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Kurswechsel

9. Juni 2009

Der Iran sollte nach den Wahlen die Chance auf einen außenpolitischen Kurswechsel nutzen: Von der Konfrontation zur Kooperation, glaubt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, im DW-WORLD-Interview.

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Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz (Foto: dpa)
Bild: DPA

DW-WORLD.DE: Wie charakterisieren Sie die iranische Außenpolitik der vergangenen vier Jahre unter der Regierung Ahmadineschads?

Ruprecht Polenz: Die Außenpolitik der Regierung Ahmadineschad hat darauf abgezielt, den Einfluss Teherans in der Region zu stärken. Sie war häufig sehr konfrontativ, vor allem gegenüber Israel und dem Westen aus dem Kalkül heraus, dass das sich wiederum positiv auf die Bevölkerung in den arabischen Ländern auswirken könnte.

Es ist allerdings inzwischen so, dass es mittlerweile auch in vielen arabischen Ländern Bedenken gibt gegenüber dem Bestreben des Iran nach mehr Einfluss in der Region. So war zum Beispiel Marokko außerordentlich verärgert über die iranischen Aktivitäten, die das Ansehen des Königs als religiöses Oberhaupt der marokkanischen Bevölkerung in Frage gestellt haben. Es hat auch in Bahrain Ärger gegeben, weil iranische Stimmen das Land als eine Provinz des Iran bezeichnet haben. Es gibt jetzt zunehmend Widerstand in den Nachbarländern gegen die Politik Ahmadineschads. Wenn diese weiter fortgesetzt wird, wird sie meiner Einschätzung nach dazu führen, den Iran weiter zu isolieren.

Bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen wird mit einem Wandel gerechnet und einige Kandidaten werben auch öffentlich damit. Aber die Grundlinien der iranischen Innen- und Außenpolitik wurden nach der Revolution von Khomeini festgelegt und sind bis heute gültig. Kann es unter diesen Umständen überhaupt einen Wandel im Iran geben?

Mehdi Karoubi , reformorientierter Präsidentschaftskandidat mit dem Motto "Change for Iran" zum Wahlen am 12. Juni 2009 in Iran (Foto: Irna)
Iranischer Wahlkampf: Der Reformer Mehdi Karoubi wirbt mit dem WandelBild: IRNA

Ich hoffe es vor allem für die iranische Bevölkerung. Wenn man überlegt, was eigentlich passieren müsste, damit es der Bevölkerung besser geht, damit sich die wirtschaftliche Situation verbessert, damit die vielen jungen Menschen, die jedes Jahr aus den Schulen und Universitäten entlassen werden, auch eine Chance haben, eine gute Arbeit zu finden, dann bedeutet das vor allem eins: Wirtschaftsreformen, intensiveren Wirtschafts- und Handelsaustausch gerade auch mit entwickelten Industrieländern, wie den Europäern.

Alles das setzt allerdings voraus, dass der Iran seine konfrontative Außenpolitik korrigiert, mehr auf Zusammenarbeit setzt, und vor allem bei seinem Nuklearprogramm der Welt objektive Garantien gibt, dass dieses Programm auch friedlich bleibt, so dass man sich darauf verlassen kann.

Wenn es zu einem Wandel im Iran kommen sollte, werden sich voraussichtlich der Iran und die USA annähern. Welche Rolle spielt Europa dabei noch?

Wir Europäer haben es sehr begrüßt, dass sich Obama in seiner Rede zum iranischen Neujahrsfest an den Iran gewandt hat mit dem Angebot, über alle Themen, die sich in den letzten Jahrzehnten zwischen beiden Ländern angesammelt und zu tiefen Spannungen geführt haben, ohne Vorbedingungen zu sprechen. Jetzt ist es eine Frage, wie der Iran mit diesem Gesprächsangebot umgeht. Ich hoffe, dass das Land nach den Wahlen eine konstruktive Antwort findet, denn es liegt auch im Interesse des Iran, das Verhältnis zu den USA zu verbessern, genauso wie es umgekehrt auch Washington wichtig ist.

Welche Perspektive sehen Sie für eine Entspannung zwischen dem Iran und dem Westen?

Ich glaube, es ist jetzt eine Frage von Klugheit derjenigen, die politische Verantwortung im Iran tragen. Die Chance, die es jetzt für eine bessere Entwicklung des Landes gibt, gilt es zu nutzen. Sie liegt in einem Kurswechsel von der Konfrontation zur Zusammenarbeit.

Natürlich können wir nicht sicher sein, dass die iranische Staatsführung diese Chance wahr nehmen will, weil sie vielleicht, wie in den vergangenen vier Jahren glaubt, durch Konfrontation mehr erreichen zu können. Aber wenn man sich anschaut, wie trotz der hohen Ölpreise in den vergangenen Monaten die iranische Wirtschaft dennoch nicht auf die Beine gekommen ist, dann wird doch deutlich, dass dieser Kurs nicht im Interesse der iranischen Bevölkerung gelegen hat.

Das Interview führte Keivandokht Ghahari

Redaktion: Ina Rottscheidt