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Polizei löst Schwulendemo brutal auf

16. Mai 2009

Schwule und Lesben haben es in Russland nicht leicht. Darauf wollten sie bei einer Demo vor dem Eurovision Song Contest aufmerksam machen. Sie wurden von der Polizei brutal festgenommen.

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Polizei nimmt Demonstranten fest (Foto: AP)
So endete die friedliche Schwulen-Demo in MoskauBild: AP

Eigentlich ist die russische Sonderpolizei OMON auf Einsätze gegen Terroristen spezialisiert. An diesem Samstag (16.5.2009) gingen die Polizisten mit gezückten Schlagstöcken auf Schwule und Lesben los, die vor dem Gebäude der Moskauer Lomonossow-Universität friedlich demonstrierten.

"Das ist ja beängstigend!", sagte der Grand-Prix-Fan Wolfgang aus Trier, der eigens für die Show von der Mosel angereist war. Der Tourist verfolgte entgeistert, wie die Polizei Schwule und Lesben in Gefängniswagen und Busse zwang. "Die haben doch gar nichts gemacht", sagte der 37-jährige Deutsche. Die Bilanz: Mindestens 40 Festnamen, aber anders als sonst keine Verletzten.

Demonstration war nicht genehmigt

Die russischen Homosexuellen trafen sich ungeachtet eines Demonstrationsverbots am Samstag an einer bei Touristen beliebten Aussichtsplattform vor dem Uni-Gebäude. Sie wollten aus Anlass des von vielen Schwulen und Lesben besuchten Eurovision Song Contest (ESC) auf Ausgrenzung und Gewalt gegen "sexuelle Minderheiten" in Russland hinweisen. "Wann, wenn nicht jetzt zum ESC, sollen wir auf unsere schlimme Lage aufmerksam machen", hatte der Vorsitzende des russischen Schwulen- und Lesbenverbandes, Nikolai Alexejew (31), der Deutschen Presseagentur im Vorfeld gesagt. Die OMON-Kräfte packten ihn am Samstag an Händen und Füßen und zerrten ihn in einen Bus.

Demonstranten in Moskau (Foto: AP)
Die Demo war von der Stadt nicht genehmigt wordenBild: picture-alliance/ dpa

Einige Aktivisten entrollten Plakate mit der Aufschrift: "Menschenrechte für Schwule und Lesben". Aber die OMON-Kräfte durchbrachen mit Gewalt einen Pulk internationaler Journalisten, um die Aktivisten festzunehmen. "Wir sind friedliche Menschen und wollen so leben wie andere auch", rief die Russin Irina mit tränenerstickter Stimme. Sie sprach ganz allein im Abseits, umringt von Journalisten, bevor sie festgenommen wurde. Irina hatte unlängst erfolglos versucht, ihre Lebenspartnerschaft bei der Stadt eintragen zu lassen.

"Satanische Handlung"

Zwar ist Homosexualität in Russland seit 1993 nicht mehr strafbar. Doch Rechte wie im Westen bleiben Russlands Homosexuellen bis heute verwehrt. Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow brandmarkte eine schwul-lesbische Lebensweise als "satanische Handlung" und drohte immer wieder, jede Form öffentlicher "Homosexuellen-Propaganda" verhindern zu lassen.

Bis zuletzt hatte Alexejew (31) auf ein Machtwort von Präsident Dmitri Medwedew gegen die Stadt gewartet. Doch der Kremlchef, der sich als liberaler Politiker präsentiert, hielt sich zurück. "Wir werden das in der russischen Verfassung verankerte Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagen", sagte Alexejew. Mit einem als Braut verkleideten Mann am Arm war Alexejew zu dem Aussichtspunkt gekommen, wo traditionell Brautpaare auf ihr Glück anstoßen.

Imagekampagne verfehlt

Viele der Aktivisten hatten sich angesichts der starken Polizeipräsenz Mut angetrunken. Doch die meisten blieben aus Angst lieber fern. Traditionell kommt es bei den Versuchen, Schwulen- und Lesbenparaden zu organisieren, zu Gewalt. Wer sich als Grand-Prix-Fan zu der geplanten Schwulen-Parade am Puschkin-Platz im Zentrum einfand, traf nicht nur auf die Truppen des Innenministeriums. Rechtsextreme und religiöse Fanatiker hatten ihre ebenfalls in Stellung gebracht, um gegen die Schwulen und Lesben vorzugehen.

Auf Unterstützung von den Organisatoren des ESC konnten die Homosexuellen nicht rechnen. Doch hatte etwa Schlagerbarde Guildo Horn, der in der deutschen Grand-Prix-Jury sitzt, in Moskau die "schwulenfeindliche Politik" der Stadt als "beschämend" kritisiert. Dabei hatte Russland die erste Ausrichtung dieses für rund 30 Millionen Euro organisierten ESC eigentlich auch als Imagewerbung verstanden. (mag/chr/dpa/afp)