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Nachrichtenblockade

24. Juni 2009

Ausländische Journalisten werden aus dem Iran ausgewiesen. Welchen Informationen kann man noch vertrauen? Ein Gespräch mit Eskandar Abadi aus der iranischen Redaktion von DW-Radio.

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Porträt Eskandar Abadi
Eskandar AbadiBild: DW / Khodabakhsh

DW-WORLD.DE: Woher bekommen Sie Ihre Informationen, um über das zu berichten, was im Iran passiert?

Eskandar Abadi: Telefonisch. Wir haben dort Kontakte, private und offizielle von so genannten meinungsbildenden Persönlichkeiten. Wir können von Glück im Unglück sprechen, dass die Diktatur im Iran nicht so systematisch ist, das heißt, wenn sie dort Handys oder Telefone blockieren, dann machen sie das wie und wo sie können aber nicht ständig und rund um die Uhr. Unser Programm wird im Iran auch manchmal gestört, aber nicht immer.

Soll heißen, Ihre Informanten werden auch abgehört?

Wenn wir Festnetznummern anrufen, ja. Deshalb vermeiden wir das, solange es geht, aber wenn es nicht anders möglich ist, dann versuchen wir es so zu drehen, dass wir wenig Schaden anrichten.

Wie nah dran sind denn Ihre Informanten – waren sie bei den Protesten oder bekommen sie ihre Informationen zum Beispiel nur aus dem iranischen Fernsehen?

Nein, nicht nur aus dem Fernsehen. Wir haben unterschiedliche Informanten, Politiker, Journalisten, Menschen, die sozusagen systemintern arbeiten, aber auch einfache Bürgerinnen und Bürger.

Und Sie können diesen Informationen vertrauen?

Ja, weil wir ja nicht erst seit kurzem mit den Informanten arbeiten sondern seit Jahren, und weil alle bei uns in der Redaktion schon lange als Journalisten arbeiten, wir sind erfahren und ein gutes Team.

Ist denn die Situation im Iran nach Ihren Informationen genauso dramatisch, wie man es in den vergangenen Tagen in vielen westeuropäischen Medien lesen und hören konnte?

Ja, das bezeugen auch unsere Informanten. Zum Beispiel durch die Sicherheitskräfte, die sich Freiwillige nennen. Das sind Leute, die einfach gegen die Demonstranten auf die Straße gehen mit irgendeinem Schlagstock oder einer Waffe und die massiv von der Regierung unterstützt werden. Und wir fragen uns natürlich auch: wenn die Machthaber nichts zu verheimlichen haben, warum zensieren sie dann und behindern die Arbeit der Journalisten?

Wie gehen sie denn in der Redaktion mit Videos aus dem Iran um, Handyfilme zum Beispiel, die man sich auf Youtube ansehen kann?

Wir haben eine lange tägliche Konferenz und da besprechen wir diese Videos, ob sie echt sind und…

…wie entscheiden Sie das denn?

Wir kommen ja alle aus dem Iran und haben immer die Nachrichten verfolgt und haben gute Gedächtnisse, das hilft uns sehr. Wir haben hier Leute, die die Geschichte der Revolution inwendig kennen und auch verfolgt haben, was im Internet geschehen ist und was als Video raus gekommen ist, das ist schon mal eine Hilfe. Und wir haben Techniker, die anhand von bestimmten Indizien zum Beispiel merken, ob die Stadt in dem Video so aussieht, wie sie heute aussieht und so weiter. Das sind Leute, die erst vor kurzem aus dem Iran gekommen sind. Und generell müssen wir eben alles gut prüfen, wir dürfen nicht einfach ein Video verbreiten, von dem wir nicht wissen, wie es einzuschätzen ist.

Was halten Sie von dem Video über die junge Frau Neda, das es zu trauriger Berühmtheit gebracht hat und durch das sie jetzt zu einer Art Märtyrerin stilisiert wird?

Es ist leider Gottes echt, wir haben die Sache von Anfang an verfolgt so weit wir konnten und darüber berichtet, ohne darüber zu spekulieren. Es hat die Protestbewegung motiviert, es sind Seiten für sie im Internet entstanden und auf einer Demonstration in Köln zum Beispiel wurden drei Gedichte über sie vorgetragen. Und ich glaube, dass sie zu einem Symbol dieses Widerstands geworden ist.

Was wird mit der Protestbewegung passieren, wie schätzen Sie das ein?

Ich glaube, die Regierung kann nicht zu der Zeit vor der Wahl zurückkehren. Die Gesellschaft im Iran hat sich gespalten. Was heimlich längst da war, ist jetzt entlarvt worden, das heißt, es gibt zwei Lager im Iran, ein bürgerliches und ein konservatives und die kann man nicht mehr so einfach zusammenbringen. Also, für die Demos sehe ich ein bisschen schwarz. Ich glaube, dass die Menschen immer weniger auf die Straße gehen werden, weil es lebensgefährlich ist. Was mir aber Hoffnung macht ist, dass die Regierung in eine Sackgasse geraten ist. Es gibt ernsthafte Kräfte - zum Beispiel der ehemalige Präsident Haschemi Rafsandschani - die unter anderem diesem System der Freiwilligen ein Ende machen wollen, die wann sie wollen auf die Straße gehen und Leute verhaften und so weiter. Und das sind schon gute Zeichen.

Das Gespräch führte Marlis Schaum

Redaktion: Sabine Oelze