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Ein Mann für die EU

27. Mai 2009

Als Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament gehört der Elsässer Joseph Daul zu den Mächtigen in der EU. Im Wahlkampf kämpft er vor allem gegen die grassierende Wahlmüdigkeit der Franzosen.

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Joseph Daul lacht (Foto: AP)
Der Europaabgeordnete Joseph DaulBild: AP

Europawahlkampf kann Spaß machen. Zumindest Joseph Daul. Mit einem entspannten Lächeln steht Daul an diesem Vormittag vor der Industriebäckerei von Arnaud Bovigny im ost-französischen Besançon. Fast jeden Tag im Wahlkampf besucht Daul Unternehmer. Der 37 Jahre alte Bovigny hat es ihm besonders angetan, denn Bovigny ist Europa - zumindest ein bisschen.

Für mehr Wähler

Joseph Daul steht in einer Bäckerei an einem Fließband mit Teig (Foto: DW/Noll)
Während des Wahlkampfs warten viele Termine auf die PolitikerBild: DW / Noll

Anfang des Jahres hat sich der Bäckermeister Bovigny selbständig gemacht. Nach Lehrjahren in Polen und Deutschland hat er diesen Sprung gewagt, zusammen mit seiner polnischen Frau. "Er hat das Beste aus Europa mitgebracht, um in Frankreich zu investieren. Das ist das wahre Europa", wird sein Gast aus der Politik später über ihn sagen. Zunächst aber hört Daul beim Rundgang durch die hochmoderne Produktionshalle erst einmal geduldig zu. Bovigny doziert über das Ende eines Zeitalters: Kleine Bäckereien würden nach und nach von der Bildfläche verschwinden und durch große Produktionsanlagen ersetzt. Der Bio-Bäcker Bovigny glaubt an diese Entwicklung - bei ihm laufen französische Baguettes genauso in großer Stückzahl vom Band wie deutsche Brötchen. Er liefert an Großabnehmer wie Schulen und Gefängnisse. Seine Maschinen kommen aus Deutschland, Schweden und Frankreich. Diesen Unternehmer muss Daul nicht davon überzeugen, am 7. Juni zur Wahl zu gehen.

Ganz anders dagegen ist die Stimmung auf dem Volksfest in der Provinzhauptstadt. Auch hier zeigt Daul Präsenz, besucht den Stand der Nachwuchsorganisation seiner Partei. Drei Jung-Konservative verteilen dort Wahlkampfmaterial. Trotz freundlicher Gesten und Dauls Unterstützung haben sie es schwer, mit ihrer Botschaft durchzudringen. Die Europawahl interessiere sie nicht, sagen denn auch die meisten Besucher.

Aus der Not hat Daul eine Tugend gemacht. In seinem 18 Departements umfassenden Wahlkreis will er vor allem die konservativen Stammwähler ansprechen. Und so sucht er auf seiner Wahlkampftour den Kontakt zu Parteifreunden, Unternehmern und Landwirten. Der Schlüssel zum Erfolg seiner Kampagne könnten die Bürgermeister sein, glaubt der Politik-Veteran, der im Elsass selbst lange Zeit an der Spitze einer Kommune gestanden hat. Die Bürgermeister, so Daul, hätten in Frankreich einen großen Einfluss auf die Wahlbeteiligung, weil sie die Dorfbevölkerung mobilisieren könnten. Die Umfragen sprechen allerdings eine andere Sprache. Frankreich droht ein neuer Minus-Rekord bei der Wahlbeteiligung.

Ein Mächtiger in der EU, ein Unbekannter in Frankreich

Das Europäische Parlament von außen (Foto: Europäisches Parlament)
Ein Platz im Parlament ist Daul sicherBild: Photo European Parliament/Architects : Architecture Studio

Um seinen Einzug ins Parlament muss der Chef der Konservativen im Europaparlament nicht kämpfen - auf Listenplatz 1 ist seine Wiederwahl sicher. Entsprechend befreit absolviert Daul die sechs Wochen Europa-Wahlkampf. Besonders entspannt wirkt der Politiker immer dann, wenn es um die Landwirtschaft geht. Auf einer Rinderschau sucht er das Gespräch mit den Bauern. Mit seiner kleinen, stämmigen Statur und dem nicht allzu feinen Anzug wirkt Daul wie einer von ihnen. Eigentlich gehört er ja noch dazu, auch wenn sein Sohn den Hof bei Straßburg schon vor Jahren übernommen hat. Europa braucht auch in Zukunft eine starke Landwirtschaft, sagt Daul - Zukunftstechnologien hin oder her: "Wir haben 500 Millionen Leute zu ernähren. Das ist mehr als ganz Amerika." In der nächsten Legislaturperiode will er die Ernährungssicherheit zu einem Hauptthema machen. Doch erst einmal wollen die Landwirte von ihm Antworten auf den dramatischen Absturz des Milchpreises. An Europa liege das nicht, versichert der Politiker, einen anderen Schuldigen kann er aber auch nicht identifizieren. Er lasse das Problem gerade in sämtlichen EU-Staaten untersuchen, vertröstet der Politiker die erbosten Bauern.

Daul ist in der Landwirtschaft wie kein anderer zuhause, aber es stört ihn, dass er in Brüssel immer nur zu Agrarthemen interviewt wird und weniger zu weltpolitischen Fragen. Dabei hat er klare Positionen wie das Nein zur Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU. Auf dem Volksfest Besançon interessiert das aber gerade niemanden und auch in den nationalen Medien spielt Daul in Frankreich keine große Rolle.

Fünf Sterne für Daul

EU-Soldaten stehen vor einem Flugzeug (Foto: picture-alliance/dpa)
Im Fall Georgien habe die EU gezeigt, wie mächtig sie ist, so DaulBild: picture-alliance/dpa

Zeit für eine Bilanz. Was hat den überzeugten Europäer in den letzten fünf Jahren am meisten beeindruckt? Die europäische Reaktion auf die Georgien-Krise, sagt Daul, und versucht damit zu erklären, wie mächtig die Union mittlerweile geworden sei. Nur weil sich der Kontinent einig war, konnte Europa die Panzer stoppen. Er selbst hält sich zugute, in der abgelaufenen Legislaturperiode eine überzeugende Arbeit gemacht zu haben. Seine Präsenz im Plenum, seine zahlreichen Initiativen und sein gekonntes Strippenziehen haben Daul in einer internen Umfrage des Parlaments fünf Sterne eingebracht - die Höchstpunktzahl.

Nach der Wahl will sich der zweisprachige Elsässer noch einmal zum Chef der Konservativen im Parlament wählen lassen. Das würde dem geduldigen und für seine Kompromisse bekannten Politiker zumindest den Einfluss in Europa sichern.

Autor: Andreas Noll
Redaktion: Julia Kuckelkorn