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Atombomben - wozu?

15. Mai 2009

Der Kalte Krieg ist längst vorbei und trotzdem: Noch lagern bis zu 20 Atombomben in Deutschland. Eigentlich sind sie vollkommen überflüssig.

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Abbildung des Atomzeichens (Foto: AP)
Ein Zeichen, das seit jeher für Ärger sorgtBild: AP Graphics
Bundeskanzler Konrad Adenauer spricht im Parlament (Foto: AP)
Setzte Atomwaffen in Deutschland durch: AdenauerBild: AP

"Sowjetrussland ist, auch wenn wir keine Details darüber wissen, nuklear hoch aufgerüstet. Noch am 22. Januar hat Chruschtschow in einer öffentlichen Rede gesagt, dass die Sowjetunion in der Lage sei, jeden Punkt der Erde mit nuklearen Raketen zu erreichen", sagte Bundeskanzler Konrad Adenauer am 25. März 1958 im Bundestag. Das Parlament debattierte damals heftig über die atomare Aufrüstung der Bundeswehr.

Dem Widerstand aus dem Volk und Gegenstimmen aus der Politik zum Trotz: Der Kanzler setzte sich durch und die Bundeswehr wurde mit Trägersystemen für US-amerikanische Atomsprengköpfe ausgestattet. Adenauer begründete die Notwendigkeit eines atomaren Deutschlands mit der Expansionspolitik der Sowjetunion und damit, dass nukleare Bewaffnung ein wichtiger Schritt für die Einheit des Westens sei.

Überbleibsel des Kalten Krieges

Obama bei seiner Rede in Prag (Foto: picture-alliance)
Bringt er die Wende in der Atompolitik?Bild: picture-alliance/ dpa

Mittlerweile ist das mehr als 50 Jahre her, und die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Der Kalte Krieg ist längst vorbei. Aber die Atomwaffen in Deutschland sind geblieben. Wie viele es genau sind, das ist geheim. Weder Deutschland als NATO-Partner noch das Pentagon in den USA geben Auskunft zur Position und Anzahl von Atomwaffen.

Nach Angaben des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (Bits) lagern aktuell in Deutschland im einzig verbliebenen Lagerort in Büchel in Rheinland-Pfalz noch 10 bis 20 Atombomben. Geschlossen wurden bereits die deutschen Lager Nörvenich, Memmingen und Ramstein.

Insgesamt gibt es in Europa noch sechs aktive Nuklearwaffenlager - und zwar in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Türkei. Insgesamt sind dort, so schätzt das Bits, bis zu 240 nukleare Bomben gelagert. Zum Vergleich: Unmittelbar nach Ende des Kalten Krieges hatten die USA noch 1400 Atombomben in Europa gelagert.

"Die Atomwaffen in Deutschland sind Überbleibsel des Kalten Krieges und müssen weg", fordert FDP-Chef Guido Westerwelle. Mittlerweile hat sich diese Überzeugung über die Parteigrenzen hinweg ausgebreitet und Verstärkung durch Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt erhalten.

Warum trotzdem an Atomwaffen festhalten?

Seit dem Ende des Kalten Krieges erfüllen Atombomben in Europa vor allem eine politisch-psychologische Funktion: Sie stehen für den Zusammenhalt der NATO-Staaten und für eine gemeinsame Verantwortung in der Nuklearpolitik. Eine militärische Funktion haben sie nicht mehr. Denn für die Strategie der nuklearen Abschreckung reichen die U-Boot-gestützten Atomwaffen der USA und Großbritanniens aus, die der NATO im Ernstfall zur Verfügung stünden.

Atombomben-Gegner mit einem Schild: (Foto: AP)
Steht nicht mehr allein da: Die Anti-AtombewegungBild: AP Graphics

Kritiker eines vollständigen Atomwaffen-Abzugs aus Deutschland, wie einige CDU-Abgeordnete, fürchten den Verlust des deutschen Mitbestimmungsrechts beim Einsatz von Atombomben.

Ottfried Nassauer, Sicherheitsexperte des Bits, hält dagegen: "Kanada, Griechenland und die Türkei sind aus der nuklearen Teilhabe bereits ausgeschieden, ihr Mitspracherecht innerhalb der NATO haben sie deshalb nicht eingebüßt."

Das gängige Verständnis von Mitbestimmung bezieht sich auf die nukleare Teilhabe, die die NATO für ihre Mitglieder vorsieht. Staaten, die keine eigenen Atomwaffen besitzen, sollen trotzdem in die Planung des Einsatzes von Nuklearwaffen eingebunden werden.

Viel entscheidender aber, so Nassauer, sei die Mitsprache bei Atomwaffen im eigenen Land. Die USA können von deutschem Boden aus keine Atombomben ohne deutsche Einwilligung starten. "Wenn die letzten Atomwaffen in Deutschland jedoch entfernt würden, gäbe es auch keinen Verlust an Mitbestimmung", sagt Nassauer. Denn "über Atombomben, die in Deutschland nicht existieren, könne man ohnehin nicht mitbestimmen oder gar verfügen".

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Kay-Alexander Scholz