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Kleinbauern contra Konzerne

5. Juli 2009

Ein bisschen Land zum Gemüseanbau - das ist oft alles, was Kleinbauern in Kambodscha besitzen. Aber an genau diesem Besitz haben jetzt auch Investoren aus dem In- und Ausland Interesse. Denn sie wittern gute Geschäfte.

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Plantage in Kambodscha (Foto: DW/Thomas Kruchem)
Während ein paar hundert Meter weiter gerodet wird, stehen die jungen Gummibäume schon bereitBild: Thomas Kruchem

Das Dorf Meanchey im Nordosten Kambodschas liegt am Ende einer zehn Kilometer langen Erdstraße. Schmucke ziegelgedeckte Holzhäuser auf Stelzen, gebettet in sattes Grün aus Bananenstauden, Palmen und Laubbäumen, sind zu sehen; da und dort kleine Reis-, Süßkartoffel- und Kassavafelder. Fette Schweine suhlen sich im Schlamm, geneckt von einfach, aber ordentlich gekleideten Kindern – während die meisten Erwachsenen Siesta halten.

"Wir Ureinwohner vom Volk der Steang leben seit Jahrhunderten in und von diesem Wald", sagt Saroen Kreth. In der Stimme des Dorfältesten klingt ein bitterer Unterton mit. "Wir betreiben Wanderfeldbau, sammeln Früchte, Pilze und Rattan." Dann führt Saroen den Besucher einige hundert Meter weg von den Häusern – dorthin, wo urplötzlich der Wald endet und unter gleißender Sonne eine Wüste frisch gerodeten rot-braunen Erdreichs auftaucht. Mehrere gelbe Bulldozer sind zu sehen, die sich immer tiefer in den Wald hinein fressen.


Bulldozer (Foto: DW/Thomas Kruchem)
Bulldozer der Firma CVI in der Nähe des Dorfes MeancheyBild: Thomas Kruchem

Plattgewalzt ohne Vorwarnung

"Im Juli 2008 tauchten plötzlich diese Bulldozer einer Firma namens CVI hier auf und begannen, den Wald, den wir seit Generationen nutzen, zu roden", berichtet der alte Mann. "Auch mehrere unserer Kassava- und Reisfelder zerstörten sie; und dann pflanzten Arbeiter überall Gummibäume." Als die Bauern bei den Behörden protestierten, kamen schließlich – so Saroen weiter – der Distrikts-Gouverneur und ein CVI-Manager nach Meanchey. Die Firma sei hier, um die Armut der Menschen zu bekämpfen, sie wolle die Gegend entwickeln und Arbeitsplätze schaffen, hätten die beiden argumentiert. Dass die Steang von Meanchey nicht als "Sklaven", wie es Saroen empfindet, auf einer Gummibaum-Plantage arbeiten, sondern wie ihre Vorfahren im Wald leben wollen, habe den Gouverneur und den Manager nicht interessiert.

Was der Dorfälteste schildert, ist heute Alltag in Kambodscha. Das Land, Grund und Boden, ist interessant geworden für Investoren, die davon profitieren, dass die meisten Kleinbauern keine Eigentumstitel vorweisen können. Die Investoren erwerben nun im großen Stil "wirtschaftliche Landkonzessionen" und okkupieren die Flächen – ohne Rücksicht auf betroffene Kleinbauern. Dabei müsste eigentlich vor der Vergabe von Konzessionen mit der betroffenen Bevölkerung verhandelt werden – sagt das Gesetz; Eigentumsansprüche seien zu respektieren, angemessene Entschädigungen zu zahlen. Doch niemand setzt das Gesetz durch, und die Vertreibungen von Kleinbauern in Kambodscha könnten in den nächsten Jahren neue Dimensionen erreichen.


