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RAF-Thriller

25. Juni 2009

Wie fühlen die Opfer des Terrors? Um diese Frage haben sich in der Vergangenheit viele Regisseure gedrückt. Connie Walther stellt in ihrem Film "Schattenwelt" die Tochter eines RAF-Opfers in den Mittelpunkt.

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Filmszene: Franziska Petri (Foto: Salzgeber Filmverleih)
Tochter eines RAF-Opfers: Valerie (Franziska Petri) in "Schattenwelt"Bild: Salzburger Filmverleih

"Deutschland im Herbst", "Die bleierne Zeit" oder "Die dritte Generation", das waren in den 1970er Jahren Kinofilme, die den deutschen Terrorismus thematisieren. Werke, die zeigen, was vor allem die Mitglieder der RAF (Rote Armee Fraktion) damals antrieb. Warum sie gegen den Staat kämpften und welchen vermeintlichen Idealen sie rücksichtslos folgten. Inzwischen hat sich fast eine Art Mythos um ehemalige Terroristen wie Ulrike Meinhof, Andreas Baader oder Gudrun Ensslin gebildet. Anders ist es kaum zu erklären, warum auch Anfang des 21. Jahrhunderts das Interesse der Filmemacher daran nicht abbricht.

Im Jahre 2002 zum Beispiel drehte Christopher Roth das Porträt "Baader", und 2008 produzierte Bernd Eichinger den Film "Der Baader-Meinhof-Komplex", der in diesem Jahr sogar für den Oscar nominiert war. All diese Filme haben eine große Gemeinsamkeit: Sie erzählen ihre Geschichten ausschließlich aus der Täter-Perspektive. Mit dem Film "Schattenwelt" hingegen, der jetzt in die deutschen Kinos kommt, bricht die Regisseurin Connie Walther mit dieser Tradition. Sie schildert, wie ein Ex-Terrorist aus dem Gefängnis kommt und wie ihn ein Opfer mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Bernd Sobolla hat mit Connie Walther über "Schattenwelt" gesprochen.

Connie Walther (Salzgeber)
Regisseurin Connie WaltherBild: Salzburger Filmverleih

DW-WORLD.DE: Connie Walther, wie kamen Sie auf die Idee zu "Schattenwelt"? War es eine Reaktion auf die Terroristen-Filme, die in letzter Zeit produziert wurden oder eher eine Reaktion auf die Diskussionen um die Freilassung des Ex-Terroristen Christian Klar?

Connie Walther: Wenn das so wäre, wären wir in einer glücklichen Situation gewesen. Dann hätten wir den Film innerhalb kürzester Zeit produziert. Aber wir haben fast zehn Jahre gebraucht, um diesen Film zu machen. Das heißt, diese Idee gab es schon sehr, sehr lange. Lange vor all diesen Aufregungen, die sie aufführen. Der Autor Uli Herrmann hatte in Freiburg den Ex-Terroristen Peter-Jürgen Boock kennen gelernt und viele Gespräche mit ihm geführt. Dann hat er sich hingesetzt und eine erste Drehbuchfassung geschrieben. Und dann bin ich eingestiegen.

Filmszene: Franziska Petri und Ulrich Noethen (Salzgeber)
Opfer und Täter: Franziska Petri und Ulrich NoethenBild: Salzburger Filmverleih

Sie wurden 1962 geboren. Was haben Sie für Erinnerungen an den Deutschen Herbst?

Als die ersten Sachen Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre passierten, habe ich das im Prinzip als Kind mitgekriegt. Aber als Jugendliche war es schon anders. In meinem schulischen Umfeld und bei Freunden war die RAF, vor allem die erste Generation, schon ein großer Begriff. Ich erinnere mich an diese Terrorplakate, das waren für uns auf eine bestimmte Art Vorbilder. Das hat sich dann im Laufe der Ereignisse und im Laufe der Radikalisierung natürlich sehr stark verändert. Aber es war schon so, dass man verstanden hat, warum die RAF entstanden ist und warum sie versucht hat, die Gesellschaft zu verändern.

Mit Ihrem Film kommen erstmals die Opfer in den Vordergrund.

Im Prinzip ist das der Kern der Geschichte. Denn auf der einen Seite gibt es diese prominenten Täter. Irgendwann kommen die raus, wenn sie ihre Strafe abgesessen haben und sind jemand. Sie sind immer noch "prominent". Das ist das eine. Aber sie können ihrer Geschichte nicht entkommen. Und wie geht es den Opfern? Die können unter Umständen ihrer Geschichte noch weniger entkommen. So ist auch die Figur der Valerie angelegt: Als kleines Mädchen hat sie erlebt, wie ihr Vater ermordet wurde. Sie war aber zu klein, um das alles zu verstehen. Und von diesem Ereignis ist sie noch immer traumatisiert. Abgesehen davon war ihr Vater ein "nicht gewolltes" Opfer. Sie ist ja die Tochter eines Angestellten. Und diese Fahrer, Mitarbeiter, Sicherheitsleute der mächtigen Bosse, die wurden ja zum Teil noch nicht mal namentlich genannt. Folglich hatten ihre Angehörigen wenige Möglichkeiten, ihrem Leid und ihrer Trauer Raum zu geben. Es gab kaum eine öffentliche Wahrnehmung.

Filmplakat mit den beiden Hauptdarstellern (Salzgeber)
Filmplakat "Schattenwelt"Bild: Salzburger Filmverleih

Was sollte dieser Film im Idealfall in der öffentlichen Diskussion bewirken?

Ich finde es wichtig, dass man genau hinguckt. Diese ganze Aufregung, die es gerade um die Begnadigung von Christian Klar gab, das hatte so was Reißerisches. Es ist vielleicht schwer, sich vorzustellen, wie ein Mensch eine solche Haftzeit übersteht. Wie verhärtet er ist, oder warum der sich nicht so verhält, wie es sich die Öffentlichkeit wünscht. Man muss auch diesen Menschen einen Raum geben. Dazu gehört, dass die sich äußern können. Das ist für mich auch das Prinzip einer Haftstrafe, die darauf abzielt, dass man Menschen resozialisieren kann. Die Angehörigen der Opfer wiederum haben meist gar nicht die Kraft, sich so einer Auseinandersetzung zu stellen. Und dafür gibt es "Schattenwelt". Ich hoffe, dass durch diesen Film das Nachdenken gefördert wird, dass man genauer hinguckt.

Das Gespräch führte Bernd Sobolla

Redaktion: Jochen Kürten