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Khomeinis Töchter

1. Juni 2009

Irans Frauenrechte gehören zu den rückständigsten der Welt. Doch unterm Schleier regt sich Widerstand. Junge Frauen sind gut ausgebildet, selbstbewusst und kämpfen um ihren Platz in einer patriarchalischen Gesellschaft.

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"Les pintades de Téheran" von Delphine Minoui
Humor als Waffe: "Die gackernden Hühner von Teheran"Bild: Editions Jacob-Duvernet

"Warum trägt Ahmadinedschad den Scheitel in der Mitte? Die Antwort: Weil er die weiblichen von den männlichen Haaren trennen will!" Witze wie dieser kursierten unter den Iranerinnen per SMS, erzählt die iranisch-französische Journalistin Delphine Minoui. Regelmäßig berichtet die 34-Jährige für französische Medien aus dem Nahen Osten. Acht Jahre lang hat sie den Alltag der Teheraner Frauen beobachtet und in ihrem Buch "Les pintades de Téheran" – zu deutsch etwa: "Die gackernden Hühner von Teheran" - festgehalten.

Die iranisch-französische Journalistin Delphine Minoui (Quelle: ONUK)
Die iranisch-französische Journalistin Delphine MinouiBild: ONUK

In Sachen Frauenrechte gehört das Land zu den rückständigsten der Welt. Doch unter dem Schleier regt sich auch Widerstand. In den dreißig Jahren seit der iranischen Revolution haben sich die Frauen Schritt für Schritt Nischen erobern können. Die Töchter Khomeinis, das heißt die jungen Frauen um die dreißig, sind gut ausgebildet, selbstbewusst und stolz – und kämpfen um ihren Platz in einer patriarchalischen Gesellschaft, auch wenn sie dafür manchmal einen hohen Preis zahlen müssen.

Humor als Waffe

Darum sei der Humor eine weit verbreitete Waffe, erzählt Delphine Minoui. Die Kraft dieser Witze liege darin, dass sie anonym verbreitet würden. Eine Feministin oder eine Rechtsanwältin, die ihren Namen nennt, muss befürchten, verhaftet zu werden. "Demgegenüber ist ein Witz wie eine Welle, die sich über das Land verbreitet", sagt sie schmunzelnd, "er lässt sich nicht verhaften."

Demonstration für Frauenrechte im Iran
Iran: nicht jeder Widerstand ist laut

Vor einem Jahr wurde Irans einzige feministische Frauenzeitschrift "Zanan" verboten. Doch der Widerstand sucht sich neue Kanäle, etwa über Internetblogs oder SMS, wo die Macht der Männer in Frage gestellt wird: "In Internetblogs lassen die Iranerinnen im wahrsten Sinne des Wortes alle Hüllen fallen", erzählt Delphine Minoui. "Sie sprechen über ihre familiären Probleme, über ihre Rolle in der Gesellschaft, über ihre sexuellen Probleme, es gibt sogar Blogs von lesbischen Frauen im Iran. Die virtuelle Welt ist zu einem wirklichen Raum für Diskussionen geworden. Auch der Internetchat ist sehr beliebt. Es ist zum einen ein Netzwerk für junge Leute, um sich kennen zu lernen, aber es kann schnell auch politisch werden."

Stille Revolution

Natürlich wird das Internet im Iran zensiert. Das erkennt man daran, dass der Hinweis "Zugang verwehrt" auf einer Webseite erscheint. Doch so rasch Internetseiten gesperrt werden, so schnell würden neue generiert, berichtet Delphine Minoui. Sie selbst hat die Zensur am eigenen Leib erfahren müssen – vor zwei Jahren wurde ihr die Arbeitserlaubnis entzogen, seither lebt sie in Beirut und reist nur noch temporär in den Iran. Die Grenzen müssten immer wieder neu ausgelotet werden, Millimeter für Millimeter. Es sei wie mit dem Lippenstift. Viele Iranerinnen malen sich ihre Lippen leuchtend rot und nehmen in Kauf, von der Sittenpolizei gemaßregelt zu werden, erzählt die Journalistin. Auf offener Straße werden sie gezwungen, sich die Schminke mit Watte abzureiben. Doch schon an der nächsten Ecke tragen sie die rote Farbe wieder auf. Einige lassen sich sogar die Lippen tätowieren: Die Autorin nennt das eine "stille Revolution", weil diese Frauen nicht die Schlagzeilen der internationalen Zeitungen füllen, aber sie ist sich sicher: "Diese Frauen kämpfen für ihre Sache von morgens bis abends."

Karatekämpferinnen im Iran (Foto: Newsha Tavakolian)
Karate gehört im Iran zu den beliebtesten SportartenBild: Newsha Tavakolian

Das Leben der Iranerinnen von heute spielt sich irgendwo zwischen Tradition und Moderne ab. Diese doppelte Identität dokumentieren auch die Bilder der iranischen Fotojournalistin Newsha Tavakolian. Auf ihren Bildern sind junge Frauen zu sehen, in traditioneller Tracht bei religiösen Festen, auf anderen sitzen sie rauchend und lachend im Café, der Hidschab ist fast auf ihre Schultern gerutscht. Daneben wiederum hängen Aufnahmen von Müttern, die mit Trauermienen neben den Bildern ihrer als Märtyrer gefeierten Söhnen posieren. Das Lieblingsfoto der 27-Jährigen zeigt junge Irannerinnen beim Kampfsport; Karate hat sich zu einem der beliebtesten Sportarten unter Frauen entwickelt. Kein Zufall, glaubt Newsha Tavakolian: "Irannerinnen sind keine Opfer und wollen als solche auch nicht betrachtet werden. Sie sind sehr stark und sie arbeiten hart daran, ihre Situation zu verändern!", sagt sie. Natürlich hätten Frauen im Iran noch nicht so viele Rechte wie in anderen Ländern, aber sie ist sicher: "Wir befinden uns in einem Prozess, und wir werden da hin kommen wo andere sind!"

Fortschritte im Iran

Newsha Tavakolian (Foto: ONUK)
Die Fotografin Newsha TavakolianBild: ONUK

Als Beispiel für den Fortschritt führt sie an, dass im Jahr 2004 Frauen das Sorgerecht der Kinder im Scheidungsfall zugestanden wurden. Zuvor lag es ausschließlich bei den Vätern. Eine wachsende Zahl von Unternehmen würde außerdem Frauen einstellen, da diese sehr fleißig und sehr gut ausgebildet seien. Was ihre eigene Arbeit betrifft, so hat sich die Fotografin mit der Zensur arrangiert. Aufnahmen von Hinrichtungen, Prostitution oder Drogen sind einfach nicht drin. Ihre Fotos wurden trotzdem in renommierten Zeitschriften wie dem "Time Magazine" und "National Geographic" gedruckt. Sie zensiere ihre Arbeit selbst, sagt sie, dass müsse sie tun, um im Iran zu arbeiten und zu überleben. Wenn mich zum Beispiel eine Zeitschrift darum bittet, Fotos von Partys junger Leute im Iran zu machen, unverheiratete Jugendliche, die tanzen und sich amüsieren, ich mache das einfach nicht. Es wird mir nur Probleme bescheren. Ich will meine Arbeitserlaubnis nicht wegen eines angeblich so wichtigen Fotos verlieren."

Autorin: Claudia Hennen

Redaktion: Ina Rottscheidt