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Bruderstreit

13. Mai 2009

Nicht erst seit der jüngsten Debatte um die Pius-Bruderschaft und Holocaust-Leugner Richard Williamson ist das Verhältnis zwischen Katholiken und Juden schwierig. Der Zwist existiert, seit es die katholische Kirche gibt.

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Symbolbild Christen und Juden, Quelle: DW
Bild: picture-alliance / dpa / Godong / DW-Fotomontage

Wenn Papst Benedikt XVI. vom 11. bis 15. Mai Israel besucht, dann bewegt er sich in theologisch und historisch-politisch unwegsamem Gelände. Seit Jahrhunderten gibt es Kontroversen zwischen Juden und Christen; Zündstoff erhielten sie jüngst durch die Wiederaufnahme von Bischof Williamson in die katholische Kirche, obwohl dieser in einem Fernsehinterview die Ermordung von Millionen Juden im Nationalsozialismus geleugnet hatte. Papst Benedikt verurteilte daraufhin zwar eilig jede Form der Holocaust-Leugnung, doch nicht nur jüdische Organisationen beklagten das zaghafte Vorgehen des Vatikan gegen Williamson und seine erzkonservative Pius-Bruderschaft.

Alter Konflikt

Bischof Richard Williamson´, Foto: AP
Hat scharfe Debatten ausgelöst: Holocaust-Leugner WilliamsonBild: AP

Doch der Konflikt zwischen Juden und Katholiken ist viel älter: Die Kirchenväter Petrus und Paulus konkurrierten in ihrer Zeit mit den wichtigsten Rabbinern und spalteten zahlreiche jüdische Gemeinden. Mit der Erhebung zur Staatsreligion besaß das Christentum dann plötzlich eine Machtgrundlage, die dem Judentum fehlte. Es folgten Zwangstaufen, Kreuzzüge und Pogrome. "Christusmörder", "Ritualmörder", "Brunnenvergifter" - dieses Feindbild entstand in jenen Tagen und bestimmte Jahrhunderte lang das Denken im christlichen Europa, wo die Juden ausgegrenzt, diskriminiert und verfolgt wurden. Bis heute findet sich dieses Klischee auch in den Schriften der traditionalistischen Pius-Bruderschaft, deren Bischöfe vom Papst wieder in die Kirche aufgenommen wurden.

Zwar haben laut biblischem Zeugnis nicht "die Juden" Jesus getötet, sondern die heidnischen Soldaten des römischen Statthalters Pontius Pilatus, aber auch im Neuen Testament wurde ihre Rolle beim Prozess gegen Jesus überzeichnet: So steht etwa bei Johannes (Kapitel 8, Vers 44): "Ihr habt den Teufel zum Vater" und selbst der Reformator Martin Luther schrieb "Von den Juden und ihren Lügen".

Umbruch im Denken

Papst Johannes XXIII. bei der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils am 11.10.1962 im Petersdom, Foto: dpa
Eine neue Ära: Das Zweite Vatikanische KonzilBild: picture-alliance/ dpa

Theologisch ist dieses Denken aber spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) obsolet. Nach dem heftig kritisierten Schweigen des Vatikans zum Holocaust setzten die Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. ein deutliches Zeichen zur Versöhnung zwischen Juden und Christen. In der Erklärung "Nostra Aetate" über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen verurteilte das Konzil alle Formen der Judenverfolgung. Im Jahr 2000 sprach mit Johannes Paul II. erstmals in der Geschichte der Kirche ein umfassendes "Mea culpa" für die Fehler und Sünden von Christen in den zurückliegenden 2.000 Jahren aus.

Umso irritierender war für viele der Erlass von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007, in dem er die auf Latein gehaltene, alte tridentinische Messe wieder erlaubte: Die darin enthaltene Karfreitagsfürbitte für die Bekehrung der Juden formulierte er zwar neu, jedoch ohne die daran bestehende Kritik völlig zu entkräften. Sie enthält die Aussage, dass die Juden "Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen". Als "erschreckend zweideutig" beurteilt dies etwa der niedersächsische Landesrabbiner Jonah Sievers, Kritiker sehen darin einen Aufruf zur Judenmission. Anhänger des Papstes wie Kurienkardinal Walter Kasper versteht die Bitte jedoch nur Ausdruck einer "endzeitlichen Hoffnung".

Welche Rolle spielte Pius?

Papst Pius XII (Archiv 1946, Foto: AP)
Welche Rolle spielte Papst Pius XII im Zweiten Weltkrieg?Bild: AP

Auch die angestrebte Seligsprechung von Papst Pius XII. (1876-1958), dessen Umgang mit der Judenverfolgung während der NS-Zeit äußerst umstritten ist, belastet das katholisch-jüdische Verhältnis. Auf einer Plakette in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem werden ihm Schweigen und das Fehlen klarer Leitlinien für Kirchenleute vorgeworfen. Eine Öffnung der Vatikanischen Akten ab 1939 könnte die Kontroverse auflösen. Benedikt hat eine schnelle Ordnung dieser Akten angeordnet, um die Öffnung zu beschleunigen.

Mit symbolträchtigen Besuchen im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz und in einer Synagoge in Köln und dem Empfang jüdischer Repräsentanten nach der Williamson-Affäre wollte der Papst zeigen, dass ihm die jüdisch-christlichen Beziehungen am Herzen liegen. Feindschaft gegen Juden war nie seine Sache, auch wenn viele Kritiker ihm in jüngster Zeit unterstellen, er sei blind für antisemitische Tendenzen in erzkonservativen Kirchenkreisen.

Johannes Paul II. wäre so etwas nie passiert", sagen nun manche Würdenträger hinter vorgehaltener Hand. Der polnische Papst habe die politische Dimension des Glaubens stets im Blick gehabt. Und dies sei eine merkwürdige Ironie der Geschichte: Dass die Deutschen, die unter dem Vorgänger des deutschen Papstes manches erlitten hätten, sich nun wieder nach ihm zurücksehnten. (ina/ap/dpa/kna)

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