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Frühjahrsgutachten der EU-Kommission

4. Mai 2009

Die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg wird Europas Wirtschaft nach Prognose der EU-Kommission noch bis Mitte 2010 im Griff behalten. Währungskommissar Joaquín Almunia sieht dennoch einen Grund zur Hoffnung.

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Sterne der Europaflagge vor dunkler Wolke
Die Wirtschaftsprognosen unterbieten sich derzeit gegenseitig

Anfang 2009 hatte die Kommission noch eine Schrumpfung der EU-Wirtschaft von knapp zwei Prozent für das laufende Jahr vorausgesagt. Bereits das war ein erschreckender Wert. Doch nach den jüngsten Zahlen soll alles noch weit schlimmer kommen: Jetzt rechnet die Kommission mit einer Schrumpfung von vier Prozent, sowohl für die gesamte EU als auch für die enger gefasste Euro-Zone. "Die Verschärfung der Finanzkrise und ein drastischer Rückgang des Welthandels haben unsere Volkswirtschaften in Europa in die tiefste und umfassendste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg getrieben", sagt Währungskommissar Joaquín Almunia.

Deutschland ist unter den Schlusslichtern

EU-Währungskommissar Joaquín Almunia (26.11.2008/AP/Viginia Mayo)
EU-Währungskommissar Joaquín AlmuniaBild: AP

Diese Werte sind allerdings Durchschnittswerte. Von Land zu Land sieht es zum Teil sehr unterschiedlich aus. Exportorientierte Staaten wie Deutschland leiden besonders unter dem Rückgang der weltweiten Nachfrage. Für die BRD sagt die Kommission für 2009 einen Rückgang der Wirtschaft um 5,4 Prozent voraus. Diese Prognose ist ein wenig besser als die der Bundesregierung in Berlin.

In der Euro-Zone sieht nur der Wert für Irland noch schlechter aus: minus neun Prozent. Außerhalb der Euro-Zone fällt Lettland mit einem prognostizierten Rückgang der Wirtschaft von 13 Prozent auf. Doch Almunia sieht auch erste Anzeichen für eine Besserung. Dazu zählt er die Entwicklung der Finanzmärkte, eine Verbesserung der Unternehmenserwartungen und reale Indikatoren wie Exportdaten in Asien. "Dies alles deutet darauf hin, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahres stabilisieren und 2010 allmählich erholen wird." Doch für das Gesamtjahr 2010 sagt die Kommission noch einmal eine leichte Schrumpfung voraus.

Viele Stabilitätssünder

Schokotaler auf einer EU-Flagge (6.4.1998)
Die Inflation ist überall in Europa auf Werte von unter einem Prozent stark zurückgegangenBild: dpa - Fotoreport

Eine solche Entwicklung hat natürlich Folgen: Die Arbeitslosigkeit dürfte in Europa massiv ansteigen. Das geschieht mit Verzögerung, weil Betriebe nicht sofort mit Entlassungen auf Nachfragerückgänge reagieren. Die Kommission rechnet bis 2011 mit rund elf Prozent Arbeitslosigkeit für die gesamte EU. Auch die Staatsverschuldung steigt überall. Die Staaten müssen wegen der Arbeitslosigkeit höhere Sozialausgaben verkraften und nehmen auf der anderen Seite weniger Steuern ein. Auch die massiven staatlichen Konjunkturprogramme, wie sie nicht zuletzt die Kommission gefordert hat, haben wesentlich zu einer Verschlechterung der Haushaltssituation beigetragen. Damit dürfte 2009 die große Mehrheit der EU-Staaten die Stabilitätskriterien verfehlen, so Almunia. Er rechnet mit 21 Staaten, die ein Defizit von mehr als drei Prozent haben werden. 2008 waren es nur ein Dutzend Länder. "Aber man kann diese Tatsache natürlich nicht wie in normalen Zeiten betrachten." Deshalb will der Kommissar auch mit den Defizitverfahren zurückhaltend sein.

Eine einzige positive Seite hat die Krise allerdings: Die Inflation ist überall in Europa auf Werte von meist deutlich unter einem Prozent stark zurückgegangen. Andererseits sieht Währungskommissar Almunia auch kein Risiko einer Deflation, die Wirtschaftswissenschaftler als mindestens ebenso gefährlich wie eine hohe Inflation einschätzen. Die Preisstabilität ist im Moment jedoch das Einzige, was dem Kommissar Freude macht. Bei allen anderen Wirtschaftsdaten muss er auf bessere Zeiten hoffen.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn