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Harter Kurs trifft auf Kritik

20. Mai 2009

Italien verschärft kontinuierlich seine Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Dafür wird das regierende Mitte-Rechts-Bündnis vor allem von den Vereinten Nationen und der EU kritisiert.

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Ein überladenes Flüchtlingsboot auf dem Wasser (30.09.2008/EPA/SALVAMENTO MARITIMO)
Italien möchte Bootsflüchtlinge postwendend ins Herkunftsland zurückschickenBild: picture-alliance/ dpa

Das Thema "Innere Sicherheit" steht in Italien seit dem Wahlsieg des Mitte-Rechts-Bündnisses ganz oben auf der Tagesordnung. Zuletzt verabschiedete das Parlament am Donnerstag (14.05.2009) das so genannte "Sicherheitspaket", das wichtige Änderungen zur Einwanderungspolitik enthält. So wird zum Beispiel die Einreise ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung, die bisher als Ordnungswidrigkeit galt, zur Straftat - es drohen hohe Bußgelder und Gefängnis.

Italien kämpft mit Identität als Einwanderungsland

UN Logo
Das Flüchtlingskommissariat der UN kritisiert die Vorgehensweise Italiens

Die Norm ermöglicht auch eine schnellere Abschiebung der Bootsflüchtlinge, die beinahe täglich vor den italienischen Küsten aufgegriffen werden. Seitdem Italien diese Flüchtlinge ohne Überprüfung ihres Status zurück nach Libyen bringt, von wo die meisten Boote starten, hagelt es Kritik von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Das Recht auf Asyl müsse gewährleistet sein, so die Forderungen.

Italien hadert unterdessen mit seiner neuen Identität als Einwanderungsland: Multi-ethnisch ja, aber nicht multi-kulturell - so definiert Verteidigungsminister Ignazio La Russa die italienische Gesellschaft. Das soll heißen: Wer ins Land kommt, muss sich der italienischen Kultur anpassen. Das Thema Immigration beherrscht die Fernsehnachrichten, die Parlamentsdebatten und die privaten Diskussionen der Italiener. Wer darf einwandern und vor allem wie viele? Fragen wie diese bringen die Gemüter in Wallung.

Italien verbittet sich Einmischung

Bis vor knapp 20 Jahren waren es die Italiener selbst, die auf der Suche nach Arbeit in die ganze Welt auswanderten. Die Vorstellung, in der Heimat sei nicht genug Platz für alle, hat sich im kollektiven Bewusstsein hartnäckig gehalten. Auch deshalb verunsichern die Armutsflüchtlinge, die nun in Italien ihr Glück suchen, breite Teile der Bevölkerung.

Unnötig und verfehlt, nennt der Lega-Nord-Fraktionssprecher im Senat, Federico Bricola, die Kritik des UN-Flüchtlingskommissariats an der Abschiebepraxis der italienischen Regierung: "Wir sind ein souveräner Staat. Bei uns zu Hause bestimmen wir - und wir werden nicht vom eingeschlagenen Kurs abweichen", sagt Bricola.

Zweifel an Rechtsstaatlichkeit

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der libysche Staatschef Gaddafi unterhalten sich angeregt(30.08.2008/EPA/LIVIO ANTICOLI / POOL)
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi (l.) und der libysche Staatschef Gaddafi (r.) haben über den Umgang mit Flüchlingen verhandeltBild: picture-alliance/ dpa

Italien hält also an seiner harten Linie fest. Bootsflüchtlinge, die in italienischen Hoheitsgewässern aufgegriffen werden, sollen möglichst am Erreichen der Küste gehindert werden, und wer bereits auf dem Festland ist, soll so schnell wie möglich an den Ausgangspunkt seiner Reise über das Meer zurückgeschickt werden. Das ist in den meisten Fällen Libyen. Regierungschef Silvio Berlusconi hat zu diesem Zweck ein Abkommen mit dem libyschen Staatschef Gaddafi geschlossen, das den Zurückgewiesenen die Unterkunft in Aufnahmelagern garantieren soll.

Das UN-Flüchtlingskommissariat dürfe diese Lager aber nicht einmal besichtigen, klagt dessen Sprecherin Laura Boldrini. Sie hat die Rechtsstaatlichkeit der italienischen Abschiebepolitik in den vergangenen Tagen öffentlich angezweifelt und mit ihren Einwänden den Zorn der italienischen Regierung auf sich gezogen. So äußerte zum Beispiel ein Abgeordneter: "Wir sind überzeugt davon, dass es richtig ist, illegale Einwanderer zurückzuweisen. Statt uns zu kritisieren, sollten uns die anderen Länder ihre Solidarität beweisen."

"Nicht zu gutherzig sein"

Italiens Innenminister Roberto Maroni (08.05.2008/AP Photo/Alessandra Tarantino)
Italiens Innenminister Roberto Maroni möchte nicht zu gutherzig seinBild: AP

Italiens Regierung fordert von der Europäischen Union mehr finanzielle Hilfe im Kampf gegen die illegale Einwanderung, möchte aber keine Belehrungen über die Art und Weise, wie er zu führen ist. Innenminister Roberto Maroni und Regierungschef Silvio Berlusconi fühlen sich durch Meinungsumfragen in ihrem Kurs bestärkt. Die Mehrheit der Italiener sei froh, dass endlich etwas passiere, sagt Maroni und fügt an, dass man nicht zu gutherzig sein dürfe.

In der Bevölkerung wechseln einander Gefühle der Ablehnung von Einwanderern und des Mitleids mit ihnen ab. Benedetto Pace, ein Hausmeister in Pension, meint, ein Patentrezept für die schwierige Lage seines Landes gebe es nicht. Gesetze müssten zwar erlassen werden, aber mit denen der Regierung sei er nicht immer einverstanden.

Instrumentalisierung der Angst

In den Augen des Franziskanerpaters Don Vittorio Rigoldi, der im Zentrum von Mailand eine Anlaufstelle für Bedürftige leitet und täglich mehr als 5000 kostenlose Mittagessen ausgibt, nutzen die Regierungspolitiker die Ängste in der Bevölkerung für ihre Zwecke aus: "Die Politik muss die Gefühle der Menschen ernst nehmen und sie muss vermitteln. Das vorherrschende Gefühl in diesem Moment ist die Angst: Angst vor der Krise, Angst um den Arbeitsplatz - das führt zu Aggressionen und zu Konflikten, die die Politik schlichten muss."

Stattdessen heizt vor allem die ausländerfeindliche Regierungspartei Lega Nord die Angst vor Einwanderern noch zusätzlich an. Die Wahlen zum Europäischen Parlament rücken näher, und auch wenn die gegenwärtige Politik vom Ausland kritisiert wird, so scheint sie in Italien Stimmen zu bringen.

Autorin: Kirstin Hausen
Redaktion: Sandra Voglreiter