaos soll nun mit einer nächtlichen Ausgangssperre eingedämmt werden.

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Eine Uiguren-Frau protestiert vor Polizisten (Foto: AP)
Bild: AP

Trotz eines massiven Polizeiaufgebots und zahlreicher Verhaftungen gingen die Unruhen in der westchinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang auch am Dienstag (07.07.2009) weiter. Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas gegen Han-Chinesen und Uiguren vor, die einander mit Steinen bewarfen. Tausende Chinesen, die zum Teil mit Messern und Eisenstangen bewaffnet waren, griffen am Dienstagnachmittag Geschäfte von Uiguren an und durchbrachen dabei eine Polizeikette, die die Volksgruppen auseinanderhalten sollte.

Mit einem nächtlichen Ausgehverbot versuchen die Behörden nun, der Lage Herr zu werden. Damit solle "weiteres Chaos vermieden" werden, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den Chef der Kommunistischen Partei in Xinjiang, Wang Lequan. Demnach müssen die Bewohner in der gesamten Provinz von 21.00 Uhr abends Ortszeit bis zum nächsten Morgen 08.00 Uhr in ihren Häusern bleiben.

"Jetzt schlagen wir zurück"

Eine Gruppe mit Stöcken und Helmen bewaffneter Chinesen(Foto: AP)
Die Bürgerwehr der Han-Chinesen will gegen Übergriffe der Uiguren vorgehenBild: AP

"Greift die Uiguren an", riefen Chinesen während der gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der muslimischen und turksprachigen Bevölkerungsgruppe, die rund die Hälfte der 20 Millionen Einwohner der Provinz stellt. "Sie haben uns angegriffen, jetzt schlagen wir zurück", rief ein Mann. Andere stimmten die chinesische Nationalhymne an. Xinhua berichtete, viele Menschen seien in Panik durch die Stadt gerannt. Zahlreiche Menschen hätten im zentralen Krankenhaus der Provinzhauptstadt Zuflucht gesucht.

Zuvor hatten sich am Dienstag in der Provinzhauptstadt Urumqi mehrere hundert Uiguren, zumeist Frauen, versammelt. Sie forderten die Freilassung ihrer festgenommenen Männer und Kinder. Nach Korrespondentenberichten kam es auch dabei zu heftigen Zusammenstößen mit Sondereinheiten der Polizei, die die Menge mit Gewalt zurückdrängte.

Schwer bewaffnete Polizisten stehen einer Menschenmenge gegenüber ( Foto. AP)
Bild: AP

156 Tote und mehr als 1000 Verletzte

Seit Beginn der Unruhen ist das Polizeiaufgebot in Urumqi massiv verstärkt worden. Sondereinheiten der Polizei haben den zentralen Platz der Stadt abgeriegelt. Sie patrouillieren mit Schutzschilden, Schlagstöcken und Gewehren. Das Mobilfunknetz wurde lahmgelegt und der Nachrichten-Dienst Twitter blockiert. Internetverbindungen funktionierten nicht oder nur langsam.

Die Uiguren hatten sich am Sonntag in Urumqi Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, Steine auf Sicherheitskräfte geworfen und Autos in Brand gesetzt. Dabei war es auch zu Übergriffen auf Unbeteiligte gekommen, darunter Han-Chinesen.

Karte der westchinesischen Provinz Xinjiang mit Provinzhauptstadt Urumqi (Quelle: DW/Olof Pock)um: 06.07.2009

Nach offiziellen Angaben kamen 156 Menschen ums Leben, mehr als 1000 wurden verletzt. Laut Xinhua wurden 1434 Menschen für ihre mutmaßliche Rolle in den schweren Ausschreitungen festgenommen, darunter 55 Frauen. Die Polizei habe damit begonnen, die Verdächtigen zu verhören.

Auslöser war ein Gerücht über eine Vergewaltigung

Die Unruhen hatten sich am Sonntag nach einer zunächst friedlichen Demonstration begonnen, mit der die Uiguren ihrer Forderung nach Aufklärung eines Vorfalls von Ende Juni öffentlich Nachdruck verleihen wollten.

Damals war es in einer Spielzeugfabrik in der südchinesischen Provinz Guangdong zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen han-chinesischen und uigurischen Arbeitern gekommen. Zwei Uiguren waren dabei getötet worden. Zuvor war im Internet ein Gerücht verbreitet worden, wonach Uiguren chinesische Arbeiterinnen vergewaltigt haben sollen.

Viele Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren, die hauptsächlich in der Region Xinjinag leben, fühlen sich gegenüber den Han-Chinesen sozial und wirtschaftlich benachteiligt.

Uiguren-Frauen bedrängen einen Polizisten (Foto: AP)
Uiguren-Frauen fordern die Freilassung ihrer AngehörigenBild: AP

Merkel will Hu beim G8-Gipfel auf Unruhen ansprechen

Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Rande des G8-Gipfels im italienischen L'Aquila bei einem Treffen mit Chinas Präsident Hu Jintao über die Lage in Xinjiang sprechen. Es gehe darum, die Gewalt einzudämmen und auf eine friedliche Lösung zu setzen, sagte Merkel in Berlin. Deutschland unterstütze die "Ein-China-Politik". Gleichzeitig müsse es aber möglich sein, die Rechte der Minderheiten zu gewährleisten.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, forderte die chinesischen Behörden zum Gewaltverzicht auf. Die Behauptung der Regierung in Peking, die Proteste der muslimischen Minderheit im Nordwesten Chinas würden von außen gesteuert, sei unglaubwürdig, sagte Nooke.

Warnung vor Kreislauf von Gewalt und Vergeltung

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay äußerte sich besorgt über die hohe Zahl der Toten. Sie forderte die Behörden auf, die genauen Todesumstände bekanntzugeben, um keinen Kreislauf von Gewalt und Vergeltung enstehen zu lassen.

Die im Exil lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer forderte eine internationale Untersuchung der Vorfälle. "Wir hoffen, dass die UNO, die USA und die EU Ermittler schicken, um zu untersuchen, was wirklich in Xinjiang passiert ist", sagte Kadeer in Washington. Die chinesische Regierung wirft der Chefin des Uigurischen Weltkongresses vor, die Ausschreitungen angezettelt zu haben. Die Uiguren machen dagegen die chinesische Seite für die Gewalt verantwortlich. (kis/sams/uh/wa/afp/epd/dpa/rtr)