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"Ich war gerührt"

25. Mai 2009

Als erster Deutscher hat Ralf Dujmovits alle 14 Achttausender bestiegen. Am 20. Mai stand der Bergsteiger aus Bühl im Schwarzwald auf dem Gipfel des 8516 Meter hohen Lhotse.

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Ralf Dujmovits und Gerlinde Kaltenbrunner auf dem Gipfel des Lhotse. Foto: Dujmovits
Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits auf dem Gipfel des LhotseBild: R. Dujmovits

Der vierthöchste Berg der Erde war der letzte Achttausender, der dem 47-jährigen Bergsteiger noch in seiner Sammlung fehlte. 13 der 14 Achttausender bestieg Dujmovits ohne Atemmaske. Auf dem Rückweg von seiner Expedition beantwortete der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger per Satellitentelefon exklusiv die Fragen von DW-WORLD.

DW-WORLD: Erst einmal herzlichen Glückwunsch. Für Außenstehende hört sich das so einfach an: Ralf Dujmovits hat seinen 14. Achttausender bestiegen. Wie schwer war es wirklich, den Gipfel des Lhotse, des vierthöchsten Berges der Erde, zu erreichen?

Ralf Dujmovits: Wir hatten doch relativ tiefe Temperaturen in Verbindung mit rund 30 Stundenkilometern Wind. Das hört sich nicht nach schrecklich viel an, etwa Fahrradgeschwindigkeit. Die Kombination aus beidem macht die Sache doch sehr anstrengend. Zudem ist das Lhotse-Couloir, die Rinne, durch die man zum Gipfel aufsteigt, sehr stark ausgeapert (Anm. schneefrei geworden). Als wir im Jahr 2006 hundert Meter unter dem Gipfel umdrehen mussten, war diese Rinne noch mit Schnee und Eis gefüllt. Inzwischen gibt es dort rund 300 Höhenmeter Felskletterei. Das war doch recht anstrengend auf einer Höhe von über 8000 Metern.

Ist diese jetzt eisfreie Rinne am Lhotse möglicherweise eine Folge des Klimawandels auch im Himalaya?

Ich glaube schon. Ich sehe es nicht nur an dieser Rinne, sondern auch am Khumbu-Gletscher. In den 25 Jahren, in denen ich dort immer wieder unterwegs war, ist er nicht nur kürzer geworden, sondern hat auch sehr stark an Mächtigkeit verloren. Ich habe den Eindruck, dass der Klimawandel bei diesem ganz großen Gletscher, der aus dem Gebiet von Mount Everest, Lhotse und Nuptse herausfließt, doch ordentlich zugeschlagen hat.

Zurück zu Ihrem Erfolg am Lhotse. Ihre Ehefrau Gerlinde Kaltenbrunner, die beim Aufstieg schneller war, hat kurz unter dem Gipfel auf Sie gewartet, um gemeinsam zum höchsten Punkt aufzusteigen. Haben Sie das als besonderen Liebesbeweis empfunden?

Natürlich. Ich habe mich gefreut und war total gerührt, als ich sah, dass sie auf mich wartet. Sie hat hinter einem kleinen Felsvorsprung, der ihr ein wenig Windschatten bot, fast eine Stunde ausgeharrt. Das ist schon eine lange Zeit auf dieser Höhe, bei diesen Temperaturen und Wind. Am Gipfel hat sie vor Kälte geschlottert, wollte nur ein paar Fotos machen und schnell wieder herunter. Sie war einfach zu sehr ausgekühlt. Aber das war schon wirklich klasse, dass wir die letzten Schritte auf meinen 14. Achttausender gemeinsam gemacht haben.

Gipfelgrat des Lhotse. Foto: Kaltenbrunner
Gipfelgrat des LhotseBild: G. Kaltenbrunner

Haben Sie dort oben auf dem Gipfel des Lhotse Erleichterung empfunden, jetzt alle Achttausender geschafft zu haben?

Es war schon Erleichterung da. Aber mit so viel Erfahrung hat man natürlich im Hinterkopf, dass ein langer, steiler Abstieg vor einem liegt, den man erst einmal herunterkommen muss. Ich hatte mich auf einige Ausblicke gefreut. Dort oben gibt es zwei unglaublich schöne, filigrane Grate mit Eisskulpturen, wie man sie sich schöner nicht vorstellen kann. Das hat mich total begeistert. Die Freude über den 14. Achttausender und die Besteigung des Lhotse kam dann erst so richtig im Basislager.

Auf weiten Teilen deckt sich die Route auf den Lhotse mit der auf den Mount Everest. Wie viel Verkehr war auf dem Weg nach oben?

Am Tag, an dem wir zum letzten Biwak am Lhotse auf 7800 Metern aufgestiegen sind, waren sicher etwa hundert Bergsteiger bis zum Gelben Band (Anm. Sandsteinzone auf rund 7600 Metern) unterwegs. Dort hat es einen Stau gegeben. Ich war froh, dass wir anschließend nach rechts abzweigen konnten, wo wir dann völlig allein Richtung Lhotse aufgestiegen sind und unsere Ruhe gefunden haben.

Haben Sie vor diesem Hintergrund überhaupt noch Lust, ihren Plan umzusetzen, ein weiteres Mal auf den Mount Everest zu steigen, im Gegensatz zu 1992 ohne Atemmaske?

Es gibt ja noch andere Wege auf den Everest, wie die tibetische Normalroute oder der Weg durch die Nordwand, wo wir schon einmal unterwegs waren. Aber ich muss die Erfahrungen erst einmal wirken lassen. Ich sehe inzwischen, ich werde nicht jünger. Ob meine Leistungsfähigkeit für eine Route wie die Nordwand, wo man top beieinander und schnell unterwegs sein muss, noch reicht, muss ich sehen. Ich möchte auch Gerlinde nicht im Weg stehen, die auf jeden Fall die Nordwand noch einmal versuchen möchte. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Und jetzt wird in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu zünftig gefeiert?

Die nepalesische Agentur, mit der ich seit 20 Jahren zusammenarbeiten, will eine Feier organisieren. Ich freue mich schon darauf. Ich bin mir aber auch sicher, dass wir zu Hause, wenn wir erst wieder in Deutschland zurück sind, noch die eine oder andere Möglichkeit haben werden, etwas zu feiern.

Das Interview führte Stefan Nestler.

Redaktion: Arnulf Boettcher