Landraub in Kambodscha
Reiche Produktpalette - die Erzeugnisse - zum Beispiel Blätter und Holz - sind sehr begehrtBild: Thomas Kruchem

Auch das Ausland wittert gute Geschäfte

Neuerdings nämlich interessieren sich auch immer mehr ausländische Investoren für die fruchtbaren Böden des Landes, wo auf der Fläche Deutschlands nur 14 Millionen Menschen leben. Zu den neuen Investoren zählen die Scheichtümer Kuwait und Katar, die in Kambodscha Reis für ihren Bedarf anbauen wollen. Die Scheichtümer haben im Gegenzug eine Milliarde Dollar an Krediten für Bewässerungsanlagen zugesagt; sie bekommen, wie kambodschanische Medien berichten, zunächst 200.000 Hektar Ackerland für 99 Jahre.

Inzwischen hat die Summe wirtschaftlicher Landkonzessionen in Kambodscha zwei Millionen Hektar erreicht; bei einer bewirtschafteten Fläche von insgesamt weniger als drei Millionen Hektar – schätzt Yang Saing Koma, Chef der landwirtschaftlichen Entwicklungsorganisation CEDAC. Und mindestens die Hälfte der Konzessionen befinde sich de facto in den Händen von Ausländern. Koma leugnet nicht, dass Großinvestoren die Erträge von Agrarflächen erhöhen, Devisen ins Land bringen sowie zum Ausbau ländlicher Infrastruktur und zur Entwicklung einer Nahrungsmittel verarbeitenden Industrie beitragen können. Von größerer Bedeutung jedoch seien die Gefahren für das soziale Gefüge im ländlichen Kambodscha.


Was bleibt der jungen Generation?

Landraub in Kambodscha
In existentieller Gefahr - Junge Familien wie diese könnten demnächst aus Meanchey vertrieben werdenBild: Thomas Kruchem

"Wenn bei uns ausländische Firmen, im großen Stil Land erwerben und Plantagen anlegen, dann schürt das die Landspekulation", meint Koma. "Und kleine Bauern geraten noch stärker unter Druck zu verkaufen" – während zugleich die ländliche Bevölkerung weiter wachse. "Schon heute wissen wir nicht, wo wir das Land hernehmen sollen für die Kinder unserer Bauern, für die nächste Generation." In Kambodscha, wo es einen Rechtsstaat nur auf dem Papier gebe und die Starken den Schwachen seit Jahren Land wegnähmen, würden auch ausländische Großgrundbesitzer rücksichtslos handeln, fürchtet der Agrarexperte.


Selbstverbrennung aus Verzeiflung

Viele kambodschanische Bauern sind bereits in die Hauptstadt Phnom Penh marschiertgezogen und haben vor dem Parlament demonstriert; einige haben sich vor dem Präsidentenpalast verbrannt. Auch die Menschen in Meanchey haben gegen die Landnahme protestiert und fanden sich dann doch nur – wie so viele ihrer Schicksalsgefährten – in den Mühlen der Justiz, berichtet der Dorfälteste. "

Landraub in Kambodscha
Vernichteter Lebensraum - So sieht eine vom Wald "befreite" Fläche ausBild: Thomas Kruchem

Am 4. Oktober 2008 gingen 300 Männer, Frauen und Kinder aus unserem Dorf in den Wald und legten sich vor die Bulldozer", erzählt er. "Noch am selben Tag erstattete die Firma Strafanzeige gegen vier von uns – wegen Nötigung, Raubes und Sachbeschädigung." Die Bauern hätten ein Zelt der Bauarbeiter geplündert und niedergerissen, spezifizierte später ein Richter die Vorwürfe. Am Nachmittag nach dem ersten Gerichtstermin kamen dann mehrere Polizisten nach Meanchey. "Da", sagt Saroen Kreth bitter lächelnd, "versteckten wir uns sicherheitshalber im Wald."

In Meanchey wollen die Ureinwohner vom Volk der Steang weiter kämpfen um ihren Wald. Ihre Chancen, den Kampf zu gewinnen, sind jedoch gering. Hunderttausende kambodschanische Kleinbauern wurden in den letzten Jahren vertrieben, sie strandeten in den Elendsvierteln Phnom Penhs, überlebten mit Jobs in der Textil- und Bauindustrie - also genau in den Branchen, die jetzt -in der Krise - Zehntausende Arbeitskräfte entlassen.

Autor: Thomas Kruchem
Redaktion: Esther Broders