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Bildung stockt

13. Juni 2009

Rumänien hat bei der Pisa-Studie 2006 schlecht abgeschnitten: Das osteuropäische Land landete auf dem vorletzten Platz – nur Montenegro lag noch hinter ihm. Das unterfinanzierte Schulsystem soll Schuld haben.

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Schüler und Schülerinnen schreiben eine Klassenarbeit (Foto: dpa)
Viele europäische Länder waren geschockt über den Ausgang der PISA-StudieBild: picture-alliance/ dpa

Das Bildungssystem in Rumänien gleicht einem Schlachtfeld. Denn in den vergangenen zwanzig Jahren hat jeder neue Minister seine eigene Reform begonnen - und die seines Vorgängers im Sande verlaufen lassen.

Mit der Wende 1989 habe Rumänien damals lediglich sein politisches, wirtschaftliches und soziales System geändert, sagt Professor Stefan Vlaston, Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation Bildung und Forschung (EDUCER). In den Bereichen Bildung und Forschung habe sich dagegen nichts getan. Erst 1995 habe es das erste rumänische Bildungsgesetz gegeben – und das sei bislang etwa 30 Mal geändert worden. Dabei herausgekommen sei ein verwirrendes und funktionsloses Gesetz, so Vlaston. "Wir waren nicht imstande, ein neues passendes Bildungsmodell zu schaffen. Das alte Modell diente dem alten System, es kann dem neuen System nicht dienen.''

Änderungen sind geplant

Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu (Foto: AP)
Traian Besescu: "Unqualifizierte Lehrer in die Arbeitslosigkeit entlassen"Bild: AP Photo

Etwa 80 Prozent der landesweit geltenden Lehrpläne stimmten mit denen von vor 1989 überein, erklärt Vlaston weiter. Der Lehrstoff gilt als theorielastig und kompliziert. Die Ergebnisse einer Studie des Institutes für öffentliche Gesundheit verwundern daher nicht: 40 Prozent der rumänischen Schüler brauchen bei den Hausaufgaben die Hilfe der Eltern. Die meisten Schüler der Oberstufe bereiten sich mit Nachhilfe-Unterricht auf das Abitur vor. Außerdem entspreche der Lehrplan nicht den Bedürfnissen auf dem Arbeitsmarkt, sagt Vlaston. Das zeige auch eine Studie der Weltbank, die die extreme Wettbewerbsschwäche der rumänischen Arbeitskraft im internationalen Vergleich aufzeige.

Von den Ergebnissen der PISA-Studie könne man aber nicht auf die späteren Berufschancen der rumänischen Schüler schließen, sagt der PISA-Koordinator im rumänischen Bildungsministerium, Cristian Mirescu. Schließlich erlernten die 15-Jährigen, die an der Studie teilnehmen, erst später ihren Beruf.

Der frühere Lehrplan-Beauftragte des Ministeriums behauptet, man habe nach den schlechten PISA-Ergebnissen von 2006 reagiert. ''Es haben kleine Änderungen des nationalen Lehrplans stattgefunden. Wir haben auch ein Paket von sieben Projekten entworfen", erklärt Cristian Mirescu. Mit Hilfe von EU-Geldern soll der Unterricht in allen Fächern multimedial und EDV-gestützt gestaltet werden. Wie die bislang kaum veränderten Lerninhalte in Kernkompetenzen umgemünzt werden sollen, ist jedoch noch unklar.

Kein Geld für Lehrer

Zwei Kinder sitzen an einem Computer in ihrem Klassenraum (Foto: dpa)
EDV-gestützten Unterricht soll es bald geben - doch hapert es auch an geeigneten LehrernBild: dpa

Das rumänische Schulsystem leidet an chronischer Unterfinanzierung. Ein neu angestellter Lehrer verdient ein Spottgehalt von knapp 200 Euro. "Die Einkommen der Angestellten sind nicht an Leistung und Ergebnisse der Arbeit gebunden. Sie hängen nur von Ämtern und Dienstalter ab - das sind Kriterien, die wir von den Kommunisten geerbt haben'', sagt Vlaston von EDUCER. Wegen der schlechten Bezahlung sind die Lehrer für Korruption besonders anfällig. Nicht selten berichteten rumänische Medien von erkauften Diplomen oder Prüfungsausschüssen, die mit kleinen Aufmerksamkeiten milde gestimmt werden konnten.

Viele gut ausgebildete Lehrer haben außerdem ihren Beruf gewechselt. Um diese Lücke zu stopfen, unterrichten in den Schulen heute etwa 10.000 unqualifizierte Hilfskräfte. Selbst Staatspräsident Traian Basescu machte im Mai 2009 seiner Empörung Luft: ''Einige sollten in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, weil ein bedeutender Teil der Lehrkräfte eine fragwürdige Qualität aufweist und eigentlich in den Klassenzimmern nichts zu suchen hat.''

Mit der Bildung geht es abwärts

Verantwortliche aus dem Bildungsministerium weisen die Kritik gerne mit dem Argument zurück, Rumänien schneide bei internationalen Schülerwettbewerben gut ab. In der Tat sind rumänische Schüler bei den sogenannten Olympiaden in Mathe, Physik oder Informatik in der Regel oben dabei. Doch erstens seien die Ergebnisse nicht mehr so spektakulär wie vor Jahren noch, erklärt Vlaston. "Und zweitens fallen in diese Kategorie vielleicht 0,01 Prozent aller Schüler. Wie kann man mit den Ergebnissen einer so geringen Anzahl von Schülern prahlen?"

Dass es um das rumänische Bildungssystem vielleicht doch nicht so gut bestellt ist, musste selbst Bildungsministerin Ecaterina Andronescu einsehen. 'In den letzten zwanzig Jahren hat sich die rumänische Schule auf einem leichten Abwärtstrend bewegt', sagte sie in einem Fernsehinterview. Doch wer Schuld daran ist, blieb offen.

Autor: Alex Sterescu
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp