1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr als eine Koalitionsfrage

4. Juni 2009

In der Ukraine ist eine Koalition der größten Parlamentsfraktionen, Block Tymoschenko und Regionen-Partei, im Gespräch. Die Verfassung könnte geändert werden, auch das Verfahren zur Präsidentenwahl. Experten warnen.

https://p.dw.com/p/I3ZF
Parlamentsgebäude in KiewBild: cc-ser.dima-sa 2.0

Künftig soll der ukrainische Präsident nicht mehr direkt vom Volk, sondern vom Parlament gewählt werden. Das schlagen Vertreter der beiden größten Fraktionen im Obersten Rat der Ukraine - des Blocks Julija Tymoschenko und der Partei der Regionen – vor. Medienberichten zufolge ist eine entsprechende Änderung in einem Verfassungsentwurf enthalten, an dem hinter verschlossenen Türen Vertreter der beiden politischen Kräfte arbeiten würden.

"Problem zweier Machtzentren"

Porträt von Hanne Severinsen
Hanne SeverinsenBild: Olexander Prokopenko

Die ehemalige Ukraine-Berichterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Hanne Severinsen, die heute Beraterin der ukrainischen Premierministerin Julija Tymoschenko ist, meint, das künftige Verfahren zur Wahl des Staatsoberhaupts in der Ukraine sei keine aktuelle Frage. "In der Ukraine besteht das Problem zweier Machtzentren – der Regierung und des Präsidenten, deren Kompetenzen deutlicher getrennt werden müssten", sagte sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Aber ich bezweifele, dass man dies vor den Wahlen machen sollte, denn man muss eine breite öffentliche Diskussion führen und den Bürgern erläutern, welche Probleme mit Verfassungsänderungen gelöst werden sollen", fügte Severinsen hinzu.

Internationale Institutionen, wie beispielsweise die Venedig-Kommission des Europarates, seien bereit, Gutachten zu Verfassungsänderungen zu erstellen, sagte Severinsen. Die ehemalige Vertreterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates schließt nicht aus, selbst an der Sitzung der Venedig-Kommission Mitte Juni teilzunehmen, auf der die von Präsident Wiktor Juschtschenko Anfang April vorgeschlagenen Verfassungsänderungen erörtert werden sollen. Seine Verfassungsinitiative betrifft vor allem das Parlament. Der Oberste Rat soll demnach durch eine Nationalversammlung ersetzt werden, die aus zwei Kammern besteht. Die Senatoren des Oberhauses sollen nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt und die Abgeordneten des Unterhauses, die die Regierung bestimmen und Gesetze verabschieden, nach Parteilisten gewählt werden.

Kritik am Vorgehen der Politiker

Als Reaktion auf ukrainische Presseberichte, in denen diskutiert wird, dass die Wahl des Präsidenten durch das Parlament nur dazu dienen solle, die Macht zwischen Tymoschenko und dem Führer der Regionen-Partei, Wiktor Janukowytsch, aufzuteilen, betonte Severinsen, eine Verfassung dürfe nicht geändert werden, nur um die Macht zwischen bestimmten Politikern zu teilen. Verfassungsänderungen müssten dem Aufbau des Staates und nicht den Interessen einzelnen Personen dienen, betonte sie.

Nico Lange, Leiter der Außenstelle der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew (Ukraine)
Nico LangeBild: Nico Lange

Auch der Leiter der Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine, Nico Lange, warnt davor, Verfassungsänderungen, die das politische System des Landes grundlegend verändern, zum Bestandteil von Verhandlungen zur Bildung einer neuen Koalition im Obersten Rat zu machen. "Grundsätzlich sollten ukrainische Politiker die Überlegung anstellen, eine Verfassung nicht für sich, sondern für die Ukraine zu schreiben", betonte Lange gegenüber der Deutschen Welle. Seiner Ansicht nach werden die in Hinterzimmern erarbeiteten Verfassungsänderungen der Ukraine nicht für größere Stabilität sorgen: "Die Entstehung einer Verfassung ist ein Prozess, in den alle wichtigen politischen Kräfte und auch die Gesellschaft einbezogen werden müssen, damit diese Verfassung hinterher auch unterstützt wird."

Autor: Eugen Theise / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann